«Hier möchte ich wohnen» – Gemeinschaftsprojekt bainviver in Chur

«Hier möchte ich wohnen» – Gemeinschaftsprojekt bainviver in Chur

Am 4. August durfte ich einen Blick ins Wohnprojekt «bainviver» werfen – ein ehemaliges Schulhaus mitten in der Churer Altstadt, das heute 28 Menschen als gemeinschaftliches Zuhause dient. Zwischen Bistro, Werkstatt und «hängenden Gärten» entsteht hier eine besondere Form des Zusammenlebens, die begeistert und inspiriert.

Die Wohnbaugenossenschaft bainvivier-chur befindet sich an der Planaterrastrasse 11 in 7000 Chur. Untergebracht in einem liebevoll umgenutzten alten Schulhaus, bietet sie seit dem Bezugsjahr 2023 gemeinschaftliches Wohnen für insgesamt 17 Parteien – darunter eine Jugend-WG und eine Senioren-WG. Aktuell leben 25 Erwachsene und 3 Kinder unter dem Dach der Genossenschaft. Weitere Informationen sind auf der Website www.bainviver-chur.ch zu finden.

Früher ein Schulhaus, heute die Wohnbaugenossenschaft bainvivier.
Bild: Tom Ammann

Architektur

Das historische Schulhaus wurde mit Respekt vor der ursprünglichen Bausubstanz sanft renoviert. Die frühere Parkplatzfläche wurde stark reduziert – von 25 auf 7 Plätze –, um Raum für ein öffentliches Bistro mit Terrasse zu schaffen. Vor dem Haus befinden sich überdachte Velo-Unterstände und liebevoll gepflegte Hochbeete, während sich hinter dem Gebäude ein großzügiger Hang-Garten erstreckt. Der neue Spielbrunnen auf dem Kiesplatz lädt Kinder und Erwachsene zum Verweilen ein.

Früher waren hier Parkplätze: Heute laden ein Spielbrunnen und das Bistro «Kulturpunkt» zum Verweilen ein.
Bild: Tom Ammann

Wohnungsmix

Ein Merkmal der Genossenschaft bainviver ist die Vielfalt an Wohnformen: Neben der Junioren- und der Senioren-WG gibt es Wohnungen mit 1 bis 4 Zimmern, wobei kleinere Einheiten überwiegen. Eine einfache, aber sinnvolle Regel bestimmt die Wohnungsgrösse: Anzahl Personen plus eins = maximale Anzahl Zimmer. Zusätzlich steht ein Gästezimmer mit angegliedertem Bad für Besuchende zur Verfügung.

Gemeinschaftliche Einrichtungen

Die Genossenschaft verfügt über eine beeindruckende Infrastruktur:
Ein Gemeinschaftsraum, ein Kulturraum, eine voll ausgestattete Werkstatt, ein Bistro mit Küche, eine geräumige Waschküche mit Trockenraum und mehrere Außenbereiche wie Hochbeete, Kräuter- und Beerensträucher ermöglichen eine Vielzahl gemeinsamer Aktivitäten und spontaner Begegnungen. Die Gemeinschaftsküche und der Salon können ausserhalb der Bistro-Öffnungszeiten gebucht werden. Ein Bijou ist die einzige und offenbar gut genutzte Badewanne im Haus, die über einen Kalender gebucht werden kann. Die Wohnungen selbst verfügen nur über Duschen.

Ein Atelier für alle: Die reich ausgestattete Werkstatt lässt Bastler:innenherzen höher schlagen.
Bild: Tom Ammann

Soziale Organisation

Einmal im Monat treffen sich die BewohnerInnen zur Bewohnerversammlung, wo Informationen ausgetauscht, aber auch Befindlichkeiten geteilt werden. Das Funktionieren des Wohnprojekts basiert stark auf Freiwilligenarbeit: Arbeitsgruppen kümmern sich um verschiedene Aufgaben wie Reinigung, Garten, Veranstaltungen, Kommunikation, Verwaltung usw. Neuzuzüger:innen füllen beim Einzug ein Formular zu ihren Kompetenzen und Interessen aus, mit denen sie sich anschliessend einbringen können. Zur digitalen Kommunikation wird die Community-App beUnity genutzt.

Gesellschaftsleben

Das Bistro KULTURPUNKT ist das soziale Herzstück der Genossenschaft. Jeden Freitagabend finden auf dem Kiesplatz musikalische Darbietungen statt, an denen jede:r mitwirken kann. Die gut ausgestattete Holz- und Velowerkstatt steht allen offen. Besonders beliebt ist das monatliche «offene Veloflicken». Im Atelier arbeiten auch externe Institutionen wie das HEKS, das zweimal wöchentlich Beratung für Geflüchtete und Randständige anbietet. Auch offene Mal- und Nähstunden finden hier statt.

Velowerkstatt von aussen: Hier findet einmal im Monat das beliebte «offene Veloflicken» statt.
Bild: Tom Ammann

Ressourcenteilung

Nachhaltigkeit und gemeinschaftliches Denken zeigen sich auch im Teilen von Ressourcen: Zwei Privatautos werden unter den Parteien gegen Kilometergeld genutzt, ebenso Gartengeräte und bald auch Haushaltsgeräte im Dachstock. Die Senioren-WG erhält ihr Gemüse über ein SoLaWi-Abo – solidarische Landwirtschaft in urbanem Rahmen.

Mieten

Die Mietpreise bewegen sich im moderaten Rahmen: Ein Doppelzimmer in einer WG kostet monatlich 950 Franken, die Wohnungen liegen zwischen 1200 und 1800 Franken pro Monat. Damit bleibt das Wohnen auch für Personen mit mittlerem Einkommen erschwinglich.

Geschichten

Es sind auch die kleinen, alltäglichen Dinge, die das Leben in bainvivier bereichern: Zum Beispiel die achtzigjährige Bewohnerin,  die regelmässig Wiesenblumen pflückt und diese in Form kleiner Sträusse im ganzen Haus verteilt – eine einfache Gest, die jedoch den gemeinschaftlichen Geist dieses besonderen Wohnorts liebevoll widerspiegelt.

Fazit

Bainviver ist eine sehr gelungene Mischung aus verschiedenen Wohnformen, aus Privatraum und Gemeinschaftlichkeit, aus Quartierintegration und eigener Identität, das in mir den unwillkürlichen «Hier möchte ich wohnen»-Reflex auslöst und dessen Besichtigung ich all jenen ans Herz legen darf, die selber ein gemeinschaftliches Wohnprojekt in dieser Grössenordnung realisieren wollen.

Besonderer Anbau: Bick von den «Hängenden Gärten von bainviver» hinunter auf die Planaterrastrasse.
Bild: Tom Ammann
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