Werner: Du sag mal, Manuela, würdest du dich als spontan bezeichnen?
Manuela: Ja, ich würde mich als spontan bezeichnen – auch wenn ich nicht immer und überall so bin.
Werner: Gibt es also Situationen, in denen du dich zurückhältst?
Manuela: Was meinst du damit genau?
Werner: Ich finde, es gibt Situationen, in denen Kontrolle sinnvoll ist. Wenn ich in einem Gespräch ein bestimmtes Ziel erreichen will, bereite ich mich darauf vor. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass eine gute Vorbereitung oft zum Ziel führt.
«Ich habe die Erfahrung gemacht, dass eine gute Vorbereitung oft zum Ziel führt.»
Werner Kaiser
Manuela: Ach so. Ja, es gibt viele Situationen, in denen ich mich kontrolliere, insbesondere in Bezug auf meine Reaktionen, wenn etwas in mir Emotionen auslöst, die mich ärgern könnten. Dann versuche ich, eine Pause einzulegen zwischen dem Auslöser und meiner Reaktion, um meinen Ärger nicht einfach an anderen auszulassen.
Werner: So könnte man sagen, du bist grundsätzlich spontan, aber wenn nötig, kontrollierst du deine spontanen Reaktionen?
Manuela: Es braucht beides – wie so oft. Ja, von Natur aus bin ich eher spontan, das war aber auch etwas, was ich erst für mich wiederentdecken musste. Wie würdest du dich denn selbst einschätzen?
Werner: Ich bin von Natur aus ziemlich kontrolliert und musste erst lernen, spontan zu sein. Vor Begegnungen nehme ich mir oft vor, ganz offen auf jemanden zuzugehen, möglichst ohne Vorurteile, und dem Gespräch freien Lauf zu lassen. Das ermöglicht echte Begegnungen.
«Es braucht beides – wie so oft.»
Manuela Bamert
Manuela: Das stimmt, eine neugierige und offene Haltung ermöglicht erst echte Begegnungen. Wie hast du begonnen, deine Spontanität zu entdecken, wenn du von Natur aus eher kontrolliert bist?
Werner: Zuerst wurde mir das in einem psychologischen Kurs bewusst gemacht. Man sagte mir, ich rede wie aus einem Lehrbuch. Da begann ich, Kontrolle loszulassen. Ich achte jedoch darauf, nicht zu spontan zu sein. Es gibt ja Leute, die so lange reden, bis sie wissen, was sie sagen wollen. Ihre Spontaneität kann dann oft sehr ausufernd sein.
Manuela: Das finde ich sehr spannend! Mir wird auch oft gesagt, dass ich mich sehr bedacht ausdrücke. Ich merke aber, dass ich mich je nach Gesprächspartner anders ausdrücke. In beruflichen Meetings halte ich es für angemessen, überlegt zu sprechen. Wenn ich aber mit meiner besten Freundin telefoniere, spreche ich manchmal so lange, bis ich weiß, was ich eigentlich sagen möchte. Da kommt es oft eher unkontrolliert heraus.
Werner: Ich vermute, du kennst auch ein paar kontrollierte Menschen, über deren Trockenheit du dich ärgern kannst.
Manuela: Jetzt musste ich gerade schmunzeln. Vermutlich ja. Das sind dann möglicherweise die Ärgergefühle, die ich dann nicht unkontrolliert nach außen tragen möchte – vielleicht schließt sich so der Kreis von Spontanität und Kontrolle.
Werner: So kommen wir vielleicht zu einem Gleichgewicht, das der jeweiligen Situation angepasst ist. C.G. Jung schrieb einmal, dass man in der Lebensmitte oft beginnt, seine Einseitigkeiten zu korrigieren, indem man die Aspekte seiner Persönlichkeit weiterentwickelt, die man bisher vernachlässigt hat.
Manuela: Ich finde das einen schönen Gedanken. Im Leben geht es doch immer darum, einen Ausgleich zu finden zwischen zwei Extremen. Und vielleicht gibt es ja auch so etwas wie kontrollierte Spontanität und spontane Kontrolle.