
Einschlafen nach der Mittagspause ist nicht erwünscht und eine Arena wie im TV soll die Podiumsrunde nicht werden. Mit diesen Worten begrüsst Herbert Guntelach die Anwesenden zum Podiumsgespräch am Seniorenmärit 2016 im Thuner Rathaus über «Generationen-Solidarität».
Generationen – ein Allerweltswort.
Bereits die erste Frage des Moderators – was versteht ihr unter Generationen? – zeigt auf, wie vielschichtig das Thema ist. Es sei ein Allerweltswort, alle sprechen darüber, beschwören einen Generationenkonflikt. Die Babyboomer- wie die Aktivdienst-Generation werden erwähnt. In der Regel versteht man unter Generation eine Abfolge von 25 Jahren innerhalb einer Familie. Heute spricht man nicht mehr von drei, sondern von vier Generationen. Die 75 – 90-Jährigen kommen hinzu, fügt Laurenz Rotach vom Thuner Seniorenrat an. Genau genommen müsste zudem eine weitere, nämlich die der Ungeborenen, dazu gezählt werden, wie Moderator Guntelach anmerkt.
Generationen-Solidarität klingt gut, wie wird sie gelebt?
Pflegebedürftige dieser vierten Generation brauchen unsere Solidarität, keine Frage. Häufig betreuen die Kinder ihre betagten Eltern bis zur Überforderung. Solche Situationen führen beidseitig zu Schuldgefühlen. Es entsteht ein Spannungsfeld zwischen moralischer Solidarität, Pflichtgefühl und Überforderung. Nicht alles kann von Angehörigen geleistet werden.
Für Regula Fuchser von der Pro Senectute ist es deshalb wichtig, dass innerhalb der Familie über die eigenen Erwartungen gesprochen werde. Was kann und will ich leisten, was sprengt meine Ressourcen. Es braucht den Dialog und seitens der pflegeempfangenden Person die Bereitschaft und die Offenheit, auch fremde Hilfe anzunehmen. Fachstellen wie die Pro Senectute bieten Hilfestellung, um mit den Betroffenen nach einer gangbaren Lösung zu suchen.
Was Jung und Alt verbindet
Die Generationen-Solidarität ist bei den Jungen oft nicht Thema Nummer eins, findet Elias Rüegsegger, der redaktionelle Leiter von UND Generationentandem. Er vertritt die Auffassung, dass Jugendliche und Pensionierte ähnlich unterwegs sind. Beide Gruppen stünden an einer Wegscheide im Leben und überlegten sich: Wohin will ich, was sind meine Perspektiven? Hier kann ein interessanter Austausch stattfinden, obwohl die Perspektiven diametral verschieden sind.
Eltern müssen die Ausbildung ihrer Kinder finanzieren. Das sei auch ein Aspekt der Generationensolidarität tönt es aus der Runde.
Erbe für die Grosskinder?
Auch in Sachen Erbe verschiebt sich wegen der höheren Lebenserwartung die Generationen-Abfolge, erklärt der Pensionsplaner Nicolas Grundisch. Häufig beerben Kinder, die selber schon im Pensionsalter stehen, ihre hochaltrigen Eltern. Stünde dieses Erbe nicht eher der nachfolgenden, also der Grosskindergeneration zu? Hier könne durch Grosszügigkeit Solidarität gelebt werden. Wichtig sei, darüber zu sprechen und mutig die Diskussion zu suchen.
Der Vater bleibt der Vater, die Mutter bleibt die Mutter.
Elias Rüegsegger denkt weniger ans Geld, das zu oder nicht zu vererben ist. Er denkt bei Generationen-Solidarität nicht ans Materielle. Er meint, dass ausserhalb der Familie ein bereichernder Austausch möglich sei. Zumal das traditionelle Familiengefüge bröckle. Eltern und Kinder leben oft nicht mehr im selben Dorf, manche sind patchworkig unterwegs. Aber die «Hierarchie» innerhalb der Familie bleibe bestehen: Der Vater bleibt der Vater, die Mutter bleibt die Mutter.
Laurenz Rotach weist darauf hin, dass unser Erbrecht der gesellschaftlichen Entwicklung hinterher hinkt. Gerade auf Patchwork-Situationen nimmt es keine Rücksicht. Eine Überarbeitung, welche diesen gesellschaftlichen Veränderungen Rechnung trägt, ist im Gange.
Nicolas Grundisch findet, dass die Lebensphase zwischen 60 bis 75 Jahren eine wunderbare sei, die genutzt werden dürfe. Den Babyboomern gehe es gut, braucht euer Geld, meint er. Jeder müsse mit seiner Wertehaltung selber über die Bücher und entscheiden, wo und wie er Solidarität leben wolle.
Geschichte(n) als Erbe
Materialismus und Individualismus sind das Eine, doch den Austausch zwischen den Generationen ausserhalb der Themen Geld und Pflege findet Elias Rüegsegger ebenso wichtig. «Ich erbe die Geschichten, die mir mein Grossvater zum Beispiel über den 2. Weltkrieg erzählt hat sowie auch jene von meinen Eltern. Ich wünsche mir, dass mehr Begegnungsorte für alle Generationen geschaffen, ermöglicht werden, und dass wir uns mehr füreinander interessieren. Dabei sollten wir nicht zu sehr um gegenseitig zugeschobene Mängel oder Vorurteile kreisen. Hierarchie ist hinderlich für die Kommunikation.»
PKZ?
Nicht vergessen dürfen wir die Alleinstehenden, finden die PodiumsteilnehmerInnen. Die Ausgangslage, sich ehrenamtlich zu engagieren, war noch nie so günstig wie heute. Allein – der erste Schritt zu einem solchen Angebot muss jede/r selber wagen. Als hinderlich für ein Engagement wird oft der Zeitfaktor genannt, oder:PKZ – pensioniert, keine Zeit.
Mehr zum Seniorenmärit
Der Seniorenmarkt am 15.10. in Thun – UND Generationentandem war dabei. Generationen-Solidarität war das Thema – wir haben dazu ein Video gemacht.