Klappernde Knochen, pulsierende Musik, oder doch lieber ein elektrisierendes Rendezvous mit dem Radio- und Fernsehmoderator Sven Epiney? Ein wenig Satire mit Gebirgspoeten? Eine Reise zum Amazonas? Bevor die Museumsnacht in Bern anbrach, wühlte ich mich durch das umfangreiche Programm: So viele Möglichkeiten für nur einen Abend!
Nicht zu spät für die Alte?
Da stellte sich mir die Frage, was mein älteres Tandem Erika (69) interessieren könnte? Zuerst hatte ich ein wenig ein mulmiges Gefühl, ob wir uns überhaupt verstehen würden und uns auf ein gemeinsames Programm einigen könnten. Um diese Zeit schlafen die meisten älteren Menschen die ich kenne. So fragte ich mich, ob Erika überhaupt glücklich darüber war so lange wach zu bleiben.
Mit einer fremden Person aus einer anderen Generation die Museumsnacht zu besuchen, klingt für viele nach einem Abenteuer. Ich werde gefragt: «Wieso gehst du mit einer älteren Frau, die du nicht einmal kennst, an die Museumsnacht?» Wenn ich dann von UND Generationentandem erzähle, sind viele begeistert von dieser Idee. Neue Erfahrungen zu sammeln lag mir sehr am Herzen, deshalb liess ich mich auf dieses Experiment ein.
Nach unserem ersten Telefonat merkte ich, dass wir gut miteinander auskommen werden und auch ähnliche Interessen haben. Mit Zuversicht freute ich mich auf die Museumnacht. Viele Möglichkeiten standen uns offen. Wofür werden wir uns wohl entscheiden? Die nächste Hürde war es, jemanden in Bern zu treffen, den man gar noch nicht kannte und nur auf einem Foto gesehen hatte. Doch es klappte wie am Schnürchen. Auch Jana, unsere Fotografin, stiess zu uns. Sie begleitete uns den ganzen Abend mit ihrer Kamera.
Tütato und Sonnenuntergang
Erstaunt waren wir über die zahlreichen Oldtimer, die in der Stadt Bern den ganzen Abend bis 2.00 Uhr früh unterwegs waren.
Ihre lauten Geräusche und der Geruch nach Abgasen fiel uns auf – sehr umweltfreundlich sind sie ja nicht gerade. Mit «Tütato», dem berühmten Dreiklanghorn, fuhr neben uns ein altes Postauto durch. Dazu erlebten wir noch den Sonnenuntergang auf dem Weg zum Naturhistorischen Museum.
Es war angenehm warm – das Wetter spielte für einmal mit. Jedoch zog es so noch mehr NachtschwärmerInnen an. Überall standen Menschen. Viele Kinder rannten herum, buddelten im Dreck nach Gegenständen, die an frühere Zeiten erinnern, wie richtige ArchäologInnen, oder konnten Papageien basteln, denn es gab viele Stände zum Mitmachen.
Erholung im Sarg?
Wir legten uns an diesem Abend in einen Sarg. Dies war ein beklemmendes Gefühl. Viel Platz hatte ich darin nicht. Immerhin war es sehr bequem – nach dem langen Herumstehen . Gut- ein Sarg müsste es nicht gerade sein!
Im Historischen Museum war das Thema dieses Jahr Tod und Tanz, so sahen wir uns ein Tanzstück von 18 Frauen unterschiedlichen Alters an, welches sich mit der Vergänglichkeit des Lebens auseinandersetzte. Diese Performance mit dem Titel «Wenn ich mich mit dem Tod befasse, pulsiert in mir das Leben» war inspiriert vom Totentanz.
Ein grosser Gegensatz dazu: Im Museum für Kommunikation ging es humorvoll zu und her. Gebirgspoeten nahmen mit ihrem Radiosender «Radio Alpin» die Welt des Radios aufs Korn.
Ganz elegant
Den Abend liessen wir in der Hochschule der Künste Bern HKB ausklingen. Dort war es ruhiger – auch weniger Menschen waren unterwegs. Es hatte viele Installationen zum Thema Kunst und Musik. Um Mitternacht hätte es noch ein Jazz Konzert gehabt, aber wir waren alle ein wenig müde, deshalb nahmen wir den Zug in Ostermundigen um nach Hause zu gehen. Jetzt hatten wir endlich Zeit uns auszutauschen. Erika erzählte mir, dass sie am Anfang skeptisch war mit zwei jungen Frauen in Bern unterwegs zu sein und wir zu unterschiedlich sein könnten. Doch nach meiner Wahrnehmung zu urteilen fühlte sie sich wohl unter uns. Vielleicht konnte sie sich auch mal wieder jung fühlen. Entgegen meiner anfänglichen Bedenken war Erika jedoch auch sehr fit und schlängelte sich genauso elegant wie ich durch die Menschenmengen.
