Wir schnuppern die Luft von Saint-Maurice. Es ist kühl. Wie beginnen wir den Tag? Mit einem Spaziergang oder einem Kaffee? Die Gruppe von UND ist gespalten. Die Einen wollen sich körperlich betätigen und zur kleinen Kapelle auf dem Felsen spazieren. Die Anderen wollen sich bei einem Kaffee im Restaurant «Le Philosophe» aufwärmen. Teilt sich nun die Gruppe? Ohne Nachgeben geht es nicht. Und so gehen wir alle ins Kaffee.

In der Messe um 11 Uhr sind wir nicht die einzigen Auswärtigen: Wie wir hören, sind zum Beispiel drei Pilgergruppen angereist, eine sogar aus Sion – zu Fuss. Eine Frau ist für die liturgischen Gesänge verantwortlich. Die Mönche singen unter ihrer Leitung. Das ist mutig. Sie bemühen sich, in der heutigen, von Gleichberechtigung geprägten Gesellschaft anzukommen. Und sie wissen, ohne Nachwuchs kann auch das Kloster nicht überleben, also braucht es einen Bezug zu den Jungen. Es ist ein Spagat zwischen alt und neu, zwischen jung und alt – eigentlich wie bei UND. Nach dem Gottesdienst treffen wir Jean-Paul, unseren «Klosterführer». So erfahren wir von den Legenden des heiligen Mauritius auf den bunten Glasfenstern, sehen die früheren Grundmauern des Klosters, die Märtyrergräber und können schliesslich den Klosterschatz bestaunen.
Szenenwechsel. Wir sehen eine südländisch anmutende Hochzeitsgesellschaft, die sich vor der Kirche trifft. Ein Supersportwagen steht für die Braut bereit. Die Männer sind elegant gekleidet. Man raucht eine Zigarette, dann das Gruppenfoto mit Brautpaar. Eine wirklich grosse Sache wird da inszeniert. Und obwohl der Maserati eine Garagennummer trägt, also nicht der Brautfamilie gehört, macht er sich als Statussymbol vor der Kirche natürlich gut.
1500 Jahre Saint-Maurice
Ums Jahr 300 nach Christus, zu Zeiten als Christen noch verfolgt wurden, gab es nördlich der Alpen christliche Volksgruppen in der Region von Saint-Maurice. Obwohl die Kaiser noch Heiden waren, gab es bereits Legionen christlicher Soldaten, wie die thebäische Legion, die im Falle von Saint-Maurice Geschichte schrieb. Diese Legion unter dem Kommando von Mauritius soll sich dem Befehl, die christlichen Ortansässigen zu massakrieren, widersetzt haben. Das führte dazu, dass der römische Kaiser anordnete, zur Strafe diese Legionäre zu töten. Die Hinrichtungen fanden im Raum Saint-Maurice statt. Die lokale Bevölkerung hat die Erinnerung an diese Märtyrer erhalten. 515 wurde in Saint-Maurice ein Kloster gegründet. Seit 1500 Jahren beten dort Mönche. Heute können Mauerreste aus 1700-jähriger Geschichte entdeckt werden.
Im Klosterschatz werden schriftliche Dokumente und prunkvolle Kunstgegenstände aufbewahrt, die verschiedenen Epochen zugeordnet werden können.