Manuela: Du, sag mal, Werner, was inspiriert dich in deinem Leben?
Werner: Oh, das ist eine knifflige Frage. Da gibt es vieles. Natürlich vieles von aussen: Menschen, Bücher, Ereignisse … aber ganz oft lasse ich mich auch inspirieren von Einfällen, die von innen kommen.
«Oft lasse ich mich inspirieren von Einfällen, die von innen kommen.»
Werner Kaiser
Manuela: Ja, ich habe mir für unseren ersten Austausch extra eine besonders knifflige Frage überlegt. Das klingt interessant, dass du dich auch von innen inspirieren lässt! Wie kann ich mir das vorstellen? Wie zeigen sich deine Einfälle von innen?
Werner: Nehmen wir an, ich habe etwas zu entscheiden. Da kann ich das logische Denken einschalten, das Für und Wider abwägen. Immer öfter aber versuche ich, das Denken wegzulassen und zu schauen, was mir einfällt. Oft staune ich über das, was kommt.
Manuela: Das klingt so einfach, aber ich stelle mir trotzdem ganz schön schwierig vor, das Denken wegzulassen. Wie machst du das? Und erinnerst du dich vielleicht sogar noch daran, worüber du zuletzt gestaunt hast?
Werner: Das Denken weglassen ist vielleicht übertrieben. Es zurückhalten, die Aufmerksamkeit auf das richten, was kommt, wäre besser gesagt. Du kennst das ja sicher von der Meditation, die du praktizierst und sogar anleitest. Ein Beispiel kommt mir gerade nicht in den Sinn. Ich erfahre einfach, dass etwas in mir wirkt, das klüger ist als mein Denken und Planen. Kennst du so etwas nicht auch?
Manuela: Das Denken zurückhalten finde ich ein sehr schönes und eingängiges Bild. Ja, das kenne ich auch vom Meditieren und staune auch oft über die Gedanken, Gefühle und Wahrnehmungen, die dann «plötzlich» Platz finden, weil – wie du so schön gesagt hat – das Denken zurückgehalten wird. Ich finde die Erfahrung, dass es etwas in uns gibt, das klüger ist als unser Denken und Planen, ganz oft als sehr erleichternd, das bringt oft auf eine unerwartete Art Leichtigkeit in mein Leben. – Ich erinnere mich gerade daran, dass du mir bei unserem ersten Treffen erzählt hast, wie gerne du Geige spielst. Ist das Musizieren vielleicht eine Art, wie sich dieses «klügere Etwas» in uns ausdrücken kann?
Werner: Genau, beim Improvisieren kommt die Melodie, ohne dass ich sie ‚mache‘. Ist das nicht in jeder Kunst so? Das Kreative schenkt sich. Aber was inspiriert dich denn, Manuela? Du hättest die Frage nicht gestellt, wenn es dich nicht betreffen würde.
«Beim Improvisieren kommt die Melodie, ohne dass ich sie ‚mache’».
Werner Kaiser
Manuela: Tatsächlich beschäftigt mich das Thema Inspiration im Moment sehr, weil ich eine Weile versucht hatte, sie zu suchen und zu finden. Ich mache im Moment aber die Erfahrung, dass sie sich immer dann zeigt, wenn ich sie am wenigsten erwarte – wenn ich offen bin, sozusagen. Mich inspiriert oft mein Kater, weil er einfach ungezwungen seinen Bedürfnissen folgt und – wie mir scheint – sein Leben geniesst, ohne etwas Konkretes damit bezwecken zu wollen.
Werner: Es zeigt sich, wenn du es am wenigsten erwartest, sagst du. Das würde ich unterstreichen. Die Inspiration lässt sich nicht erzwingen – übrigens danke für den Hinweis auf die Katze. Ich werde einmal unsern Hund befragen.
Manuela: Oh ja, mach das. Ich bin gespannt darauf, was wir dann das nächste Mal von ihm lernen können.
In der neuen Rubrik «Du sag mal…» stellen sich eine junge und eine ältere Person gegenseitig Fragen, die sie gerade beschäftigen, und tauchen ein in die Gedankenwelt des Gegenübers.
Interessante Gedanken und tolle Fotos. Ich bin schon neugierig auf Euer nächstes Gespräch. 🙂