Samstagabend um 19:00 Uhr im Garten des Thuner Kulturorts «Mokka»: Ausser dem Team sind noch keine Menschen anwesend. Wir waren besorgt, ob wir unsere Befragung überhaupt durchführen können, denn an der Allmendstrasse gibt es auch so gut wie keine Passanten, die man ansprechen kann. Aber da sind doch beim Nachbarhaus ein paar Personen und ein Hund im Garten. Ein Glücksfall! Eine Familie mit zwei Töchtern und einem ägyptischen Asylbewerber, der im Haus mit der Familie lebt. Lahja Wittwer (14) und Henry Thomet (53) sprechen über den Siebdruck von Werner Witschi.
Lahja: Das Bild stellt Beziehung dar: Die Beziehung der Tupfen.
Henri: Zu dir oder die Tupfen untereinander?
Lahja: Beides, aber vor allem untereinander, mit den Abständen, den Überschneidungen und mit den Farben, dem Muster. Man könnte es so interpretieren: Die roten Punkte wären eine Person, die blauen eine andere; zuerst sind sie getrennt und nachher sind es immer mehr und sie sind übereinander, also sie sind nicht mehr rot und blau, sondern violett. Es könnte sein, dass man sich immer mehr mischt, je mehr man mit einer Person unterwegs ist.
Henri: Schöne Überlegung, das Muster verdichtet sich ja. Man könnte es vielleicht als Anfang einer Begegnung bezeichnen, wenn man diese zwei Farben auf Personen überträgt. Unten fängt die Geschichte dieser zwei Personen an, die dann nach oben enger wird. Ich sehe aber auch ein ganzes Beziehungsgeflecht, also dass jeder Punkt eine Person, einen Menschen darstellt…
Lahja: Genau, so wie Verknüpfungen, wie ein Freundeskreis. Die eine Person kennt auch noch die andere, mit der sie eng zusammen ist, und eine andere, mit der sie etwas weniger eng ist. Ich wohne ja hier in der Nachbarschaft. Welche Beziehung hast du zu diesem Ort?
Henri: Ich wohne im Mokka (lacht). Nein, aber ich verbringe hier viel Zeit beim Arbeiten. Unsere Nachbarn sehen wir jedoch eher selten. Wahrscheinlich bin ich zu anderen Zeiten hier als du.
Lahja: Ich würde sagen, das Bild passt zu diesem Ort.
Henri: Es ist auf jeden Fall recht farbig. Wenn ich es lange anschaue, fängt es sich sogar ein wenig an zu drehen, was ungefähr meinem Zustand entspricht, wenn ich morgens um vier oder fünf Uhr diesen Ort verlasse. Es ist dann sogar eine ziemlich gute Abbildung von diesem Zustand.
Lahja: Ich gehe nächstes Jahr in einen speziellen Gymer, Hofwil, Talentförderung, der fünf Jahre dauert anstatt vier und wo ich zwei Tage pro Woche nur Kunstunterricht habe. Ich bin also gut mit Kunst unterwegs. Im Alltag und auch in der Schule.
Henri: Für mich ist Kunst ein Lebenselixier.
Lahja: Und eigentlich ist ja fast alles Beziehung, zu Menschen, zu Sachen, zur Kunst. Wir leben immer in Beziehungen, in irgendeiner Form. Auch wenn man mit einer Person keinen Bund, keine tiefe Beziehung hat, ist es trotzdem eine Beziehung.
Henri: Eine Verbundenheit. Es ist wahrscheinlich der Sinn des menschlichen Daseins, dass man in Bezug steht zu dem, was uns umgibt.
Eine gute Beziehung muss wach sein, man muss sich darum kümmern.
Lahja: Dass man Zeit dafür investiert, also wenn ich zum Beispiel Musik gern habe, dann nehme ich mir Zeit Musik zu hören, Neues zu entdecken. Das ist wie mit einer Person, man muss eine Beziehung pflegen.
Henri: Es ist wie ein Feuer; man muss ein Feuer unterhalten, aber es gibt auch das Feuer, das fast nur Glut ist, wo man nicht immer nachlegen muss…
Lahja: …wo es nicht viel braucht, damit es wieder aufflammt. ☐
Sofa sucht Storys – worum geht’s?
Auf dem Sofa haben sich im April zahlreiche Generationen-Bewegungen an unterschiedlichen Orten in Thun abgespielt. Die Kunstwerke, das Sofa und die Videodokumentation der Gespräche anhand eines ausgewählten Kunstwerkes sind in der Ausstellung im Kunstmuseum Thun (18.8.-18.11.2018) zu sehen.