Die Kolumnen von Jung und Alt. Hier berichten die UND AutorInnen Jürg Krebs, Livia Thurian, Heinz Gfeller und Elias Rüegsegger.
Auf die Königin dämlicher Verpeiltheit trafen wir ganz am Ende unserer Tandemtour. «Lug iz, Leandro, das isch es Velo, wo d’Frou hinde cha mitritte…» – mit grossmutternder Stimme beugt sich diese Vertreterin für angewandte Dämlichkeit (Sektion Hinterfultigen) über ihren Enkel, den sie fest an der Hand hält, und schleudert seinen Blick mit wedelndem Zeigfinger direkt in unsere Richtung.
Ich auf dem Hintersitz, auf dem Vordersitz hält meine Freundin – ich schwöre, sie ist eine Frau – den Lenker fest in den Händen. Mann hinten, Frau vorne. Ja, das Tandem fährt auch so. In Hinterfultigen hat man sowas wohl noch nie gesehen. Hier, wo es kürzlich einen Hexenprozess gegen ein Weib gab, das seinem Angegatteten ins Wort fiel.
«Ja, und we d Frou wott, chasi sogar mittschaupe, gäu Leandro», ertönt die Bassstimme des Grossvaters, der dem Jungen den Kopf tätschelt.
Ich frage mich, ob ich mit meinem struppigen Ferienbart in Hinterfultigen tatsächlich noch als Weib durchgehen würde – oder ob der alte Bock auch einen Kartoffelsack besteigen würde.
Breitbeinige Borniertheit
Es war der Höhepunkt an Borniertheit, die uns – wieder zuhause – entgegenschlug. Schon auf unserer zweiwöchigen Tour mussten wir immer wieder erklären, dass wir die letzten 100 Kilometer tatsächlich so – Frau vorne, Mann hinten – gefahren waren. Ja, ich kann das Steuer gut halten – beschwichtigte meine Freundin die zweifelnden Fragen von Interessierten in Dänemark. Mit dem Tandem waren wir auf unserer Tour eine Attraktion. Entgegenkommende AutolenkerInnen starrten uns an, ein Wunder, gab’s keine Toten wegen Nichtbeherrschen des Fahrzeugs infolge Abgelenktheit.
Breitbeinig bauten sich Männer zwei Meter vor unserem abgestellten Gefährt auf, nickten uns mit dem Kinn zu und fragten, ob sie (also die Frau) hinten auch ordentlich mittrete. Nur allzu gerne stellten wir dann die Verhältnisse klar. Dennoch: meist überstieg unsere Fortbewegungsweise die Vorstellungskraft, der Menschen, die uns glotzend zuhörten, ohne zu verstehen. Unser Tatbeweis folgte zwar sogleich: Das Tandem setzte sich in Bewegung – ich hinten, sie vorne. Es kam vor, dass manche dann wohl einsahen: ja, das klappt ganz gut.
Aber eben – einige trauen ihren Augen nicht – so die Grossmutter mit ihrem Stecher und dem Leandro-Kind. Die beiden Alten tun mir leid, ich trete in die Pedale und stürze mich – als Mann – in die Abhängigkeit. Ich find’s normal.
Die gesammelten Kolumnen
Die Kolumnen von Jung und Alt. Hier berichten abwechslungsweise die UND-AutorInnen Jürg Krebs, Livia Thurian, Heinz Gfeller und Elias Rüegsegger über Themen aller Art.