
Ruth Gygax hat das Buch «Nicht fragen, bitte» im Alter von über 80 Jahren geschrieben. Sie wollte Menschen mit Demenz sowie deren Angehörigen und Betreuer:innen einen einfühlsamen und praxisnahen Einblick in die Herausforderungen und Bedürfnisse dieser Krankheit geben.
«Es braucht etwas für die Menschen, die nicht Fachliteratur lesen möchten. Ich will orientieren, ohne belastend zu sein. Darum habe ich basierend auf meinen Erfahrungen diese Erzählung geschrieben», so Ruth Gygax. «Weil ich Menschen mit Demenz mag. Wir müssen sie nicht lieben, aber mögen sollten wir sie und uns um sie kümmern. Ausserdem schreibe ich gerne.»
«Weil ich Menschen mit Demenz mag. Wir müssen sie nicht lieben, aber mögen sollten wir sie.»
Ruth Gygax
Ihr beruflicher Werdegang ist beeindruckend: Krankenpflegerin und Krankenschwester, Hausfrau und Mutter. Nach dem frühen Tod ihres Mannes musste sie zur Sicherung des Lebensunterhalts und auch als Lebensinhalt wieder ins Berufsleben zurückkehren. Sie erwarb das Diplom für Sozialarbeit, arbeitete zunächst bei der Gemeinde und später als Sozialarbeiterin bei Pro Senectute.
«Dort habe ich Menschen mit Demenz getroffen und festgestellt, dass ich kaum Ahnung von dieser Krankheit hatte.» Berufsbegleitend absolvierte sie die Ausbildung zur Gerontologin und später zur DCM-Evaluatorin. Dabei handelt es sich um ein Beobachtungsinstrument zur Erfassung des Wohl- oder Nichtwohlergehens von Menschen mit Demenz im öffentlichen Bereich einer Altersinstitution. Ausgewählte Personen werden sechs Stunden lang beobachtet. Alle fünf Minuten wird ihr Verhalten notiert und die Interaktionen des Personals aufgezeichnet. Die Ergebnisse geben den Menschen mit Demenz eine Stimme und dem Betreuungspersonal wertvolle Hinweise. Im anschliessenden Teamgespräch werden die Beobachtungen in die tägliche Betreuung integriert.

Menschen mit Demenz brauchen viel, sehr viel Zuwendung. Hilfe ist notwendig, wenn ein demenzkranker Mensch vergessen hat, wie man sich hinsetzt oder mit Besteck isst. Hilfe in Form von Anleitung – zum Beispiel durch Zeigen oder, noch besser, durch gemeinsames Tun. Menschen mit Demenz werden nicht einfach wieder zu Kindern, auch wenn sie erneut das Bett nässen oder in die Hose machen. In ihrem Innersten bleiben sie die Menschen, die sie einmal waren. Der Herr Professor bleibt der Herr Professor. Der Umgang mit ihnen wie mit einem Kleinkind ist despektierlich. Wichtig sind Zuwendung, Fröhlichkeit und Bewegung.
Musik zum Beispiel öffnet oft ein Fenster, das sonst verschlossen bleibt. Das Fühlen bleibt bestehen – Angst und Freude sind vorhanden, können aber nicht mehr ausgedrückt werden, da die Worte fehlen. Dadurch kann auch Schmerz oft nicht mehr mitgeteilt werden. Die Seele ist nicht krank, nur die Kommunikation mit dem Gehirn ist gestört.
«Nicht fragen, bitte»: Lesung und Gespräch mit Ruth Gygax
Wann: Mittwoch, 9. April 2025, 14.30 Uhr
Wo: Offenes Höchhus, Höchhusweg 17, 3612 Steffisburg
Weitere Infos: Lesung und Gespräch mit Ruth Gygax