Bostudenzelg – Fortschritt oder Fehltritt? Das Abstimmungspodium zum Nachschauen

Bostudenzelg – Fortschritt oder Fehltritt? Das Abstimmungspodium zum Nachschauen

Die Abstimmung über die Überbauungsordnung Bostudenzelg bewegt Thun. Am Podium von UND Generationentandem trafen Befürworter, Gegnerinnen und Fachpersonen aufeinander – und machten deutlich, wie zentral Fragen zu Wohnraum, Stadtentwicklung und Quartierleben für die Zukunft der Stadt sind.

Am 30. November kommt es in Thun zur Abstimmung über die Überbauungsordnung Bostudenzelg / Bläuerstrasse. Das Referendumskomitee findet das Projekt überdimensioniert und befürchtet eine Überlastung der Infrastruktur. Das Ja-Komitee sieht darin eine Chance für Thun, einen Mehrwert für das ganze Quartier zu schaffen.

Zum Wohnbauprojekt

Im Neufeldquartier in Thun sollen 600 neue Wohnungen entstehen. Dazu braucht es eine neue Überbauungsordnung – diese wurde in den letzten Jahren entwickelt und am 3. Juli 2025 durch das Thuner Parlament mit 37 zu 1 Stimme verabschiedet. Ein Komitee hat das Referendum ergriffen und genügend Unterschriften gesammelt, so dass die Überbauungsordnung am 30. November 2025 der Thuner Stimmbevölkerung vorgelegt wird.

Hier soll gebaut werden: Bostuden von oben.
Bild: Stadt Thun

Das Bostudenzelg-Wohnbauprojekt sieht die Entwicklung eines neuen, vielfältigen und lebendigen Wohnquartiers in Thun vor – mit hoher Lebensqualität, ökologischer Bauweise und gemeinschaftlichem Zusammenleben. Geplant sind rund 600 Wohnungen, davon etwa 330 durch genossenschaftlichen, preisgünstigen Wohnungsbau, ein Quartierladen, eine Kita und ein Doppelkindergarten. Der entstehende Wohnraum wird den Bedürfnissen verschiedener Generationen und Lebensphasen gerecht. Das Herzstück des Areals bildet ein neues Quartierzentrum mit Bistro, Begegnungszonen und Gemeinschaftsräumen, wo soziale und kulturelle Angebote sowie zusätzlichen Dienstleistungen ermöglicht werden.

Getragen wird das Projekt von der IG Bostuden, einem Zusammenschluss von sieben regionalen Wohnbaugenossenschaften, sowie von den Stiftungen SILEA und ARCHE. UND Generationentandem wirkt beratend in den Bereichen Quartierintegration, Generationenwohnen und Soziale Nachhaltigkeit mit.

Volle Cafeteria in der Stiftung SILEA: Dieses lokalpolitische Anliegen bewegt.
Bild: Rebekka Flotron

Das Podium «Bostudenzelg: Fortschritt oder Fehltritt?»

Am 12. November lud UND Generationentandem Befürworter:innen, Gegner:innen und Expertinnen zu einem Austausch im Stiftung SILEA ein.

Das von Elias Rüegsegger moderierte Podium war gut besucht. Die Vertreter:innen des Referendumskomitees waren Reto Stähli, der sich im Neufeldleist engagiert, und Ava Cornelsen.

Engagieren sich für ein «Nein» am 30. November 2025: Reto Stähli und Ava Cornelsen.
Bild: Rebekka Flotron

Auf der Befürworterseite standen Thomas Bieri (SVP) und Marianna Oesch Bartlome (SP), beide im Stadtrat.

Sind überzeugt vom Projekt «Bostudenzelg»: Stadträt:innen Marianna Oesch Bartlome und Thomas Bieri.
Bild: Rebekka Flotron

Als Expertinnen waren Susanne Szentkuti, Co-Leiterin des Planungsamtes der Stadt Thun, und Rahel Schoch, Geschäftsführerin von Wohnwerk Thun und Vertreterin der IG Bostuden, eingeladen.

Sachlich und mit Fakten: Susanne Szentkuti von der Stadt Thun erklärt, was tatsächlich geplant ist.
Bild: Rebekka Flotron

In Kürze: Die Standpunkte der Podiumsteilnehmer:innen

Ava Cornelsen ist nicht gegen dieses Projekt, setzt sich aber ein für eine nachhaltige Politik. Das Referendum als Instrument in unserer direkten Demokratie ermöglicht eine öffentliche Diskussion, und das sei bei einem solch grossen Vorhaben von grosser Wichtigkeit. Reto Stähli nennt das Vorhaben ein Monsterprojekt. Zudem sei der Robinsonspielplatz nicht in die Überlegungen einbezogen worden.

