Das sind die Kolumnen von Jung und Alt.
Hier berichten abwechslungsweise die
UND-RedaktorInnen Jürg Krebs, Livia Thurian, Heinz Gfeller und Elias Rüegsegger. Diese Woche: Letzterer.
Ein Fragezeichen hinter einen Satz zu setzen gehört zu den paar Dingen, die ich am allerliebsten tue. Ein geschwungener Bogen, der Abstrich nach unten, schliesslich mit Nachdruck ein Punkt gesetzt. Von Hand macht’s am meisten Freude. Aber auch auf der Tastatur: Jene Taste oben rechts mit dem Zeichen für die Frage – sie ist schon recht abgetippt. Ein Fragezeichen ist eine Aufforderung. Eine Aufforderung, in Bewegung zu kommen.
Meine Schwester Lea hat einmal folgendes formuliert: «Fragen worten und Antworten ragen.» Diese Worte begleiten mich seither. Ein roter Faden.
Fragen worten…
Denn das Leben stellt Fragen. Viele Fragen, doch eigentlich nur eine. «Warum das alles?» Alle anderen Fragen weisen auch auf diese letzte, zugleich zerstörende und hoffnungserfüllte Frage hin.
Warum? Viele Fragen beantworten Wissenschaft, «gesunder Menschenverstand» und Überlebensdrang mit einer bevormundenden Behauptung, die den wahrhaft Fragenden aber nicht zufrieden stimmen können. Denn in der angeblichen Antwort, der wahren, treten Risse auf. Und der kleinste Zweifel bringt die Antwort zum unendlichen Fall in die Nichtigkeit der Irrelevanz. Und es stellen sich zig neue Fragen – und doch nur eine, die wirklich brennt: Warum?
Diese kindliche Frage führt den Menschen zum Äussersten, zum Anfang, zum Ende. Sie sticht uns wegen der menschlichen Idee eines Sinns besonders. Des Menschen Seele erbittet eine erleichternde Antwort auf die Frage der Fragen. Sie wird nicht kommen. Doch die Hoffnung bleibt mit der Frage.
Es ist die Frage, die zu den tiefen Bedürfnissen des Menschen führt. Es ist die Frage, die an den Abgrund und zugleich auch in die grösste Freiheit lotst.
…und Antworten ragen
Unsere Welt ist geprägt von allzu menschlichen und zugleich wahrhaft unmenschlichen Antworten. Sie ragen als grosse Wahrheiten über unserem Leben. Definieren, was oben und unten ist. Unser Leben gehört den Antworten, nicht etwa sie uns. Unsere Welt besteht aus Antworten von uns «aufgeklärten Menschen». Wir bauen uns unsere Welt, die doch rasch wankt, durch nur eine sich immer wieder pochend wiederholende Frage: Warum?
Die Frage lässt neue Gedanken entstehen. Unabhängig von Zeit, Umfeld und Persönlichkeit vereint uns die Frage nach Sinn und Leben, die Frage schlechthin – die Frage nach dem Warum. Denn niemand hat eine wirkliche Antwort. Wer aber Antworten gibt, der definiert sich und auch anderen eine Welt, die unumstösslich scheint. Das kann entlasten, beruhigen – eine Sicherheit bietet diese konstruierte Welt aber nur zum Schein.
Die Fragen aber generieren neue Worte, neue Gedanken. Sie lassen Kreatives entstehen. Sie bringen uns näher an den Kern der Welt. Sie bringen uns auch näher zueinander.
UND die Kolumne
Elias Rüegsegger ist Initiant und redaktioneller Leiter von UND. Er studiert Theologie in Bern, wo er auch wohnt. Er schreibt abwechselnd mit den und»-KolumnistInnen pünktlich zum Wochenende. Die weiteren KolumnistInnen sind Jürg Krebs, Livia Thurian, Heinz Gfeller und Elias Rüegsegger.