Von Martina Fierz (Text) und Paul Durrer (Fotos)
Dieser Beitrag erschien in der September-Ausgabe des «Grosseltern Magazin», mit dem UND Generationentandem eine Partnerschaft pflegt.
Der Historiker und Zürcher Alt-Nationalrat für die Grünen Josef Lang (64) fasst in der Runde des Generationentalks im Berner Generationenhaus seine Meinung zum Klimawandel zusammen: «Es ist dramatisch.» Ein guter Moment, das Thema zu diskutieren: Es ist Mittwoch vor Beginn der Berner
Schulferien – in vielen Wohnungen stehen Koffer parat, das grosse Reisen steht an. Die Schweiz fliegt – mehr denn je und doppelt so häufig wie ihre Nachbarn besteigen Schweizerinnen und Schweizer Flugzeuge. Die Fliegerei ist in unserem Land für über 18 Prozent des menschen-gemachten Klimaeffekts verantwortlich. Darüber und über die anderen Faktoren, die zur Klimaerwärmung beitragen, redet die Runde im Generationentalk.

Neben Josef Lang sitzen zwei Junge auf dem Podium. Jessica Juma (16) hat gerade die obligatorische Schulzeit beendet und engagiert sich seit Kurzem bei den jungen Grünliberalen, Pascal Vuichard (29) ist deren Co-Präsident und Doktorand. Als Moderator waltet Elias Rüegsegger (24), Theologiestudent. Er ist auch Vorstandsmitglied und Redaktionsleiter des Vereins UND Generationentandem, den er mit seiner Maturaarbeit ins Leben rief. Der Verein organisiert den monatlich stattfindenden Generationentalk.
Bunt gemischtes Publikum
Das Publikum, das an diesem lauschigen Sommerabend in der Café-Bar des aGenerationenhauses an den Bistrotischen sitzt, ist erfrischend heterogen. Rund dreissig Leute sind es, knapp die Hälfte im Grosselternalter, ebenso viele, grob geschätzt, aber gerade mal um die zwanzig. Die Stimmung ist entspannt, aber erwartungsvoll. Der junge Barmann hat nicht allzu viel zu tun und gibt bereitwillig Auskunft über den Anlass. Es gebe einige Stammkunden, die fast zu jedem Generationentalk kämen, und ein guter Teil der Anwesenden gehöre dem Verein UND Generationentandem an, der den Anlass organisiert. Der Talk beginnt mit einer musikunterlegten Ansage; das hört sich an wie der Auftakt zu einer Radiosendung und lässt aufhorchen. Rüegsegger hat für jeden seiner Gäste erst mal individuelle Fragen parat, für Jessica Juma jene nach ihrer Motivation für das Thema.

Juma ist ganz neu im Politgeschäft; über die Jugendsession in Bern ist sie bei der frisch gegründeten Sektion der jungen Grünliberalen Schaffhausen gelandet. Sie möchte sich für die Umwelt engagieren und versteht nicht, warum ihre Mitschülerinnen und Mitschüler so wenig Einsatz zeigen, wenn es um die Umwelt geht. «Sie lernten nur, weil es eine Prüfung gab», fasst sie die Bereitschaft des Gros der Klasse zusammen, sich mit dem Klimawandel zu befassen. Pascal Vuichard, der Erfahrene der beiden Jungen, zeigt den Jugendlichen, die in seiner Partei nachrücken, wie sie sich engagieren können: «Darin sehe ich meine Hauptaufgabe.» Josef Lang schliesslich findet in seinem ersten Statement, der Klimawandel sei aus dem Fokus der Öffentlichkeit verschwunden, doch alle Schülerinnen und Schüler, denen er als Berufsschullehrer den Al-Gore-Film «Eine unbequeme Wahrheit» gezeigt habe, hätten betroffen reagiert und das Problem erkannt. «Das zeigt mir, die Jungen sind für das Thema sensibilisierbar.» Elias Rüegsegger moderiert zügig, aber einfühlsam. Das muss er auch, denn das hier ist keine «Arena» in klein. Wenn Grün mit Grünliberal diskutiert, so herrscht in vielen Aspekten naturgemäss Einigkeit. Das entspreche durchaus seinen Vorstellungen, erklärt Rüegsegger nach dem Talk: «Wenn die Podiumsteilnehmer gewisse Grundlagen teilen, kann das Thema eher vertieft werden. Ich finde das spannender, als wenn es immer voll konfrontativ zugeht.»
Die Schweiz unter Zugzwang
Einig sind sich die Podiumsgäste darin, dass das Thema höchst brisant ist und
alles Mögliche getan werden muss, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. «Alle müssen mithelfen», sagt Jessica Juma. Die Probleme, die ihn in seinen
politischen Anfängen beschäftigt hätten – Begrenztheit der Ressourcen, Nord-Süd-Gefälle, drohender Atomkrieg –, so Josef Lang, hätten aus seiner heutigen Sicht nicht die gleiche Tragweite, seien einfacher lösbar gewesen im Vergleich zum Klimawandel: «Die Klimaerwärmung können ein paar Politiker auf der Spitzenebene nicht aufhalten.»

