Havanna, Cienfuegos und Trinidad sind als Perlen der Antillen, des Südens, der Kolonialzeit bekannt. Ihre ältesten Stadtteile gehören zum UNESCO Weltkulturerbe. Mehrheitlich mit UNESCO-Geldern wurden einige Bauten der Altstädte restauriert und zeugen nun von der vergangenen Pracht der Kolonialzeit. Wenige Schritte von den sanierten Zentren entfernt, verrottet die Bausubstanz unter dem Einfluss des feucht-warmen Klimas. Die von Schimmel befallenen Häuser werden bewohnt, weil es zurzeit keine Alternative gibt.
Beim Schlendern durch die «Perlen» verspürte ich den Charme der Städte, ohne jedoch die Lebensrealität der einfachen Menschen aus den Augen zu verlieren: Armut, leere Geschäfte, selbstgebastelten Pferde- und Velokutschen als Fortbewegungsmittel.

Tourismus «all inclusive»
Seit dem Zerfall der Sowjetunion und dem damit verbundenen Ende ihrer Wirtschaftsunterstützung für Kuba ist der Tourismus die einzige Einnahmequelle des Landes. In Joint Ventures des kubanischen Staates mit ausländischen Investoren entstanden zahlreiche luxuriöse Resorts, wo wohlhabende TouristInnen mit All-inclusive-Angeboten beherbergt werden. Cayo Santa Maria ist eines von ihnen. Die meisten UrlauberInnen stammen aus Kanada. Nur drei Flugstunden von Montreal entfernt, lockt der kubanische Gastgeber die BesucherInnen mit besonderen Konditionen. Der Kanadische Dollar wird zu einem – gegenüber dem Euro oder dem Schweizer Franken – um einen Viertel höheren Kurs in die für Touristen obligatorische Währung Peso Convertible (CUC) umgetauscht. Darin liegt die erstaunliche «wirtschaftliche Logik»: In Europa ist der Kanadische Dollar um einen Drittel weniger wert als der Euro oder der Schweizer Franken. Die Kanadier wissen es zu schätzen: Sie kommen als Stammgäste immer wieder und geizen nicht mit Trinkgeldern für die Resort-Angestellten. So ist es ersichtlich, dass die lukrativsten Stellen in der Tourismusbranche liegen. Der Durchschnittslohn von etwa 20 Schweizer Franken pro Monat kann um ein Mehrfaches aufgebessert werden. Dies bestätigte der Taxifahrer, der uns nach Havanna chauffierte. Zuvor hatte er als Hochschullehrer an der Uni von Santa Clara gearbeitet. Mit einem 16 Jahre alten Peugeot, der bei unserer Reise über 600 000 Kilometer auf dem Tacho hatte, chauffiert er sieben Tage in der Woche Touristen quer durch Kuba. Monatlich muss er dem Staat 700 CUC abliefern, aber er verdient so gut, dass er Besitzer eines Häuschens ist.
Individual-Tourismus
Laurence, eine junge Touristin, bevorzugte es, ihre Unterkünfte (Casas) selber auszuwählen. Auf dem Lande erfolgte die Kommunikation mit den Vermietern eher durch Gestik als durch Sprache, doch stets wurde Laurence liebevoll umsorgt und bekocht. Von einer Familie und ihrer Casa in Matanzas war sie so angetan, dass sie diese auf dem Rückweg vom Süden nochmals besuchte.

Die junge Touristin ist in Kuba geritten, Velo und Boot gefahren, hat selber Zigarren gerollt, einem Krokodil in die Augen geschaut. Sie schwärmt vom besten Kaffee der Welt, den gemütlichen Schaukelstühlen, den gefederten Oldtimern und dem allgegenwärtigen Salsa. Als alleinreisende Frauen fühlten sie und ihre Reisebegleiterin sich niemals bedroht. Die einheimischen GesprächspartnerInnen befragten Laurence interessiert über das Leben in Europa. Sie konnten sich nicht vorstellen, wie Schnee aussieht. Die junge Schweizerin staunte ihrerseits darüber, dass die KubanerInnen noch nie ins Ausland fahren durften.
Kubanischer Traum
Die Kultfigur der Kubanischen Revolution, Che Guevara, ist immer noch omnipräsent. Fotos von ihm sind überall anzutreffen; sogar ein Andy-Warholartiges Bild entdeckte ich in einer Galerie.

Ende der 1960-er und der darauf folgenden 1970-er Jahre glorifizierte eine ganze Generation Jugendlicher in der ganzen Welt seine Vision von Gerechtigkeit und sein Ziel – die Schaffung eines «neuen Menschen», der sich vom materiellen Antrieb freimacht und diesen durch selbstlose moralische Motive ersetzt. Dass der unbestechliche Freiheitskämpfer gleichzeitig Hinrichtungen von unterlegenen Gegnern anordnete und den Einsatz von russischen Raketen mit nuklearen Sprengköpfen gegen Amerika verlangte, wurde ausgeblendet.

Es kursiert ein böser Witz in Kuba: Ein Junge, gefragt, wer er als Erwachsener sein möchte, gibt zur Antwort: «Ich möchte sein wie Che Guevara – das ist die offizielle Version», fügt er dann hinzu. «Inoffiziell möchte ich Tourist sein.» In den Augen der Kubaner besitzen Touristen all das, was sie selber nicht haben. Vor allem junge Menschen sehnen sich nach Konsum. Doch weder Laurence noch ich haben den Eindruck bekommen, dass alle KubanerInnen in die Welt hinaus fliehen würden. Sie sind stolz auf das Erreichte. Auf die kostenlose Gesundheitsversorgung, die kostenlose Ausbildung, die Abschaffung des Analphabetismus. Sie haben ihren sozialen Zusammenhalt und ihre Musik. Hoffentlich verlieren die KubanerInnen ihre Werte nicht, wenn sich die gesellschaftliche Ungleichheitsschere weiter öffnet.
Event «Kubanische Träume
Zurzeit reisen viele westliche TouristInnen nach Kuba. Mit ihnen auch Barbara Tschopp und Laurence Schmid. An einem Vortragsabend erzählen Sie in Thun über ihre Reisen und über Kuba ganz allgemein.