Das Generationenforum zum Nachschauen und Nachhören
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Podcastbeitrag zum Podium von Radio Silbergrau
Ich bin in den ersten Jahren nach dem zweiten Weltkrieg gross und «essensmässig» sozialisiert worden. Es ging meinen Eltern damals gut, und wir hatten alles, was wir brauchten. Auf dem Speiseplan für eine Woche standen jeweils ein Sonntagsbraten, vielleicht Mitte der Woche einmal Bratwurst oder Kutteln, viel Kartoffeln, viel Gemüse aus dem Garten oder vom Markt, im Sommer Beeren, Zwetschgen und Birnen, im Winter Äpfel und erst ab dem 6. Dezember (Samichlaus) Mandarinen und Nüsse. Polenta gab es oft oder Haferbrei, – und natürlich viel, viel Brot.
Ein Speiseplan aus einer versunkenen Zeit wirst du sagen. War das gesund? Ausgewogen und ökologisch? Hat der Haferbrei geschmeckt? Und wie ist das heute? Ernähren wir uns zukunftsfähig und gehen wir verantwortungsvoll mit den Ressourcen der Natur um?
Solche Fragen stellte sich das Generationenforum vom 20. März, das von Lea Schütz (21) moderiert wurde.
Lea begrüsste die Gäste:
- Mirko Buri (40), Koch, Gründer von «Foodoo-Foods und Food-Waiste-Pionier
- Fabian Wahl (59), Forscher bei Agroscope und Präsident von SwissFoodResearch
- Christine Brombach (61), Oecotrophologin und Dozentin für Lebensmittel und Getränkeinnovation an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Wädenswil.
Die Frage nach einer zukunftsorientierten Ernährung war angesichts der Klimakrise das zentrale Thema des Abends. Die Emotionalität, mit der heute die Diskussion über eine gesunde und nachhaltige Ernährung geführt wird, ist sicher verständlich, wenn man den oft verantwortungslosen Umgang mit unseren Ressourcen betrachtet. Christine Brombach legte das sehr anschaulich dar: Wir essen zu viel Fleisch, nehmen zu viele Kalorien zu uns, konsumieren zu viele „Flugfrüchte und Gemüse“. Wir schaffen es, nach 148 Tagen eines Jahres auf ökologischen Pump zu leben, das heisst, wir haben in dieser Zeit alle Ressourcen verbraucht, die uns zustehen würden. Und auffallend ist es, dass in der Schweiz der Anteil der Ausgaben für die Ernährung einer Familie heute bei nur circa 9 Prozent des verfügbaren Einkommens liegt. 1959 waren es noch 30 Prozent. Wir profitieren also von den niedrigen Produzentenpreisen bei uns und von schlecht bezahlter Arbeit in ärmeren Ländern.
Was wäre also zu tun? Fabian Wahl bringt die altbekannte Ernährungspyramide ins Gespräch. Sich konsequent danach zu ernähren wäre schon um 30 Prozent nachhaltiger, als das, was wir heute zu uns nehmen. Und, was er ausdrücklich betont, ist, dass ungesundes Essen nie nachhaltig sein kann. Er sagt voraus, dass der Klimawandel die Produktion unserer Nahrung beeinflussen wird. Unser Land wird nicht grösser werden, also müsste der Boden so schonend bearbeitet werden, dass er auch für spätere Generationen noch fruchtbar sein wird.
«Ungesundes Essen kann nie nachhaltig sein.»
Fabian Wahl
Mirko Buri erzählte von seiner Zeit als Gastronom und nennt ein Beispiel seiner Philosophie: Da er mit Fleisch kein günstiges und dennoch gesundes Mittagsmenü anbieten konnte, bot er vegetarische Menüs zu einem moderaten Preis an. Fleisch gab es nur à la carte. Nach kürzester Zeit bestellten 90 Prozent der Gäste das vegetarische Menü, denn es war mindestens so schmackhaft und gesund wie die Variante mit Fleisch. Genuss ist also nicht von Fleischgerichten abhängig, sondern von der Zubereitung der Speisen.
Doch warum werden alle Fragen rund um das Essen so emotional diskutiert? Warum entstehen eigentliche Bubbles von Veganern, Vegetariern oder Carnivoren, die sich oft unversöhnlich gegenüberstehen?
Für Christine Brombach bedeutet Essen Heimat, Erinnerung und Tradition. Erziehung, Religion und Weltanschauung spielen in allen Kulturen eine grosse Rolle bei der Wahl der Lebensmittel. Uns schmeckt das, was wir kennen.
«Uns schmeckt das, was wir kennen.»
Christine Brombach
Mirko Buri glaubt, dass bei unserer Ernährung auch Statussymbole eine Rolle spielen. «Man muss ein Grillmeister sein, um bei Freunden zu reüssieren.» Viel Fleisch auf dem Grill bedeutet, dass man es sich auch leisten kann. Für Veganer klingt das nach Sünde.
Fabian Wahl, der zu neuen Nahrungsquellen forscht, bringt Mikroorganismen und Fleischalternativen als Zukunftsmusik ins Spiel. Aber heute sind diese Ersatzprodukte meistens hoch verarbeitet und deshalb noch nicht ohne Bedenken zu empfehlen. Was aber sehr wichtig sein wird: Die neuen Nahrungsmittel müssen schmackhaft sein. Für uns alle sollte das Essen mit Genuss verbunden sein.
Und wir, die Konsument:innen? Wie verhalten wir uns eigentlich? Wir sind gut informiert, wir wissen, was uns gut bekommen würde. Wir informieren uns auch über die Arbeitsbedingungen in den fernen Produktionsländern, über Kinderarbeit und über Niedrigstlöhne. Wir kaufen Bio- und Fair-Trade-Produkte.
Aber, ja, es gibt ein «Aber»: Die Zusammensetzung und die Menge unserer Nahrung sind nicht ausgewogen. Wir kaufen zu viel, essen zu viele hoch verarbeitete Produkte und produzieren dadurch Food Waste. Wir wissen eigentlich, wie die Nahrungspyramide aussieht und wie gesund und nachhaltig unser Essverhalten damit wäre. Aber sie ist noch nicht richtig bei uns angekommen.
Wir gestatten uns immer wieder Ausnahmen, weil ja alles, wirklich alles, das ganze Jahr über verfügbar ist. Da spielen für uns die globalen Aspekte plötzlich keine Rolle mehr. Wir lassen uns verführen von den makellosen Früchten und Gemüsen aus südlicheren Ländern, dem günstigen, importierten Fleisch und vernachlässigen unsere saisonalen Wurzelgemüse und Hülsenfrüchte. Darüber hinaus fehlt vielen Menschen heute die nötige Kochkompetenz, das nötige Wissen und oft auch die Zeit, die für ein ausgewogenes Menü aufgewendet werden muss.
Fasst man die Schlussworte der Referenten zusammen, so ergibt sich daraus die Aufforderung, mit einer gesunden Ernährung mit weniger Fleisch und mehr pflanzlichen Nahrungsmitteln zur Rettung unseres Planeten und damit auch der Menschheit beizutragen. Das Ziel wäre Nachhaltigkeit, Gesundheit und Genuss. Das gilt für das Individuum genauso wie für die ganze Gesellschaft. Lea Schütz hat das in einem letzten Satz so ausgedrückt: «Wir haben noch eine Chance, wir müssen sie aber nutzen!»
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