Pascal Vuichard sieht die Schweiz im Zugzwang, weil «wir es so leicht haben wie kaum ein anderes Land auf der Welt, alternative Energien zu nutzen und ein grosses Potenzial an Wasser- und Windkraft vorhanden ist». Die Frage des Moderators, ob die Klimaerwärmung eher über individuelles Verhalten oder über die Politik eingedämmt werden sollte, fördert die Gesinnungsunterschiede der Gesprächsteilnehmenden zutage: Jessica Juma sieht Potenzial darin, die Leute zu klimafreundlichem Verhalten zu motivieren, «mit Themen, die sie ansprechen, zum Beispiel dem Reisen; die Menschen müssen die Auswirkungen ihres Handelns begreifen können». Oder beim Fleisch: «Wenn man bedenkt, was es alles braucht dafür, sollte es leicht fallen, weniger Fleisch zu essen.»

Josef Lang weist darauf hin, dass dieser Weg bisher kaum Resultate brachte. Deshalb muss seines Erachtens die Politik eingreifen und die Wirtschaft zur Verantwortung ziehen. Er sieht für die finanzkräftige Schweiz einen Hebel in Verboten wie jenem, «dass Schweizer Finanzinstitute nicht in Firmen investieren dürften, die mit fossilen Energien verbunden sind». Pascal Vuichard hingegen möchte nicht zu viel regulieren. «Die Wirtschaftsverbände sind konservativ, aber viele Unternehmen haben einen Schritt gemacht. Wir müssen sie begleiten und bestärken.»
Es fliegen keine Fetzen
Elias Rüegsegger schafft es, in den rund 30 Minuten, die das Gespräch dauert, einiges an Inhalt zusammenzutragen und die Unterschiede in den Meinungen seiner Gäste herauszuarbeiten – ohne dass die Fetzen fliegen. In der abschliessenden Fragerunde melden sich viele der Zuhörenden zu Wort, um nachzufragen.

Das Reisen kommt wieder zur Sprache. «Es ist einfach viel zu billig», sagt Josef Lang. Und Pascal Vuichard ergänzt: «Die direkte negative Auswirkung fehlt. Und die Kostenwahrheit muss endlich auch im Verkehr eingeführt werden.» Hier ziehen wieder alle am selben Strick. Was veranlasst einen jungen Studenten dazu, ehrenamtlich diesen Generationentalk zu organisieren und durchzuführen? Für Elias Rüegsegger ist es vor allem die Begegnung; «das Zusammentreffen zwischen Menschen in verschiedenen Lebenssituationen, aus unterschiedlichen Kulturen und Generationen». Er lerne unglaublich viele Leute kennen – so habe er schon mit dem ehemaligen Berner Stadtpräsidenten, dem mittlerweile verstorbenen Alexander Tschäppät, auf dem Podium gesessen, und ein Jahr später mit dem neuen «Stapi». Es sei für ihn und das ganze Team – zumal für die Jungen darin – auch ein ideales Setting, Erfahrungen für die spätere Berufslaufbahn zu sammeln.

Generationentalk
Einmal im Monat, jeweils am Mittwoch von 19 bis 20 Uhr, diskutieren prominente Gäste im Berner Generationenhaus über ein Thema, das alle Altersgruppen betrifft. Der Talk ist öffentlich, der Eintritt frei (Kollekte).

UND Generationentandem
So heisst der Verein, der den Generationentalk organisiert. UND bereitet Themen im Spannungsfeld von Jung und Alt auf; in seinem Magazin UND-print, auf seiner Internet-Plattform und an generationenverbindenden Events. Mitmachen können alle Interessierten. Mehr Informationen und alle Generationentalks zum Nachhören.
Berner Generationenhaus
Ein Begegnungsort für alle. Das Haus vereint einen kunterbunten Angebots-Mix mit umfangreichen Dienstleistungen in den Bereichen Beratung, Pflege, soziale Sicherheit und Zusammenleben. Es gibt ein Restaurant, eine Kita, eine Bibliothek, Wohnen im Alter und mehr.