Erschienen am: 10.10.2022 | Auflage: 1’000 Exemplare
EDITORIAL
Sandra Gonseth (53), Kernredaktorin
Lüge oder Wahrheit? Diese Frage stellte sich niemand, als vor über zwanzig Jahren ein Bild vom Attentat von Luxor in den Medien auftauchte. Erst im Nachhinein zeigte sich, dass es sich bei einer vermeintlichen Blutlache um eine eingefärbte Wasserpfütze handelte. Die meisten Bildmanipulationen fallen uns gar nicht auf, haben britische Forscher festgestellt. Sogar wenn wir explizit darauf aufmerksam gemacht werden. Heute gibt es in den sozialen Medien kaum mehr ein Bild, bei dem nicht mit mindestens einem Filter etwas nachgeholfen wurde (S.33). Doch: Solche Bilder bleiben in unseren Erinnerungen haften, auch wenn sie gar nicht stimmen. Und können so unser Gedächtnis nachhaltig verändern.
Was ist also wahr und was nicht? Wem können wir noch glauben? Genau diesen Fragen gehen wir in unserem Schwerpunkt nach: Wir nehmen das Schneeballsystem unter die Lupe (S. 44), schauen hinter Verschwörungstheorien
(S. 36) und diskutieren über die eigene Wahrnehmung und die kleinen Lügen im Alltag (S. 29).
Denn solche benutzen wir oft. Meistens sind es kleine Unwahrheiten, Ausreden oder Notlügen. Das ist laut Psychologen durchaus legitim – eine Art Überlebensstrategie im Dschungel der immer zunehmenden gesellschaftlichen Ansprüche. Notlügen kommen oft dann zum Einsatz, wenn wir unsere eigenen Bedürfnisse ignorieren und es allen recht machen wollen. Deshalb hilft häufig eine kurze Frage, bevor wir Entscheidungen treffen: Will ich das wirklich? In diesem Sinne wünsche ich dir, liebe Leserin, lieber Leser, eine
spannende Lektüre.
