
Im Visptreffpunkt erzählen eine Gemeinderätin, ein Jugendarbeiter und 15 freiwillig Engagierte, was es mit Pürumärt, Hängertu-Tisch und VispSilver auf sich hat und wie der bahnhofsnahe Visptreffpunkt bereits zwei Monate nach Eröffnung ein beliebter Ort des Generationenmiteinanders ist.
Freitag, 05.12.2025
Gleich beim Ausgang der Bahnhofunterführung Visp zeigt der Pfeil «Lonza» nach rechts und zwei Schritte weiter steht der blaugestrichene Wintergarten, der zum Visptreffpunkt zur Mühle, kurz Visptreffpunkt, gehört. Zwei Türen weiter der Eingang und schon ist man mittendrin: Garderobe, Stimmengewirr, Geschirrgeklapper, Kaffeeduft. Ein warmer Empfang durch eine grossgewachsene Frau mit langen Locken: Denise Fux (41), Visper Gemeinderätin, seit einem knappen Jahr zuständig für Gesundheit und Soziale Wohlfahrt, energiegeladen, zielgerichtet und überzeugt vom Generationenmiteinander. Sie weist in ein Säli, in dem bereits Leute Tische zusammenschieben, freundlich grüssen, Hände schütteln, Teller mit Kuchen herbeibringen und einen Espresso offerieren.
Vor dem Zusammensitzen noch ein rascher Blick ins Innere des Visptreffs: Bar, Gaststube, «Hängertu-Tisch», Wintergarten mit Kinderecke und Tür zum Aussensitzplatz in Richtung Bahngeleise. Hier steht aber ein hohes orangefarben verkleidetes Gerüst – offensichtlich wurde hier bereits neu gedacht. Ein neues Gebäude ist ausgesteckt.
In zwei Jahren soll das gemeindeeigene Haus mit dem ehemaligen Restaurant Zur Mühle abgerissen werden. Es konnte kein Mieter als Zwischennutzer gefunden werden, bis… Gemeinderätin Denise Fux (neo) kam, sah und gleich doppelt siegte. Sie erhielt den Zuschlag für eine zweijährige, unentgeltliche Zwischennutzung. Am 7. Oktober 2025 eröffnete sie hier gemeinsam mit VispSilver das Begegnungscafé Visptreffpunkt.
Der Pürumärt, jeden Freitagabend auf dem Hauptplatz und «seit 30 Jahren aus dem Visper Alltag nicht mehr wegzudenken», schreibt die Gemeinde. Die Runde am langen Tisch im Visptreffpunkt weiss sogar: Der Pürumärt ist DIE Integrationsstelle. In Visp wohnen heute Menschen aus 85 Nationen. Alle – zumindest viele – kommen an den Pürumärt zum Einkaufen, Informieren, Treffen, Essen, zum Plausch. Vielfach werde hier bereits Englisch gesprochen. Ganz klar mit dabei auch Denise Fux. Die Grenchnerin lebt seit 14 Jahren in Visp und spricht für Berner Ohren schon sehr Walliserisch mit vielen Ü und U. Sie mischte sich mit ihrem Einkaufskörbli unter die Leute, hörte zu, redete mit, knüpfte Kontakte.
Das Projekt, das darauf abzielt, Generationen auf partizipativer Basis zusammenzubringen und Visp zu einem altersfreundlichen Ort zu machen, heisst VispSilver. An der im Oktober 2024 durchgeführten Zukunftswerkstatt nahmen über 200 Menschen teil und entschieden sich, als Erstes ein Begegnungscafé einzurichten.
Im Juli 2025 wurde eine Betriebsgruppe gegründet. Darin arbeiten die circa 15 Frauen und Männer über 60, die um den langen Tisch im Säli des Visptreffpunkts sitzen. Sie engagieren sich freiwillig und unentgeltlich und sind für den reibungslosen Ablauf und für die Ausgestaltung verantwortlich. Die Ressorts Gastro, Personal, Programm&Angebotsentwicklung, Finanzen, Kommunikation und Liegenschaft&Technik sind verteilt, die Ideen vorhanden, der Spass daran ebenso.
Visp hat knapp 9000 Einwohner. Hinzu kommen die 8500 Zupendler aus den Walliser Tälern, aus anderen Kantonen und aus dem nahen Ausland. Hauptarbeitgeber ist das Biotechunternehmen Lonza Group. Einheimische, vielfach sogenannte «Arbeiterbauern» ohne fachliche Qualifikationen, fanden hier Arbeit. Die Kaderstellen besetzten und besetzen häufig Auswärtige, die sich im Wallis und in Visp wohlfühlen sollten. Der Lonza verdanke man viel, auch die grosse Förderung des Vereinswesens, ist man sich am langen Tisch im Visptreff einig, 110 aktive Vereine gebe es heute. 2007 wurde der neue Bahnhof gebaut, der nun eine schnelle Anbindung an andere Regionen ermöglicht. Heute ist Visp ein wirtschaftlicher Hotspot.
