Was träumten wohl die Menschen vor 200 Jahren? Die Stadt Thun mit ihren Menschen wurde 1814 von Marquard Wocher in einem Rundbild festgehalten. Generationentandems haben am 4. «Café drunter & drüber» Geschichten über Träume, Visionen und Hoffnungen der dargestellten Menschen entwickelt.
Eine Reise in die Vergangenheit zurück in die Zukunft. Das war der Fahrplan des 4. Café drunter & drüber im Thun-Panorama. Die Zukunftsvorstellungen der Menschen aus der Vergangenheit zu erahnen scheint ein interessantes Fachgebiet. Schon bald sind generationengemischte Teams daran, den Figuren in den Gassen Thuns von 1814 Leben einzuhauchen.
Hier die Geschichten mit den besten Bildern des Nachmittags.
Des Fischers Traum

Der Fischer liefert am frühen Morgen frischen Fisch in die Küche. Sein Traum ist aber eigentlich, ein eigenes Fischrestaurant zu eröffnen. Nur braucht er dazu eine Menge Geld.
Eines Abends ist er mit seiner Fischlieferung in der Küche der Hotels Freienhof. Dort schnappt er auf, wie der Hotelier seinem besten Freund ein Geheimnis preisgibt. Der Fischer will den Hotelier nun erpressen, damit er zu Geld kommt. Nur leider ist am selben Abend auch ein Berater des Hoteliers anwesend, der das Gespräch ebenfalls hört und weiss, dass der Fischer anwesend ist. Dies verrät er dem Hotelier noch in derselben Nacht.

Zu gleicher Zeit stirbt plötzlich der Koch des Freienhofs. Dies kommt dem Hotelier sehr gelegen: Er beschuldigt den Fischer, giftigen Fisch geliefert zu haben, der den Koch getötet hat. Die Polizei sperrt den Fischer ins Schlossgefängnis. Der Fischer verbringt dort eine lange und sehr einsame Zeit. Er wartet auf Erlösung. Im Freienhof vermisst ihn die junge Hotelgehilfin. Sie glaubt an seine Unschuld und setzt alles daran, dass der Mann bald wieder frei kommt.
So kann der Fischer nun seinen Traum weiterverfolgen. Wahrscheinlich dauert es aber noch ein wenig, bis er endlich fertig sein wird…
Klein Hannes und die Käsekörbe

Der kleine Hannes steht auf dem Balkon und blickt hinunter zu den arbeitenden Männern. Sie sind Korber. Seine Mutter schaut ihn wütend an, was er nicht versteht. Sein kleiner Bruder hat ihn nämlich bei der Mutter verpetzt, weil Hannes heimlich von seinem Lieblingskäse genascht und den Käse liegen gelassen hat. Da kommen die Mäuse, und das hasst seine Mutter.

Lieber als von der Mutter gerügt zu werden will Hannes seinem Vater zuschauen, der bei der Gruppe als Korber arbeitet. Hannes stellt sich vor, dass er mal gross ist und auch eine Familie hat. Er will niemals eine Frau haben, die so schnell wütend wird wie seine Mutter. Als Vater will er seinen Sohn beim Korbflechten mitmachen lassen und seine Frau beruhigen, wenn sie wütend ist. Hannes weiss nicht mehr so recht, was er von diesen Körben halten soll.
Als er noch kleiner war, konnte er in die Körbe liegen und darin spielen. Jetzt hat er keinen Platz mehr darin. Deshalb ist es ihm ein Rätsel, dass sein Vater diese unnützen Gegenstände trotzdem noch herstellt. Hannes will auch mal Korber werden. Er will die Körbe anders machen, einerseits ganz klein, andererseits viel grösser.
Die kleinen Körbe sind handlich und in die grossen können alle Leute hineinsitzen. Drinnen kann man leben: Es hat einen Vorrat an gutem Käse und Brot, man kann sogar Feuer machen. Der Korb ist wie ein Schiff; mit ihm kann jeder auf dem Wasser schwimmen. Falls es mal regnet, hat der Korb ein Dach wie ein Haus. In den grossen Körben sind nochmals kleine Körbe. In denen kann man Käse verstecken. Und auch Mäuse sind auf dem Schiff. Hannes mag nämlich Mäuse. In so einem grossen Korb kann man zum Beispiel nach Bern fahren, die Aare hinab.
Bern ist die weite Welt. Hannes ist noch nie in Bern gewesen und möchte dort hinreisen. Hannes weiss, dass der Weg nach Bern weit ist. Deshalb findet er die Lösung mit dem Korb und viel Proviant – auf der Aaare schwimmend – ganz toll.
Tagträume eines verliebten Paares

Er: Eva, lassen Sie mich ihre Hand küssen!
Sie: Hat das von Napoleon abgefärbt?
Er: Gewiss, jedoch die inneren Träume sind die stärksten.
Sie: Woran denken Sie, Verehrtester?
Er: Schiffers Elisabetha. Sie fährt mit ihrem Schiff auf dem Brienzersee. Tagein, tagaus. Zum Giessbach hin und wieder zurück. Sie hat mich mitgenommen und es war sehr vergnüglich. Liebe Eva, was denken Sie darüber, ein solches Projekt am Thunersee zu realisieren? Das könnten Sie auch.
Sie: Ja, die französischen Einflüsse bringen ja auch Reisende. Ich träume davon, die elegante Mode von Frankreich kennenzulernen.

