Im September 2020 befragt Sotomo im Auftrag des Berner Generationenhauses 3285 Personen ab 18 Jahren aus der deutsch- und französischsprachigen Schweiz mit dem Ziel, die Beziehungen zwischen Jung und Alt in der Schweiz zu beleuchten. Seit November 2020 liegt das Generationen-Barometer 2020 vor.

Die gute Nachricht zuerst: Die Studie kann keinen tiefen Graben zwischen Jung und Alt nachweisen. Viel eher beschäftigt alle Altersgruppen, dass die Gesellschaft auf den Bruchlinien zwischen Arm und Reich, politisch links und rechts, zwischen Stadt und Land oder zwischen Inländern und Ausländern auseinanderdriftet. Während der Pandemie ist eine weitere Bruchlinie hinzugekommen: die Einstellung zum neuen Corona-Virus.
Die Befragten sind sich im September 2020 bereits einig, dass das Virus Auswirkungen auf das Generationenverhältnis haben wird, und zwar eher negative. Die Schutzmassnahmen sind von der gesamten Bevölkerung zu tragen, doch Nachteile und Gefahren wirken sich je nach Altersgruppe sehr unterschiedlich aus. Somit darf man gespannt sein, wie ein künftiges Generationen-Barometer ausfallen wird.
Die «Boomer», die heute zur Gruppe der «jungen Alten» zählen, sind zugleich die Gruppe mit der grössten Lebenszufriedenheit.
Generationen-Barometer 2020
Wie zufrieden sind die Befragten?
Die Babyboomer, geboren zwischen 1945 und 1964, sind die letzten Jahrgänge, die von sich sagen können, dass es ihnen in fast allen Bereichen besser geht als noch ihren Eltern. Nicht erstaunlich also, stellen die «Boomer» die Gruppe mit der grössten Lebenszufriedenheit. Den heutigen Jungen fehlt die Zuversicht hinsichtlich höherer Lebensqualität. Die Aussicht auf noch mehr Komfort durch noch raffiniertere Geräte bietet keinen Ersatz für Zufriedenheit. Damit fehlt den Jungen eine motivierende Ressource. Tröstlich ist, dass sie, gemäss Umfrage, trotzdem positiv in die Zukunft blicken.
Dass Menschen zwischen 45 und 54 Jahren die geringste Lebenszufriedenheit angeben, ist nachvollziehbar. In dieser Zeitspanne braucht es im Privat- und Arbeitsleben viel Engagement. Spannend ist aber, dass Ältere beim Zurückschauen genau diese Jahre als die reichsten bezeichneten, als jene Jahre nämlich, in denen sie am meisten erreicht und bewirkt haben. Entsprechend wünschen sich viele Ältere, befragt nach ihrem Wunschalter, wieder um die 40 Jahre alt zu sein. Die Wahrnehmung in der Rückschau stimmt also nicht mit der Wahrnehmung des Ist-Zustandes überein.
Die meisten der Befragten sind zufrieden mit ihrem Leben. Allerdings «sehr zufrieden» ist bloss ein Drittel und mit zunehmendem Alter werden es immer weniger. Alle empfinden finanzielle Unsicherheiten als Einschränkung. Den jungen und mittleren Altersgruppen fehlen zudem Ruhe und Entspannungsmöglichkeiten. Zudem gibt es – je nach Altersgruppe – noch unterschiedliche weitere Defizite wie bezüglich Hoffnung allgemein, sexueller Zufriedenheit oder Gesundheit.

«Wovon träumen Sie?»
Es ist nicht die Million, das dicke Auto oder das Traumhaus. Fast die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung möchte «Gutes tun» und eine sinnvolle Arbeit haben. Reisen, einfaches Leben sind weitere Sehnsüchte.
Ganz ohne Geld geht’s aber doch nicht. Materielle Bedürfnisse hängen stark von der Lebensphase ab. Mittlere Altersgruppen, die intensiv in die Familie eingebunden sind oder sich über lukrative Jobs definieren, träumen von finanzieller Besserstellung, Männer noch stärker als Frauen.
Ein möglicher Traum wäre das bedingungslose Grundeinkommen. «Angenommen, Sie erhalten, zusätzlich zu ihrem Einkommen, monatlich einen bedingungslosen Betrag von 2500 Franken. Was würden Sie tun?» Die Antworten zeigen, dass sich an der bisherigen Erwerbstätigkeit wenig ändern würde. Bloss zwei Prozent der Befragten würden ihre Arbeit aufgeben. Viele Vollzeitbeschäftigte würden das Pensum gerne reduzieren, selbständig Erwerbende im gleichen Masse weiterarbeiten.
Das meinen Jung und Alt zu Wohnform, Beziehungen
und Nachhaltigkeit
Sowohl bei Jung wie bei Alt sind die Vorstellungen von der idealen Wohnform bemerkenswert konventionell. Die meisten möchten als Paar zusammenwohnen. Alleine wohnen ist gar nicht beliebt. Alternative Wohnformen wie Grossfamilie, Generationenwohnen, Patch-work-Familien oder Zusammenwohnen mit Freunden wünschen sich erstaunlich wenige. Am allerwichtigsten ist den Befragten, dass die Wohnsituation konstant und verlässlich ist.