Was am Schluss bleibt sind die Erinnerungen an diesen wundervollen Abend, der sich nächstes Jahr gerne wiederholen kann, auch mit einer älteren Person. Wir können viel voneinander lernen, wenn wir einander zuhören.
Ins volle Museums-Nacht-Leben
Was hat der Bau des Lötschberg – Basistunnels mit dem Amazonas zu tun? Und wie kommen eine alte und eine junge Frau dazu sich schon mal in einen himmelblau ausgepolsterten Sarg zu legen? Die Museumsnacht aus der Sicht von…
Es war die allererste Anfrage von UND Generationentandem an mich: Hättest du Lust mit Tabea an die Berner Museumsnacht zu gehen? Ich schaute in meine Agenda und sagte zu.
Im Internet informierte ich mich und machte mir Notizen.
Dann hiess es, Jana komme auch mit, als Fotografin. Aha! Ich alte Frau mit zwei jungen Damen! Würden sie wohl denken ich wolle mich bei ihnen anbiedern und «auf Jung machen»? Würden wir den Draht zueinander finden? Ich versuchte meine Bedenken zu verscheuchen, und nach einem Telefonat mit Tabea freute ich mich auf dieses Abenteuer.
Lange Warteschlange
Wir hatten uns gefunden, die Tickets waren gekauft. Jetzt hätten wir zum Auftakt gerne eine Fahrt mit einem Oldtimer unternommen. Aber als wir die Warteschlange sahen, verzichteten wir darauf. Der Anlass hatte eben erst begonnen, aber es war bereits enorm viel Volk in Berns Strassen. An diesem lauen Frühlingsabend waren alle in guter Stimmung – auch wir drei!
Wir buchten als Erstes einen der Amazonas-Rundgänge im Naturhistorischen Museum. Im tiefen Keller der archäologischen und geologischen Sammlung vernahmen wir dann, dass das Thema Amazonas viel Kopfzerbrechen verursacht hatte. Immerhin wurde uns ein Stein gezeigt namens Amazonit, der zwar schön grün ist, aber eigentlich herzlich wenig mit dem Amazonas zu tun hat.
Eine Gesteinsschicht am Lötschberg, während des Baus des Basistunnels entdeckt, gibt da schon mehr her: Versteinerungen von Urwaldpflanzen wie Schachtelhalm, Farn und zwei weiteren Arten, von denen ich die Namen vergessen habe. Sie sind wunderschön anzusehen!
Probeliegen im Sarg
Das Thema Toten – Tanz im Historischen Museum sprach uns auch an. Hier hatten wir Gelegenheit uns zur Probe in einen Sarg zu legen. Ich hatte einmal einen Zeitungsbericht über Polo und Alice Hofer gelesen. Auf einem der Bilder sah man Polo in seinem zukünftigen Sarg liegen. Am Seniorenmarkt in Thun sprach ich Frau Hofer an und sagte: Ich brauche gar keinen Sarg! Da belehrte sie mich eines Besseren und erklärte mir: Ohne Sarg keine Kremation! Jetzt war für mich die Gelegenheit gekommen es Polo Hofer gleichzutun. Also zog ich die Schuhe aus und stieg ein.
Als der Deckel zu war, drang der Lärm nur noch gedämpft herein und ja – es war schon speziell. Wieviel Platz braucht der Mensch?
Übrigens musste ich den Betreuer eindringlich dazu auffordern auch bei mir den Deckel aufzusetzen. Er dachte bestimmt : Die ist schon so nah am Tod. Die will das sicher nicht!
Von der Tanzperformance zum Thema «Wenn ich mich mit dem Tod befasse, pulsiert in mir das Leben» war ich tief beeindruckt. Alles wurde ausgedrückt: Tod, Auferstehung, Angst, Kampf, Abwendung, Versöhnung, Gleichschaltung, Liebe…
Umwerfend
Die Radio- Satire der drei Gebirgspoeten im Museum für Kommunikation fanden wir umwerfend komisch, alle, alt und jung!
Zuletzt fuhren wir zur kürzlich eröffneten Hochschule der Künste. Das hat eine andere Dimension als das Konsi, in dem ich früher Klavierstunden genommen hatte. Nach einigen Klangerlebnissen mit Kirchenglocken, Zügen und plätscherndem Wasser, kombiniert mit Bildern, war es Mitternacht geworden und wir hatten genug.
Danke Tabea, dass du uns sicher zum Bahnhof gelotst hast! Für mich kam jedenfalls der Zug aus der falschen Richtung!
Angeregt in ein Gespräch vertieft fuhren wir Richtung Thun. Der Abend hat mir sehr gefallen.