Silvia Aeschbach (85)
– war im Auftrag der Basler Mission in Peru und Nigeria als Hebamme tätig.
– arbeitete in der Schweiz in der Mütterberatung.
– seit vier Jahren wohnt sie in einer 2 -Zimmerwohnung in Heiligenschwendi, vorher lebte sie in Hünibach.
Welche generationenübergreifende Begegnung hat Sie besonders beeindruckt?
Als ich mit 26 Jahren in Peru war, beeindruckte mich der Leiter der Mission sehr.
Was macht die Lebensqualität hier für Sie aus?
Die Aussicht in Heiligenschwendi ist einfach wunderbar. Zuerst schreckte ich davor zurück, hier zu leben, da mir Kultur sehr wichtig ist. Ich brauche Thun, die Anlässe – wie Konzerte und Theateraufführungen – die dort stattfinden. Als ich aber merkte, dass die Anbindung an den öffentlichen Verkehr sehr gut ist, zog ich dann doch hierher.
«Ich fühle mich nie einsam. Ich liebe Bücher und habe eigentlich immer zu wenig Zeit für das, was mir wichtig ist: Lesen, Kontakte pflegen und wandern.»
Silvia Aeschbach
In unserem Haus leben 16 Leute. Wir treffen uns immer am ersten Samstag des Monats. Leider machen nur vier Personen regelmässig mit und diese wollen nach einem kurzen Gedankenaustausch spielen. Leider bin ich keine Spielernatur. Trotzdem fühle ich mich nie einsam. Ich liebe Bücher und habe eigentlich immer zu wenig Zeit für das, was mir wichtig ist: Lesen, Kontakte pflegen und wandern.
Welchen Beitrag leistet die Gemeinde dazu?
Ich denke, dass es das Verdienst der Behörden ist, dass tagsüber jede halbe Stunde ein Bus fährt und das Dorf auch spätabends noch bedient wird.
Während des Lockdowns haben sich Behördenmitglieder nach meinem Befinden erkundigt und Hilfe angeboten, die ich allerdings nicht in Anspruch nahm.
Wo und bei welchen Anlässen halten Sie sich in Ihrer Gemeinde besonders gerne auf?
Der Frauenverein führt im Gemeinschaftsraum der Kirche im Dörfli Anlässe durch. Alle Teilnehmenden sind über 64 Jahre alt. Es gibt ein gemeinsames Frühstück. Leider sind Beginn und Ende der Veranstaltung nicht mit dem Bus koordiniert und ich möchte mich gern unabhängig fortbewegen. Ausserdem gehe ich gern in die Kirche und suche manchmal das Gespräch mit Unbekannten.
Begegnen sich die Menschen genügend?
Gerade bei der erwähnten Begegnungsmöglichkeit sind die äusseren Bedingungen eher ungünstig: Der Tisch ist so lang, dass ein gemeinsames Gespräch nicht möglich ist. So unterhalten sich kleinste Grüppchen, die sich bereits kennen, miteinander. Als Neuzuzügerin finde ich es schwierig, Anschluss zu finden.
Möchten Sie weitere Begegnungsmöglichkeiten?
Eine gute Idee wäre ein offenes Singen. Bei gemeinsamen Wanderungen könnte man vielleicht ins Gespräch zu kommen.
Wie beurteilen Sie den gesellschaftlichen Zusammenhalt?
Der Zusammenhalt unter den Alteingesessenen mag gut sein, aber als Auswärtige spüre ich Vorbehalte.
«Ich staune immer wieder darüber, wie nett mir junge Leute im Bus ihren Sitzplatz anbieten und oft kommen wir dann sogar miteinander ins Gespräch.»
Silvia Aeschbach
Wo vermuten Sie zwischen den Generationen Berührungsängste oder gar Konflikte?
Da habe ich keine Probleme. Ich staune immer wieder darüber, wie nett mir junge Leute im Bus ihren Sitzplatz anbieten und oft kommen wir dann sogar miteinander ins Gespräch.
Jede Generation hat ihre Kompetenzen. Werden diese genügend genutzt?
Die Jungen sind kompetent im Umgang mit technischen Geräten. Die Alten sollten Lebenserfahrung einbringen und ein offenes Ohr haben für das, was Junge beschäftigt.
Wie beurteilen Sie die Angebote in Bezug auf Wohnen und Alterswohnen?
Ich finde die Idee gut, dass jemand, der oder die ein grosses Haus besitzt, jungen Leuten günstigen Wohnraum anbietet gegen Hilfeleistungen in Haus und Garten. Ich selbst bin sehr zufrieden mit meiner Wohnsituation. Allerdings sehe ich mich um nach einem Platz in der Alterssiedlung Schönegg, für den Notfall.
Wie steht es um die medizinische Versorgung?
Hier in der Klinik werden nur die stationären PatientInnen behandelt. Wir müssen die Ambulanz rufen und nach Thun fahren.
Die Gemeinden arbeiten jetzt an einem Generationenleitbild. Was wäre das Beste, was daraus entstehen könnte?
Gut wäre, wenn gemeinsames und kostengünstiges Wohnen im Alter ermöglicht und sogar gefördert würde.
Generationenleitbild «zäme redä, zäme läbe» in Hilterfingen, Oberhofen und Heiligenschwendi
Viele Gemeinden haben Altersleitbilder. Diese sind oft in die Jahre gekommen und setzen sich mit den älteren Generationen auseinander. Solche Leitbilder definieren die Alterspolitik einer Gemeinde. Also bestimmte Massnahmen die älteren Menschen ein selbstbestimmtes Leben mit hoher Qualität ermöglichen. Viele Gemeinden denken nun neu und wollen Generationenleitbilder erarbeiten. Die Menschen aller Generationen sind im Blick.
UND Generationentandem begleitet zwischen Juni 2022 und Dezember 2023 den Gemeindeverband Hilterfingen, Oberhofen und Heiligenschwendi auf dem Weg zum Generationenleitbild. Im Fokus steht der Prozess und das Miteinander. Eine Spurgruppe mit offiziellen VertreterInnen aus allen drei Gemeinden und aus der Bevölkerung erarbeitet das offizielle Leitbild. Am Freitag, 31. März 2022 laden die drei Gemeinden zum Mitmach-Anlass «zäme redä, zäme läbe» ein.
Für das Generationenleitbild führt UND Generationentandem Interviews mit Menschen aus den drei Gemeinden. Alle Interviews und Beiträge zu «zäme redä, zäme läbe»: hier.