
Adrian Straubhaar (55)
– Präsident des Gewerbevereins Oberhofen-Hilterfingen-Hünibach seit 2015
– wohnt seit 20 Jahren in Oberhofen
– verheiratet, Vater von zwei Kindern (16 und 18)
– Beruf: selbständiger Notar, mit Büros in Oberhofen und Thun
Adrian Straubhaar, finden Sie die Idee, ein Generationenleitbild zu erstellen, sinnvoll?
Grundsätzlich macht es Sinn, sich Gedanken zu machen über die verschiedenen Altersgruppen in einer Gemeinde. Dazu gehören Kleinkinder, Schulkinder, junge Erwachsene, Familien, alleinstehende Erwerbstätige und die Älteren in der dritten Lebensphase, die sich ebenfalls unterteilen lässt in eine erste und zweite Hälfte. Aus Sicht unseres Gewerbes ist es wichtig, junge Leute als Lehrlinge und auch ältere, erfahrene MitarbeiterInnen in unsere Betriebe integrieren zu können. Wir sind angewiesen auf zufriedene KundInnen jeglichen Alters und da ist es wünschenswert, dass diese hier vor Ort leben.
Welche generationenübergreifenden Begegnungen haben Sie besonders beeindruckt?
Ich machte als Jugendlicher und als junger Erwachsener bei den Pfadfindern Kyburg in Thun mit und war nach meinem Zuzug nach Oberhofen mehrere Jahre aktives Vorstandsmitglied der Pfadi Wendelsee. Während meiner Pfadizeit durfte ich viele bereichernde Begegnungen mit Kindern, Jugendlichen, jungen Erwachsenen und deren Eltern erleben.
Was macht die Lebensqualität in Oberhofen für Sie aus?
Meine Familie und ich fühlen uns wohl hier: Die Nähe zum See, die Berge, das Schloss mit dem Park, die Wichterheer-Promenade, das alles ist punkto Infrastruktur fast nicht zu übertreffen. Wir finden hier alles Nötige vor, wie eine Drogerie, eine Apotheke, einen Metzger, einen Käseladen, eine Bäckerei, Restaurants, ein Reisebüro, eine Poststelle, das Hallenbad, Museen und ein Notariat. Dieses Angebot finde ich sensationell, verglichen mit Nachbargemeinden.

Welchen Beitrag leistet die Gemeinde dazu?
Die Bevölkerung von Oberhofen ist politisch aktiv und die Behörden setzen sich nach meinen Erfahrungen für die Anliegen der BewohnerInnen ein. Dass die Poststelle noch im Dorf ist, haben wir unter anderem auch dem Engagement unserer Gemeindebehörden zu verdanken.
Wo können sich die Menschen treffen?
Es gibt leider zurzeit kein eigentliches Zentrum, keinen Platz, wo man sich regelmässig trifft.
Wo vermuten Sie zwischen den Generationen Berührungsängste oder gar Konflikte?
Es ist kein Geheimnis, dass hier herum eine gewisse Überalterung der Bevölkerung besteht. Gewisse Gebäude und Wohnungen, die früher Platz für Familien geboten haben, werden nun von älteren Paaren oder Einzelpersonen bewohnt. Für junge Familien sind die Preise für diese eher stattlichen Häuser oft zu hoch. Aber sonst sehe ich keine drohenden Generationen-Konflikte. Junge dürften sich mehr einbringen in die Ortsvereine und in die Politik, also beispielsweise teilnehmen an Gemeindeversammlungen. Aber das müssen wir ihnen selbst überlassen.

Begegnen sich die Generationen auf Augenhöhe?
Ich glaube, dass dies in Institutionen wie beispielsweise dem Frauenverein oder dem Turnverein gut gelingt. Junge Leute wünschen sich oft konkretere Unterstützung von der älteren Generation, nicht nur gutgemeinte Worte. Meiner Meinung nach müssen die Älteren eher auf die Jüngeren zugehen als umgekehrt. Junge Menschen haben im Bereich «Generationen-Austausch» eher Hemmungen.
Welche Rolle spielt die Gemeinde beim Einbringen von Ideen und Anliegen?
Die Rolle der Gemeinde ist es, mehrheitsfähige Vorschläge aufzunehmen, zu evaluieren und für die Umsetzung Hand zu bieten.
Wer spielt sonst noch eine Rolle?
Die Kirchgemeinde ist bei uns sehr aktiv. Wir sind bestimmt keine Schlafgemeinde, denn wir haben eine lebendige Vereinskultur. So engagieren sich der Männerchor, der Jodlerklub, der Turnverein, die Burgergemeinde, der Frauenverein, der Gewerbeverein, die Pfadiabteilung und die Feuerwehr bei den alljährlich stattfindenden Festivitäten wie Strandfest, Sommerfest und Dorfmärit.
«Ich wünsche mir von den jeweil anderen Generationen, dass sie den Mut finden, auf einander zuzugehen.»
Adrian Straubhaar
Was würden Sie sich zusätzlich wünschen?
Junge sollten hier wieder einen Treffpunkt haben. Früher war die Jugenddisco «Poly Magoo» der Anziehungspunkt für das ganze diesseitige Thunerseeufer von Interlaken bis Thun. Hier besteht heute ein Defizit und ich würde mir mehr Initiative von den Jungen wünschen.
Was wünschen Sie sich von den jeweiligen anderen Generationen?
Dass sie den Mut finden, auf einander zuzugehen.
Was können Sie den anderen Generationen bringen?
Ich kann ihnen Interesse und Verständnis entgegenbringen.
Wie beurteilen Sie die Angebote bezüglich Generationenwohnen und Alterswohnen?
Meine Schwiegermutter ist in ihrem dritten Lebensabschnitt in Oberhofen wohnhaft und findet gut funktionierende Angebote für ihre Bedürfnisse vor. Auch die Spitex ist hier stationiert. Das rechte Seeufer ist beliebt für Alterswohnsitze und daher sind viele attraktive Altersheime anzutreffen. Generationenwohnen findet eher familiär statt.
«Generationenwohnen sollte meiner Meinung nach nicht explizit von der Gemeinde diktiert werden. Die Initiative muss von den Interessierten her kommen.»
Adrian Straubhaar
Generationenwohnen sollte meiner Meinung nach nicht explizit von der Gemeinde diktiert werden. Die Initiative muss von den Interessierten her kommen.
Wie steht es um die Schulen?
Wir haben hier ein gutes Volksschul-Angebot mit motivierten, kompetenten Lehrpersonen.
Wo drückt der Schuh zum Thema Mobilität?
Unsere Gewerbler leiden unter den unberechenbaren Stau-Verhältnissen und sind generell unzufrieden mit dem unzumutbaren, ja schikanösen Einbahnverkehrsregime von Thun. Zeit, die hier verloren geht, können sie nicht den Kunden in Rechnung stellen. Das ist klar ein Wettbewerbsnachteil.

