Das sechste Generationenfestival von UND Generationentandem bot weit mehr als kulturelle Highlights und ein buntes Programm – es wagte auch ein mutiges Experiment: Am Sonntag, den 15. September 2024, dem internationalen Tag der Demokratie, wurde der «Weg der Demokratie» ins Leben gerufen. Zehn Stationen, zehn Fragen – das Ziel war klar: Die Bewohner:innen Thuns sollten über zentrale Themen des Zusammenlebens diskutieren. Auch die Thuner Parteien waren zahlreich vertreten, um sich aktiv am Austausch zu beteiligen.
«Der neue, dritte Festivaltag war für mich wie eine Blackbox», gestand Elias Rüegsegger, der Geschäftsleiter von UND Generationentandem und Koordinator des Generationenfestivals, noch am Abend zuvor. Doch was als kleines Wagnis begann, entpuppte sich als Volltreffer: Menschen aller Generationen kamen zusammen, um über lokale Politik, Medien, Debattenkultur und Ressourcenverteilung zu sprechen. Der Austausch war lebendig, die Meinungen vielfältig und die Ideen zukunftsweisend.
Ungewöhnliche Allianzen und frische Ideen
Ein Beispiel für den Erfolg des Tages: Eine SP-Politikerin und ein FDP-Politiker, die sonst wohl selten einer Meinung sind, fanden einen Kompromiss, wie öffentliche Gelder am besten eingesetzt werden sollten. Gleichzeitig traten zwei zwölfjährige Mädchen selbstbewusst auf und forderten die anwesenden Lokalpolitiker:innen auf, Kinder stärker in politische Entscheidungen einzubeziehen. Ihre Idee einer Kinderseite im Thuner Tagblatt stiess ebenfalls auf Begeisterung – ein Projekt, das sie nun aktiv weiterverfolgen wollen.
Demokratie hautnah erleben
«Wenn SVP und Die Mitte-Vertreter:innen gemeinsam über politische Zusammenarbeit sprechen oder Jung und Alt gemeinsam mit Lego Bauprojekte für Thun planen, dann wird Demokratie lebendig», schwärmte Tabea Keller, eine der Organisatorinnen des Festivals. Der «Weg der Demokratie» zeigte, dass partizipatives Miteinander in der Gesellschaft nicht nur möglich, sondern längst überfällig ist. Dies bestätigte auch Hansruedi Braunschweiler, ein Teilnehmer des Wegs: «Die gesamte Bevölkerung – von Jung bis Alt – konnte ihre Ansichten zur Demokratie und zum Zusammenleben ganz einfach teilen. Eine grossartige Idee!»
Kinder als politische Akteure
Besonders beeindruckend war der Einsatz der jüngsten Teilnehmer:innen. Kinder, die in der Schweizer Demokratie oft von der politischen Teilhabe ausgeschlossen sind, nutzten die Gelegenheit, um lautstark ihre Ideen und Forderungen einzubringen.
«Es hat sich schnell gezeigt, dass gerade die Kleinsten oft zu kurz kommen», erzählt Celine Henzmann, die als Helferin auf dem Weg der Demokratie aktiv war. «Daher entwickelten wir an den verschiedenen Ständen bewusst Mitmachmöglichkeiten für Kinder.» Zwei Mädchen forderten dabei das Stimmrecht ab 12 Jahren und setzten sich dafür ein, dass mehr Geld in Projekte für Kinder und Familien fliesst, anstatt zum Beispiel in den Verkehr.
Ihre Entschlossenheit und Kreativität hinterliessen einen bleibenden Eindruck bei den Erwachsenen.««Die Kinder haben ihre Ansichten mit grosser Kreativität und Ich-Bezogenheit zum Ausdruck gebracht», bemerkte Hansruedi Braunschweiler, der den «Weg der Demokratie» als Besucher absolvierte.
Doch auch die Erwachsenen gingen mit neuen Erkenntnissen nach Hause. Teilnehmer:innen entwickelten Ideen, wie die Lokalpolitik partizipativer gestaltet werden könnte, etwa durch attraktivere Stadtratssitzungen oder die stärkere Einbindung der Bevölkerung durch innovative Beteiligungsformate wie «Soundingboards».
Gemeinschaft gestalten – von Anfang an
Aber nicht nur der politische Austausch stand im Mittelpunkt, auch die Herausforderungen einer aktiven Gemeinschaft wurden thematisiert. Fritz Zurflüh, ein weiterer Helfer des Festivals, erinnerte sich an die Geschichte einer Besucherin, die in ihrem Quartier Adventsfenster organisierte. Was als schöne Tradition begann, mündete in Druck und Konkurrenz unter den Nachbar:innen. Diese Anekdote verdeutlichte, dass gute Ideen auch Hindernisse mit sich bringen können.«Die Weichen für eine starke Gemeinschaft werden oft schon in der Stadtplanung gestellt», betonte Fritz Zurflüh und wies darauf hin, wie wichtig gemeinschaftsfördernde Strukturen in allen Bereichen des Zusammenlebens sind.
Ohne Menschen, die Ideen in die Tat umsetzen, bleiben diese jedoch nur Theorie. Vielleicht, so Fritz Zurflüh im Anschluss, könnte der Verein UND Generationentandem zukünftig eine Plattform schaffen, die solche Initiativen unterstützt.
Ein Blick nach vorn
Der «Weg der Demokratie» hat eindrucksvoll gezeigt, wie wichtig Teilhabe in einer lebendigen Demokratie ist. Der Wunsch, diesen Dialograum nicht nur auf das Generationenfestival zu beschränken, sondern dauerhaft in das gesellschaftliche Leben zu integrieren, wurde von verschiedenen Teilnehmer:innen geäussert. «Demokratie lebt vom Dialog und davon, dass wirklich alle Generationen ihre Stimme einbringen», fasste Hansruedi Braunschweiler treffend zusammen.
Dieses Experiment könnte den Anfang einer neuen Tradition markieren – einer Tradition, die Thun in den kommenden Jahren prägen und stärken könnte. Denn die Zukunft der Demokratie ist greifbar – lebendig und nahbar gestaltet sie sich durch Dialog und Teilhabe.
Das Experiment ist also geglückt – und könnte zu einem festen Bestandteil des Generationenfestivals und vielleicht auch des städtischen Zusammenlebens werden.