Manuela: Du sag mal, Werner, kennst du eigentlich auch Phasen, in denen du dich unmotiviert fühlst? Was motiviert dich dann, morgens aufzustehen?
Werner: Müde, unmotivierte Phasen finden bei mir vor allem am Morgen statt. Da brauche ich eine gewisse Anlaufzeit. Ich mach dann einfach, was zu tun ist – es geht ja vorbei. Meist bin ich nach den Körperübungen und der Meditation einsatzbereit.
Manuela: Du lässt dich von dem Gefühl, unmotiviert zu sein also nicht irritieren? Ich merke bei mir nämlich, dass ich vor lauter Fokus auf Ruhe und Achtsamkeit gerade etwas Mühe habe, mich zu überwinden, wieder aktiver zu werden.
«Ich merke bei mir, dass ich vor lauter Fokus auf Ruhe und Achtsamkeit gerade etwas Mühe habe, mich zu überwinden, wieder aktiver zu werden.»
Manuela Bamert
Werner: Vielleicht bist du dann so wohl in deiner Ruhe, dass du am liebsten bleiben möchtest. Ich merke vor allem, dass es hoffnungslos ist, das Morgentief vertreiben zu wollen. Am besten hilft, mir bewusst zu werden, was da in mir läuft, wie der Körper sich anfühlt. Und wenn ich dann einigermassen wieder präsent bin, schau ich voraus auf Dinge und Begegnungen, die auf mich warten. Da ist ja meist auch Motivierendes dabei.
Manuela: Ja, das ist tatsächlich so – unangenehme Gefühle werden durch Widerstand nicht angenehmer, im Gegenteil. Ich erlebe es so, dass diese oftmals noch verstärkt werden, wenn ich sie unbedingt «weghaben» möchte.
Werner: Ich frage mich auch, wie wichtig überhaupt meine vorübergehenden Stimmungen sind. Macht es Sinn, in meiner schwarzen Suppe zu rühren? Es gibt Wichtigeres. Eine Aufgabe vor mir zu haben, an einem Text zu arbeiten, ein gutes Menu zu kochen, einen lieben Menschen zu treffen – schon daran zu denken, kann mir Auftrieb geben.
Manuela: Das mit der schwarzen Suppe ist eine gute Frage. Vielleicht gebe ich vorübergehenden Stimmungen manchmal schnell zu viel Bedeutung. Ein gutes Beispiel erlebte ich heute Morgen: Ich habe viel Anlaufzeit gebraucht, aber die Aussicht auf unser Schreibtreffen hat mich motiviert und war wichtiger als in der trüben Suppe zu rühren, ja hat diese plötzlich bunt gemacht 🙂
Werner: Wie schön! Was mir übrigens noch einfällt: Es muss nicht immer richtig sein, mit einer verlockenden Motivation aus der schwarzen Suppe auszusteigen. Manchmal geht es doch auch darum, seine dunklen Seiten zu verarbeiten. Nur so kommen wir wohl zu einem momentübergreifenden Wohlbefinden.
«Es muss nicht immer richtig sein, mit einer verlockenden Motivation aus der schwarzen Suppe auszusteigen. Manchmal geht es doch auch darum, seine dunklen Seiten zu verarbeiten.»
Werner Kaiser
Manuela: Ja, da gebe ich dir recht. Ich glaube, dass dieses momentübergreifende Wohlbefinden – wie du es nennst – unter anderem erst dadurch entstehen kann, wenn wir die Empfindungen annehmen können, die gerade da sind in diesem Moment, ohne sie in irgendeiner Form krampfhaft verändern zu wollen. Das Schreiben über Suppe macht mich hungrig. Gibt es ein Menu, das du aktuell besonders gerne kochst? Kochen ist ja – wie ich mich erinnere – eine deiner Leidenschaften?
Werner: Ich habe gerade ein neues Menu entdeckt im Internet. Ein Kartoffel-Gemüse-Auflauf, schon das Bild hat mich gleich gluschtig gemacht. Das gibt es bei uns nächsten Sonntag.
Manuela: Vielleicht magst du ja nach erfolgreicher Generalprobe das Rezept mit mir teilen, damit ich mich auch wieder motiviert in der Küche stellen kann?
In der neuen Rubrik «Du sag mal…» stellen sich eine junge und eine ältere Person gegenseitig Fragen, die sie gerade beschäftigen, und tauchen ein in die Gedankenwelt des Gegenübers.