Die Gegner:innen machten deutlich: Viele Fragen sind noch ungeklärt – ein Hinweis darauf, wie wichtig Transparenz und Mitwirkung in der nächsten Planungsphase wären.
Bild: Rebekka Flotron

Rahel Schoch nennt das Projekt ein «Dorf in der Stadt» mit zukunftsweisenden Komponenten wie Begegnungszonen mit viel Grün, Bistro, inklusiven Nutzungen, vielfältigen Erdgeschossangeboten, autofreien Bereichen und echter Partizipation – für sie ein «Muss» für Thun.

Genau diese Elemente überzeugen auch Marianne Oesch und Thomas Bieri: die Chance, ein lebendiges und durchmischtes Quartier zu schaffen, das bezahlbaren Wohnraum bietet, soziale Integration fördert und ökologische Prinzipien wie kurze Wege, Langsamverkehr und effiziente Flächennutzung konsequent umsetzt.

Thomas Bieri wohnt im Neufeldquartier: Für ihn ist Bostudenzelg eine Antwort auf die Wohnungsnot in Thun.
Bild: Rebekka Flotron

In der Diskussion werden kritische Fragen gestellt:
Wieso werden die gemeinnützigen Wohnungen erst in der zweiten Etappe realisiert? Findet das Mitspracherecht so statt wie bisher, indem auf Eingaben nicht eingegangen wird?

Engagiertes Publikum: Viele Anwohner:innen melden sich zu Wort.
Bild: Rebekka Flotron

Susanne Szentkuti gelingt es, die Gemüter zu besänftigen. Sie spricht von der Leerwohnungsziffer, die weit unter dem Durchschnitt der Schweizer Städte liegt, und davon, dass alle Arten von Wohnraum benötigt werden. Die Etappierung ergibt sich aus dem Umstand, dass die Frutiger AG in der Planung weit vorangeschritten ist. Sie verspricht mehr Mitspracherecht und dass die Engagierten des «Robi» in die weitere Planung einbezogen würden, falls das Projekt angenommen wird.

  • Überdimensioniertes Projekt
    Das Referendumskomitee spricht von einem «Monsterprojekt» und kritisiert Höhe, Dichte und Massierung.
    Einordnung: Die Stadt betont, dass das Areal seit den 1970er-Jahren Bauland ist und bereits heute sechs Stockwerke + Attika möglich wären. Verdichtung sei zudem ein nationaler Auftrag.
  • Überlastung von Verkehr, Schule und Infrastruktur
    Befürchtet wird ein Kollaps der bestehenden Systeme.
    Einordnung: Laut Stadt ist die Entwicklung koordiniert mit Schulraumplanung, Freiraumprojekten und Langsamverkehrsstrategie. Infrastruktur wachse parallel, nicht nachgelagert. 
  • Gefährdung des Robinson-Spielplatzes
    Sorgen bestehen bezüglich Schattenwurf, Nähe der Gebäude und Veloverkehr.
    Einordnung: Der «Robi» bleibe bestehen, werde in die Planung eingebunden und sogar aufgewertet. Gebäudeabstände entsprächen den Vorgaben, die Veloführung werde entschärft.
  • Unklarheiten im Planungsstand
    Das Komitee kritisiert fehlende Antworten und unklare Planungen.
    Einordnung: Das Projekt ist noch in der Planungsphase – deshalb können Detailfragen erst nach einer Annahme verbindlich erarbeitet werden. Die Stadt verspricht einen intensiven Mitwirkungsprozess.

Am Schluss der Veranstaltung bedankten sich alle Mitwirkenden bei den Organisator:innen und Gastgeber:innen dafür, dass dieses Podium durchgeführt wurde. Reto Stähli: «Wie wir miteinander umgehen, ist das Wichtigste!»

Ein Abend voller Emotionen, kritischer Fragen und intensiver Publikumsbeteiligung – und einem Moderator, der alles im Griff behielt.
Bild: Rebekka Flotron

In eigener Sache

UND Generationentandem engagiert sich für das Projekt Bostudenzelg und empfiehlt die Annahme der Überbauungsordnung. Wir sind überzeugt: Das geplante Quartier mit seinem sozialen, generationenübergreifenden und ökologischen Ansatz kann ein Gewinn für Thun und seine Bewohner:innen werden.

Mit diesem Podium wollten wir – trotz eigener Haltung – Raum für unterschiedliche Perspektiven schaffen, Fragen stellen und das Gespräch fördern, bevor die Thuner Stimmbevölkerung am 30. November 2025 über die Überbauung entscheidet.

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