Hier leben viele ältere Menschen. 2024 sind etwas mehr als ein Viertel über 60-jährig, 2030 wird es wohl ein Drittel sein. Die Gemeinde weiss: Das Generationenmiteinander muss aktiv angegangen werden und bewilligt ein Zweijahresbudget für die Aktivitäten im Visptreff. Darin enthalten sind auch 25 Stellenprozent für Daniel Willa, Jugendarbeiter bei der Jugendarbeitsstelle Visp (Visptreffpunkt 20%, VispSilver 5%), der koordiniert, administriert, mitdenkt und Brücken baut.
Im Wallis gibt es viele Beizen als Treffpunkte, doch werden sie heute nicht mehr so oft und so lange genutzt. Gehörten die etlichen Ballons, etwa nach der Musikprobe der Männer, einfach dazu, sind die heutigen Familienväter stärker in Arbeit und Familie eingebunden und können nicht bis in die Nacht hinein sitzen bleiben. Die Gaststätten sind so oft nur für Mittagstisch und Apéro gut besucht, stehen aber in den Zeiten dazwischen und danach oft leer. Hier springen jetzt die Angebote für den Visptreffpunkt ein.
Ältere Frauen aus ihrem Bekanntenkreis gehen nicht gerne alleine in die Beiz, sagt eine freiwillig Engagierte. Viele Menschen, Pensionierte etwa oder Eltern mit Kindern, wollen sich bei jedem Wetter ungezwungen treffen, ohne jedes Mal Geld auszugeben. Genau deshalb stehen nun Gaststube, Garten, Kinderspielecke und der «Hängertu-Tisch» zur Verfügung. Das Säli und alle übrigen Ecken des Treffs können Vereine für Aktivitäten nutzen. Vorerst am Dienstag von 9-12 Uhr und 14 bis 18 Uhr sowie am ersten Sonntag im Monat von 14 bis 18 Uhr . Wer will, darf Getränke, Kuchen und kleine Snacks zu sehr moderaten Preisen bestellen. Ebensogut darf ein mitgebrachtes Päckli Güetzi die Runde machen. Über Mittag bleibt der Visptreff bewusst geschlossen: Es soll keine Konkurrenz zu Visper Restaurants entstehen.
«Das Oberwallis ist ein Dorf – jeder kennt jeden» und so sei es gut angelaufen. Doch «ohne Denise» wären sie nie so weit, lautet der Refrain im Säli. Durchschnittlich kämen etwa 65 Besucher:innen pro Tag, es waren auch schon mal 80, erzählt Josiane (68). Sie leitet heute die Gastrogruppe. Die ehemalige Wirtin im Rio kennt die Herausforderungen eines Wirtealltags gut und ist froh um die Koordination der Freiwilligen durch Daniel Willa. Sie freut sich, dass die heute 30 zupackenden Freiwilligen Feuer und Flamme sind, weiss aber aus Erfahrung «wenns drufaa chunt, ziehn vili dr Schwanz ii». Grosses Gelächter am Tisch. Über eine App tragen die Engagierten ihre Einsätze ein; ist Not an Mann oder Frau, fragt Daniel Willa via Chat nach. Sprachcafé, das Tanzcafé von Alzheimer Valais/Wallis und Gespräche oder Vorträge stehen auf der Agenda.
Die Zusammenarbeit mit dem monatlichen «Mittagstisch», mit der «Mütter-Väter-Beratung» und dem «Eltern-Kind-Träff» steht und sogar einzelne Veranstaltungen finden statt; beispielsweise gerade am Nachmittag, da ein alter Hausarzt zu Erinnerungen aus seinem Berufsleben einlädt. Sprachcafé, das Tanzcafé von Alzheimer Valais/Wallis und Gespräche oder Vorträge stehen auf der Agenda.
Wohin soll die Reise gehen? So viele Aktivitäten brauche es gar nicht, meinen die Visper Freiwilligen angesichts des reichen Angebots von UND Generationentandem. Die Hauptsache sei ein Ort zum Zusammensein und sich wohl fühlen.
Dennoch: Die Diskussion über eine geordnete Einführung dieses Pilotprojekts und dessen Weiterentwicklung müssen ein wohlüberlegtes Argumentarium und verlässliche Zahlen untermauern. Längere Öffnungszeiten, verstärkt junge und jüngere Menschen ansprechen, das Gastroangebot zumindest kostendeckend führen und die Organisationsform klären. Dies sind die erklärten Ziele nach den ersten zwei Monaten.
«Es brucht jetzt Zyt», sagen die einen und blicken in Richtung Denise Fux. Alle aber sagen: «Es geit wiiter!»