Die Stuhlreihen für den Generationentalk zum Thema Zweisprachigkeit hätten noch vielen weiteren Zuschauern Platz geboten. Schade, waren nicht mehr dabei! Denn mit Virginie Borel (51) und Hans Stöckli (69) setzten sich zwei ExpertInnen mit Verve dafür ein, dass im zweisprachigen Kanton Bern und in der gesamten Schweiz die Mehrsprachigkeit nicht nur auf dem Papier besteht, sondern effektiv gelebt wird.

Die Sprache ist nicht nur ein Hilfsmittel zum Verstehen, was das Gegenüber gerade sagt. Sprache ist gleichzeitig Kultur und transportiert Einstellungen, Empfindungen, Geschichte.
«Sprache muss man spüren»
So ereifert sich Hans Stöckli. Als ehemaliger Stadtpräsident von Biel, Ständerat SP und Mitglied der Expertenkommission für Zweisprachigkeit setzt er sich seit Jahren für gelebte Zweisprachigkeit ein. Im offiziell zweisprachigen Kanton Bern sei dies vor allem in der Stadt Biel/Bienne sichtbar, doch bereits in Bern, in der Hauptstadt mit Brückenfunktion zwischen den Landessprachen, suche man vergeblich nach alltäglicher Sichtbarkeit des Französischen, geschweige denn in Thun. Da bleibe noch viel zu tun.


Auch Virginie Borel, die seit fast 15 Jahren die Stiftung «Forum für die Zweisprachigkeit» in Biel/Bienne führt, hat in Interlaken feststellen müssen, dass nicht einmal ein einfaches «Bonjour» ausgesprochen werde, dabei sei doch Französisch einfach nur «cool» und Sprachkenntnisse würden laufend unterschätzt, sowohl für das Verständnis untereinander wie in Wirtschaft und Tourismus.
Unnötiges Unbehagen mit Franz und Deutsch
Klar, ist ein zweisprachiges Leben teuer. Nicht nur müssen Strassen- und Wanderwegschilder doppelsprachig geprägt werden. Es braucht auch Inserate und Angebote des Service Public in beiden Sprachen, die der Grösse der Stadt entsprechen, doch bloss von einem Teil der Bevölkerung genutzt werden. Hans Stöckli nennt dafür als Beispiel die Stadtbibliothek Biel/Bienne, die gleichwertige Bestände in Französisch und Deutsch anbietet.

Wenn francophone und deutschsprachige Schüler miteinander Ping-Pong oder Fussball spielen, sei dies ein Anfang, auch wenn die Mannschaften (wie in Hans Stöcklis Schulzeit) nach Sprachen getrennt spielen: der unbeschwerte Austausch sei doch vorhanden. Gleiches geschehe, wenn zwei Leute miteinander in der jeweiligen Muttersprache – Herzenssprache, wie es Virginie Borel nennt – sprechen und sich gleichwohl verstehen. Man müsse überhaupt nicht fehlerfrei sprechen, bloss einfach sprechen, dann werde die andere Sprache zur Partnersprache.
Französisch ist eine komplizierte Sprache, da sind sich die beiden Gäste einig. Zudem komme man mit Französisch in der Welt und in der Wissenschaft nicht so weit wie mit Englisch. Doch auch für die Welschen sei Deutsch eine grosse Hürde und mit dem in der Schule gelernten Hochdeutsch könnten sie im mundartgeprägten Deutschschweizer Alltag nicht vollends ankommen.

Erfolgsfaktor Mehrsprachigkeit
Wer mehr als eine Sprache (nicht nur Landessprache) beherrscht, hat mehr Chancen auf beruflichen Erfolg. Dies hat Hans Stöckli in seiner Berufsarbeit als Anwalt selbst erlebt. Auch Spitäler, Verwaltungen und weitere Dienstleister tun gut daran, ein zwei- oder gar mehrsprachiges Angebot zu fahren und damit das Vertrauen von Minderheiten zu gewinnen. Virginie Borel erwähnt die laufenden Anstrengungen mit Sprachkursen, Sprachtandems und zum Beispiel auch den Tag der Zweisprachigkeit, an dem Parlamentarier zwar in Landessprache, doch nicht in der Muttersprache argumentieren.
«Bern wird immer zweisprachig sein.»
Hans Stöckli
Sich auf eine andere Sprache einzulassen, bedeute sich näherkommen, sich mit der jeweils anderen Kultur auseinanderzusetzen. Hans Stöckli setzt mit Überzeugung den Schlusspunkt, des durch Luc Marolf (17) glänzend moderierten Generationentalks: «Bern wird immer zweisprachig sein.»