
Ein Workshop und ein Podium mit dem Titel «Resilienz – wie wir die Wirklichkeit aushalten können» lockten viele ZuhörerInnen ins Thuner Rathaus. Was verbindet Klosterfrauen mit einem Bambus? Wieso ist Jodeln ein gutes Mittel, resilient zu werden oder zu bleiben? Das Generationenforum, organisiert von UND Generationentandem, war Lebenshilfe pur – hier jederzeit als Podcast nachzusehen.
Donnerstag, 24. November 2022
Politpodium zum Nachschauen und Nachhören
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In Krisenzeiten braucht es ein Gleichgewicht aus Flexibilität und Stabilität, um gesund zu bleiben. Nur in Krisenzeiten? Nein, dieses Gleichgewicht braucht es während des gesamten Lebens. Resilienz ist ein Lebensthema, davon ist Fritz Zurflüh (68) überzeugt.

Mit seinem witzig präsentierten Einführungsreferat am Workshop des Generationenforums vom 23. November präsentierte er etwas Grundwissen:
Der Ausdruck Resilienz (von lateinisch resilire: zurückspringen, abprallen, nicht anhaften) kommt aus der Materialwirtschaft. Fritz Zurflüh bog zur Illustration eine Postkarte, die bei nachlassendem Druck gleich wieder in die Ursprungsform zurücksprang, also resilient ist. Der Mensch verspürt Druck in Stress- oder Krisensituationen. Er muss diese Belastungen aushalten können und wieder zur alten Form zurückfinden. Noch besser: Der Mensch entwickelt neue Strategien und lernt etwas dabei.
Emotionen wie Unsicherheit, Angst, Wut oder Hilflosigkeit können dies verhindern. Damit Menschen in solchen Situationen die Oberhand behalten, müssen sie wissen, wo ihre Schwächen sind, wie sie sich schützen können. Sie müssen Autonomie bewahren und sich selbstbewusst sagen: «Ich bin kein Opfer» oder noch besser an Winston Churchill denken, der einst sagte: «Wer mich ärgert, bestimme ich.»

Tabea Keller (23) und Fritz Zurflüh, die den Workshop im Tandem organisiert hatten, luden an fünf Diskussionstische. Die circa 25 TeilnehmerInnen tauschten sich aus, welche Resilienzerfahrungen sie selbst in den Bereichen Arbeit, Krankheit/Tod, Beziehungen/Familien, Krieg/Flucht machten und was die Zukunft einfordern wird. Die Gruppen rotierten drei Mal. In den immer neuen Zusammensetzungen entstanden überraschende und aufrichtige Gespräche, welche die eingangs erwähnten Inputs bestätigten: Es braucht Mut, Dinge anzusprechen. Es braucht Kraft, sich selbst treu zu bleiben, Grenzen zu setzen und auch manchmal schweigen zu können. Insbesondere beim Thema Zukunft braucht es Ur-, Gott- und Selbstvertrauen, da hier noch alles im Ungewissen ist.




Am 24. November moderierte Tabea Keller (23) mit viel Geschick und Feingefühl das Podiumsgespräch im Stadtratssaal des Rathaus Thun. Sie hatte vier Gäste eingeladen: Noëmi Porfido (26) als Studierende Soziale Arbeit mit persönlicher Erfahrung einer Angststörung, Dr. Alexander Hunziker (59), Professor für Achtsamkeit und Positive Psychologie am Departement Wirtschaft der Berner Fachhochschule, Sarah Clausen (41) Kinderphysio- und Osteo-Etiopathin und Gründungsmitglied des Kinderhospiz allani in Bern sowie Ruedi Heinzer (75), unter anderem Autor und Seelsorger in bernischen Kirchgemeinden. Alle vier PodiumsteilnehmerInnen haben sowohl theoretisches Wissen vor allem aber eine jahrelange praktische Erfahrung im Umgang mit Menschen, die schwierige Situationen meistern und dabei gesund bleiben müssen und wollen.

Alle erzählten sie aus ihrem Alltag, beschrieben heikle Situationen mit Ratsuchenden oder Projekte, die nach viel Engagement «schallend gescheitert sind» (Ruedi Heinzer). Sie schilderten aber auch Glücksmomente: Wenn sich eine Krise zum Guten wendet oder wenn Menschen, die trotz Kummer und Sorgen Freude bereiten können und daraus für sich selbst Kraft beziehen. Ruedi Heinzer hatte dabei eine Frau vor Augen, die trotz Schicksalsschlägen zur Freude aller jodelte.
«Resilienz ist auch etwas angeboren»
Ruedi Heinzer (75)
Überhaupt bewegen, sich selbst und andere. Elastisch bleiben, weitermachen und das Ziel nicht aus den Augen verlieren. Sarah Clausen brachte das Bild vom biegsamen Bambus, der – obwohl von Wind und Schnee gebeutelt – bald wieder aufrecht steht. Alexander Hunziker doppelte nach: «Aufstehen, Krone richten, weiter machen.» Auch Umfallen sei nicht nur schlecht: Das sei zumindest eine Bewegung und nicht ein starres Verharren (Resistenz), das zum Zusammenbruch führen könne, so Sarah Clausen.

Wie lernt man Resilienz? Wie lange dauert so eine Ausbildung und welche Module gibt es? Alexander Hunziker ist der Ansicht, dass Viele nach geduldigem Lernen, und zwar Schritt für Schritt, resilient oder resilienter werden können. Er nannte Techniken wie ruhig Atmen lernen, Konzentration üben, unter Anleitung Yoga, Meditation, MBSR praktizieren. Der Weg zur Resilienz ist sehr individuell, stimmten alle überein. «Resilienz ist auch etwas angeboren», meinte Ruedi Heinzer. Oder ganz einfach akzeptieren, was ist: unter Umständen halt auch, nicht so sehr resilient zu sein.

Sie leben am längsten und sind gesund bis ins hohe Alter: Klosterfrauen. Ihr Geheimnis ist wohl letztlich die Gemeinschaft. Fünfmal täglich kommen sie zum Gebet zusammen, müssen sich bewegen, haben Gelegenheit sich gegebenenfalls zu helfen. Solche regelmässigen Rituale sind zudem tröstlich. Sie sind oft geübt, vorhersehbar und daher weitgehend stressfrei.

Die ZuhörerInnen im Saal hörten sehr aufmerksam zu. Sie gingen in sich, nahmen teil dachten an eigene Erfahrungen, lachten auch zwischendurch und kamen am Schluss miteinander ins Gespräch. Sie erfuhren so unmittelbar, wie wichtig das Vertrauen ins Gegenüber ist.
Das Podium, organisiert von UND Generationentandem, dem Thuner Verein, der sich seit 10 Jahren für ein Miteinander einsetzt, könnte keine schönere Schlussfolgerung ergeben als: Gemeinschaft trägt.
Gemeinschaft trägt!
Fazit: Podiumsgäste