Auch in Beziehungsfragen sind alle Generationen erstaunlich wandlungsresistent. Die Paarbeziehung bleibt weiterhin das Ideal. Bei der jüngeren Generation ist zwar mehr Offenheit auszumachen als bei Mittelalterlichen und Älteren, und alte Menschen über 74 sehen die offenen Beziehungsformen und Polyamorie (Liebesbeziehungen mit mehreren Partnern) als Gefahr.
Zumindest auf dem Papier ist für alle klar und unabdingbar, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind. Über 80 Prozent befürworten, dass entsprechende Rahmenbedingungen bestehen. Wie wichtig ihnen diese Rahmenbedingungen sind, hängt allerdings von Alter und Geschlecht ab. Wenig überraschend, dass Ältere und Männer weniger Wert auf Gleichberechtigung legen.
Unterschiedlich ist auch das Problembewusstsein der verschiedenen Generationen bei Klimafragen. Während die Jungen noch ein hohes Bewusstsein für einen nachhaltigen Lebensstil haben, nimmt dieses bereits ab 25 Jahren stetig weiter ab. Die über 74-Jährigen hingegen schätzen sich als klimafreundlich ein und finden das nachhaltige Verhalten nicht allzu wichtig.

Solidarität und Balance – was ist zu tun?
Sollen die Jungen die Alten unterstützen? Ja, meinen die meisten der Befragten. Interessanterweise kommt diese Forderung vor allem von den jüngeren Menschen selbst, nicht von den Älteren und Alten. Diese können sich wohl noch an die Zeit der eigenen Belastung mit Familie und Arbeit erinnern und möchten die Jungen nicht zusätzlich beanspruchen. Während fitte Alte gerne den Jungen beistehen möchten, binden die Jungen die Elterngeneration nicht allzu gerne fest in ihr Leben ein. Sie sollen eher die «wohlverdiente» Ruhe geniessen und vor allem nicht zu Stosszeiten Verkehrsmittel benützen.

Die Balance zwischen den Generationen könnte aber durchaus verbessert werden. Die Studie liefert die Einschätzungen der Befragten zu folgenden möglichen Massnahmen:
- Senkung des Stimmrechtsalters von 18 auf 16 Jahre. Rein demografisch sind die Älteren in der Mehrheit und nehmen zudem auch fleissiger an Abstimmungen teil. Die Befragten äussern sich mit zunehmendem Alter skeptisch zur verstärkten Einbindung junger Menschen in demokratische Prozesse.
- Obligatorischer Gemeinschaftsdienst für Männer und Frauen zur Pflege und Unterstützung der Alten und Schwachen, gedacht als Erweiterung der allgemeinen Wehrpflicht. Grundsätzlich sehen dies alle positiv, vor allem Männer wünschen sich hier mehr Gerechtigkeit. Frauen aber, die in der intensiven Familienphase noch Gemeinschaftsdienst leisten sollten, finden dies wenig attraktiv.
- Neue Arbeitszeitmodelle zur Reform der Altersvorsorge wie Lebensarbeitszeit oder verteilte Arbeitszeit. Die Einstellung der Befragten ist stark abhängig von Alter, Geschlecht und Parteizugehörigkeit. Dennoch sprechen sich 74 Prozent für eine Lebensarbeitszeit aus, bei der das Rentenalter an die Beitrittsjahre gekoppelt ist.
- Anreize schaffen für einen Wohnungswechsel der älteren Generation. Angesichts der angespannten Situation auf dem Wohnungsmarkt finden es zwei Drittel der Befragten vernünftig, Anreize zu schaffen, damit geräumige Wohnungen eher für Familien mit Kindern bereitgestellt werden könnten.