Mit Rüdiger Maas (42), Experte für Arbeits- und Organisationspsychologie und Gründer des Instituts für Generationenforschung in Augsburg (Deutschland), war beim dritten Projektstammtisch Digital im Juni ein namhafter Generationenforscher zu Gast. Elias Rüegsegger (26) führte durch den Livestream, der immer noch zu sehen ist. Zu Beginn wollte er von Rüdiger Maas wissen, was er persönlich an der Generationenforschung so spannend findet:

«Ich habe die Jungen nicht mehr verstanden und konnte sie nicht mehr motivieren.»
Rüdiger Maas (42)
Im Talk wurden nicht nur wichtige Fragen der Generationenforschung, sondern auch aktuelles Konfliktpotential thematisiert.
«Was ist eine Generation?»
Die Stille Generation oder die Generation Y – die heute übliche Einteilung der «Generationen» geht auf Karl Mannheim zurück. Jede Generation hat ihre ganz eigenen Merkmale. Die Babyboomer – geboren zwischen 1946-1964 – brachen rebellisch das Schweigen, während die Generation Z, Jahrgänge 1997-2021, sich angepasst und behütet zurück zur Mitte bewegt.
Heute jedoch lassen sich die «Generationen» immer weniger voneinander abgrenzen: Es findet vermehrt ein gemeinsames Handeln statt. Für Rüdiger Maas nehmen Umwelt, Erziehung, Persönlichkeit und Digitalisierung mehr Einfluss auf die Gruppenbildung, als das Geburtsjahr.
Generationenkonflikt oder Krise?
Oft laden Medien oder Politik die Altersvorsorge, die Klimakatastrophe oder die Coronapandemie als Generationenkonflikte auf. Rüdiger Maas stuft diese Themen als Krisen ein, die alle Generationen betreffen,und weniger als Generationenkonflikte, da keine Generation allein dafür verantwortlich ist. Lösungen sollten ausserhalb der Generationenstruktur und mehr im politischen und unternehmerischen Umfeld gesucht werden.
Aktuelle Konfliktfelder
Dennoch gibt es zwischen verschiedenen Generationen auch Konfliktpotential. Da wäre zum Beispiel die Digitalisierung. Während ältere Generationen meist erst im Beruf mit digitalen Medien in Kontakt kamen, bewegen sich die jungen, sogenannten Digital Natives von klein auf intuitiv durch das Internet. Hier knüpft auch die Kommunikation an. Die Kommunikationswege verändern sich fortlaufend und damit auch die Sprache und die Herangehensweise. Ein Beispiel: Ein 50-Jähriger schaut sich ein Video, welches ihm nicht gefällt, komplett an, damit er sein vollständiges, negatives Urteil in einem Kommentar kundtun kann. Ein Junger würde ein Video, welches ihn nicht anspricht, nach zehn Sekunden beenden und weiter swipen. Ein ähnlicher Unterschied zeigt sich auch in der Arbeitseinstellung. Während jüngere Menschen Unverbindlichkeit schätzen und eher oberflächlich arbeiten, kennzeichnet Ältere eine hartnäckige Verbindlichkeit. Diese Punkte sind nur einige Faktoren, warum sich der ältere Erfahrungsschatz auf analogen Erfahrungen in der Arbeit oder zwischenmenschlichen Beziehungen aufbaut, die die Jüngeren kaum mehr nachvollziehen können. Auf der anderen Seite erobern die Jüngeren die digitale Welt für sich, wie es den Älteren kaum möglich ist.
Zoom-Austausch im kleinen Kreis
Im Anschluss an den Talk moderierte Fritz Zurflüh (66) gemeinsam mit Elias Rüegsegger den exklusiven Austausch mit Rüdiger Maas. Der Generationenforscher beantwortete individuelle Fragen zum Talk und zu speziellen Anliegen oder Projekten. Von länderübergreifender Generationenthematik über Einsamkeit bis hin zur Akzeptanz der Coronapandemie tauschten sich die 13 TeilnehmerInnen aus. Wie sieht es also aus für die Generation Z? «Sie werden auch in 20 Jahren noch leben», entgegnet Rüdiger Maas mit einem Augenzwinkern.
Denkanstösse zum intergenerationellen Miteinander
Durch die gesamte Veranstaltung zog sich die Frage: Was können wir tun für mehr Miteinander der Generationen?
- Bestehende Strukturen hinterfragen: Wie viel Nationalstaat ist in der globalisierten Welt möglich? Macht es Sinn, mehr projektbezogen und weniger hierarchisch zu arbeiten? Wie bemessen wir analoge Erfahrung?
- Echter Einbezug der Jungen bei Entscheidungsfindung und Verantwortungsverteilung: Ist ein Stimmrecht mit 16 gerechter? Welche Strategien verfolgen wir in Arbeitsprozessen und wer wird der oder die NachfolgerIn eines Postens?
- Offenheit der Älteren für Digitalisierung: Wie können Präsenzzeiten und -orte reagieren und welche neuen Möglichkeiten eröffnen sich, wenn man sich der Digitalisierung öffnet?
- Gegenseitige Information und Aufklärung: Jede Generation hat eigene Laster – aber wie viel wissen wir beispielsweise von der digitalen vs. analogen Ressourcenverschwendung?
- Zugehörigkeit projektbezogen denken: Ist es nicht schöner, Teil des grossen Ganzen zu sein, anstatt einer einzelnen Generation?
So geht es weiter mit dem Projektstammtisch Digital:
Noch drei Projektstammtische Digital sind in diesem Jahr geplant. Wir freuen uns, wenn du das nächste Mal mit diskutierst und Fragen stellst.
Anmeldung unter projektstammtisch@generationentandem.ch
13. August Kommunikation in Generationenprojekten
22. Oktober Generationenprojekte finanzieren
10. Dezember Freiwillige und Profis