Andernorts in der Schweiz werden Tunnels und Galerien gebaut zur Entlastung der Hauptachsen und der Dorfstrassen. Hier scheint bezüglich Zukunftsplanung eine politische Blockade vorzuliegen.
Sind Sie zufrieden mit der medizinischen Versorgung?
Ich finde, da haben wir einen guten Mix an Angeboten.
Bietet der öffentliche Raum gute Möglichkeiten für Begegnungen?
Ich wünsche mir konkret einen Ort der Begegnung, realisiert unter Mitwirkung der Bevölkerung: Wir verfügen mit dem Seeplatz in Oberhofen über einen der weitherum schönsten Plätze. Dieser Platz ist heute zu einem grossen Teil mit Parkplätzen belegt. Muss das so bleiben? Meine Vision ist ein gepflästerter Dorfplatz oder sogar eine Art Piazza nach italienischer Art, ein lebendiges Zentrum, wo man sich gerne trifft.

Auch unsere Oberhofner Uferzone von der Gemeindeverwaltung via den Schlosspark bis zum Riderbach und Strandbad könnte in einem Gesamtkonzept durchaus noch lebendiger und attraktiver gestaltet werden. Da sehe ich viel Potenzial für positive Veränderungen.
Wie steht es um die Nähe zu den BewohnerInnen? Sind sie gut informiert?
Hilterfingen verteilt die «Gemeinde-Information Hilterfingen-Hünibach» an alle Haushaltungen. In Oberhofen erscheint vierteljährlich der «Oberhofner». Auch der privat lancierte «Thunersee Bote» wird oft und gerne gelesen. Das finde ich gut. Die Homepages sind aktuell und kompetent geführt. Ausserdem begegnet man unseren GemeinderätInnen hier noch auf der Strasse, das schätze ich sehr.
Was wünschen Sie sich als Resultat dieses Generationenleitbildes?
Wenn sich so viele Leute dazu Gedanken machen, sollte daraus etwas Konkretes entstehen. Das Leitbild soll unseren Behörden als Orientierung für die Zukunft dienen. Die Massnahmen im Generationenleitbild sollen griffig und umsetzbar sein und dazu dienen, die Lebensqualität aller Menschen am rechten Seeufer zu erhalten und zu verbessern. Der Fokus sollte auf die sozialen Kontakte zwischen den Generationen gerichtet sein.
Generationenleitbild «zäme redä, zäme läbe» in Hilterfingen, Oberhofen und Heiligenschwendi
Viele Gemeinden haben Altersleitbilder. Diese sind oft in die Jahre gekommen und setzen sich mit den älteren Generationen auseinander. Solche Leitbilder definieren die Alterspolitik einer Gemeinde. Also bestimmte Massnahmen die älteren Menschen ein selbstbestimmtes Leben mit hoher Qualität ermöglichen. Viele Gemeinden denken nun neu und wollen Generationenleitbilder erarbeiten. Die Menschen aller Generationen sind im Blick.
UND Generationentandem begleitet zwischen Juni 2022 und Dezember 2023 den Gemeindeverband Hilterfingen, Oberhofen und Heiligenschwendi auf dem Weg zum Generationenleitbild. Im Fokus steht der Prozess und das Miteinander. Eine Spurgruppe mit offiziellen VertreterInnen aus allen drei Gemeinden und aus der Bevölkerung erarbeitet das offizielle Leitbild. Am Freitag, 31. März 2022 laden die drei Gemeinden zum Mitmach-Anlass «zäme redä, zäme läbe» ein.
Für das Generationenleitbild führt UND Generationentandem Interviews mit Menschen aus den drei Gemeinden. Alle Interviews und Beiträge zu «zäme redä, zäme läbe»: hier.