Er: Mode? Mode ist ja gut und recht, aber Schifffahren noch viel besser. Stellen Sie sich vor, Verehrteste: Wir könnten doch zusammen nach Paris reisen und schauen, wie die Schiffe auf der Seine fahren.
Sie: Oh ja, und die eleganten Frauen in Paris. Die möchte ich schon lange beobachten.
Er: Paris! Paris ist die Stadt der Liebe. Und gleichzeitig holen wir uns die Pläne für die neusten Techniken in der Schifffahrt.
Sie: Na hoppla, lieber Herr. Nur nicht so stürmisch!
Er: Fräulein, Sie zieren sich. Nur keine Scheu! Wäre das nicht eine wunderbare Möglichkeit, Träume zu realisieren?
Sie: Naja, trauen Sie mir denn zu, so etwas überhaupt zu machen? Ich als Tochter des Stadtapothekers. Ich finde das etwas ungewöhnlich.
Er: Ja, ungewöhnlich schon. Doch Sie, verehrtes Fräulein, Sie sind auch das ungewöhnlichste Mädchen, das mir je begegnet ist.
Sie: Hmmm… Und was zieh ich dabei an?
Er: Dazu lassen wir uns in Paris inspirieren.
Sie: Naja, probieren können wir es ja. Sie müssten mich einfach dabei beschirmen.
Er: Ah, wenn’s nur das ist! Holen wir uns die Pläne. Sie werden die berühmte Schifffahrerin vom Thunersee und ich Ihr Galant.
Sie: Gut, versuchen wir es. Zusammen überschreiten wir Grenzen.
Er: Ja. Träume versetzen Berge.
Emily und ihre Mutter

Emily träumt von einem unabhängigen Leben, weg von ihren frömmlerisch-konservativen Eltern, ohne lange Röcke und Hauben. Wie ihr kleiner Bruder möchte sie sein können, der Hosen tragen darf, mit den anderen Jungen Fussball spielt und sich prügelt.
Sie hat Wut im Bauch und nirgends darf sie sie rauslassen. Immer muss sie lieb, nett und herzig sein und sauber aussehen, wenn sie in «guter Gesellschaft» ist – das kommt viel zu oft vor – und immer muss sie stillsitzen.
Emily weiss genau, dass sie unter die Haube kommen soll, sobald sie alt genug ist.

Die einzige Aufmüpfigkeit, die sie sich leisten darf, ist das rote Täschchen. Es war ein Geschenk ihrer Amme, einer Tochter aus verarmten Adel, die sich als Amme verdingen musste. Sie hat Emily sehr viel auf den Weg gegeben und ihren starken Charakter gefördert. Zum Beispiel gab sie ihr ein Buch, das Emily heimlich las: Es ging um eine Frau, die in Männerkleidern Nordafrika bereiste. Genau das wünschte Emily sich auch.
Emilys Mutter Marie verbirgt ein grosses Geheimnis: Emily ist ein Kuckuckskind, das Kind von Heiner, einem Knecht des Freienhofs. Er steht gerade auf dem Miststock.
Marie, Tochter des ehemaligen Pastors von Thun und Frau des Schulleiters der Lateinschule, ist sehr fromm, und sie muss ihre Sünde des Ehebruchs wieder gut machen. Deshalb wird Emily «gedrillt» darauf, ein gutes und braves Mädchen zu sein. Will die Mutter ihre eigene Vorstellung des frommen Mädchens in ihre Tochter projizieren?
Sie träumt davon, Emily mit einem Pfarrersohn oder Pfarrer zu verheiraten, damit die in Sünde entstandene Tochter sicher in den Himmel kommt. Da Emily sich aber als so widerspenstig erweist, wird sie doch sicher kein Pfarrersohn heiraten! Als einzige Alternative sieht die verzweifelte Mutter nur noch das Kloster.
Der Helikopter und die Fliege

Eine englische Touristenfamilie in der Schweiz will die schönen Berge sehen. Bei ihrem Anblick träumt die Mutter davon, im Schlosspark in England auch solche Berge zu besitzen. Irgendwie werden es die Ingenieure schon schaffen, Berge nach England zu versetzen.

Die Frau träumt auch vom Fliegen mit Zeppelin oder Ballon. So eine Reise wäre weniger mühsam als diejenige mit Schiff, Pferd und Wagen, welche die englische Familie auf sich nehmen musste. Eine lange und mühsame Reise war das! Als eine Mücke an der Dame vorbeifliegt, huscht ihr durch den Kopf: Es wäre doch toll, so fliegen zu können. Vielleicht ist der Helikopter so entstanden, nach Vorbild der Mücke. Die reiche Frau blickt mitleidig den armen Menschen nach, die hart für ihr Brot arbeiten und mühsam schwere Lasten hochheben. Sie träumt davon, etwas zu erfinden, was das Leben in der Schweiz etwas einfacher macht.
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Café drunter & drüber: Generationen im Thun-Panorama
Dieses Projekt ist Teil von Generationen im Museum (GiM). Begegnungen von Menschen unterschiedlicher Generationen in Museen der Deutschschweiz sollen damit gefördert werden. Im Thun-Panorama entsteht ein Café drunter & drüber: Personen verschiedener Generationen sind eingeladen, miteinander Geschichten zu (er)finden, welche im 200-jährigen Rundbild von Thun spielen. Das Café will die Zusammenarbeit von Interessierten fördern, die sich mit Menschen, die 15 Jahre jünger (drunter) oder älter (drüber) kreativ auseinandersetzen wollen. Für das Café drunter & drüber ist das Kunstmuseum Thun verantwortlich. UND Generationentandem begleitet das Projekt neben Radio 60 Plus als Partner.
Das vorläufig letzte Café drunter & drüber findet am Sonntag, 18.10. um 15 Uhr statt.
Am Sonntag, 29. November steigt ab 15 Uhr das Abschlussfest. Dabei wird die Sonderausgabe von UND vorgestellt.
