Lieber David, woher kommst Du?
Geboren bin ich am 12. Juli 1995 in Bern. Nach drei Ortswechseln wuchs ich ab 2002 in Goldiwil bei Thun auf, mitten in der Natur, umgeben von Tieren und mit einer wunderbaren Aussicht auf den Thunersee, was ich sehr schätzte.
Als Neuhinzugezogene hatten es meine Eltern und ich aber nicht leicht. Ich war als Sohn eines konfessionslosen, linksgrünen Frauenpaars der geborene Aussenseiter und erlebte hautnah, was es bedeutet, gemobbt und verprügelt zu werden. Erst ein Schulwechsel nach Thun im Jahr 2006 setzte dieser Leidenszeit ein Ende. Es war eine heilsame Erfahrung, nicht mehr ausgeschlossen zu werden, beim Sport nicht mehr als Letzter auf dem Platz zu stehen, nur weil mich niemand in seiner Gruppe haben wollte.
Plötzlich schienen weder meine Eltern noch mein Glaube eine Rolle zu spielen. Eine neue Welt tat sich mir auf, ich hatte zum ersten Mal im Leben Freunde und Kollegen.
Wo stehst Du im Moment?
Nach meiner Maturität am Gymnasium Thun Seefeld studierte ich an der Hochschule der Künste Bern und schloss im September 2019 meinen Master in «Composition, Arrangement & Theory» ab.
Seither arbeite ich als freischaffender Musiker. Normalerweise würde ich an die 120 Konzerte pro Jahr spielen und auf diese Weise einen Grossteil meines Lebensunterhalts verdienen. Corona hat mir nun im ersten Jahr meiner Selbstständigkeit einen Strich durch die Rechnung gemacht und deshalb freue ich mich sehr, hoffentlich möglichst bald meine Konzerttätigkeit wieder aufnehmen zu können.
Das Berufsleben eines Musikers kann sehr abwechslungsreich und spannend sein. Meine grosse Passion war es schon immer, etwas Eigenes zu kreieren: Bereits das erste Mal, als ich eine Gitarre in der Hand hielt, probierte ich nach wenigen Tönen ein eigenes Lied zu schreiben.
Arrangieren/Komponieren, Gitarrespielen (im Studio und auch live) und Unterrichten füllen meinen beruflichen Alltag aus.
Schon von Kindesbeinen an faszinierten mich neben der Musik auch bildende Kunst, Literatur und Film, und nun habe ich meinen Traum verwirklicht und ein Buch geschrieben. «Giugiu&Roro» ist ein Kinderbuch zu Themen wie Toleranz, Freundschaft, Dazugehörigkeit und Ausgeschlossensein. Einen wunderbaren Beitrag dazu leistete mein Freund Martin Oesch mit seinen liebevollen Illustrationen.
«Giugiu&Roro» diente mir als Inspiration für eine Sammlung Kinderlieder in allen vier Landessprachen. Zum Buch können die Noten dazu gratis heruntergeladen werden, sodass die Lieder in der Schule oder auch zu Hause gesungen werden können.
Grosses Glück hatte ich, dass der Somedia-Buchverlag sofort bereit war, das Buch herauszugeben. Die Geschichte soll generationenübergreifend wachrütteln und bewusst machen, wie wichtig Toleranz ist und wie schlimm es eben sein kann, nicht angenommen zu werden. Meine Vergangenheit hat mich geprägt, deshalb wollte ich dieses Thema aufgreifen. Ich sehe meine literarische und musikalische Arbeit aber nicht als persönliche Katharsis, sondern als wichtige Aufgabe: Toleranz ist in so vielen Bereichen des Lebens gefragt: Rassismus, Diskriminierung, Sexismus und Homophobie gehören leider auch im Jahr 2020 noch zum Alltag. Ich hoffe sehr, mit meinem Projekt zum Nachdenken anregen zu können.
Wohin gehst Du?
Für die Zukunft hoffe ich, mir eine kindliche Freude und Lust am Leben beibehalten zu können und nie damit aufzuhören, mich weiterzuentwickeln. Es ist mir ein Anliegen, mich und mein Handeln stets zu hinterfragen.
Ebenso hoffe ich, mich als Künstler weiterzuentwickeln und mit meinen Projekten Menschen erreichen und berühren zu können.
Auch wenn die Zukunft – gerade im Leben eines Künstlers – sehr ungewiss sein kann, so schaue ich mit viel Optimismus nach vorne und freue mich auf weitere Aufgaben, die mir das Leben stellt.
Annemarie Voss (75) produziert regelmässig Beiträge für für den Verein radio60plus, deren Co-Präsidentin sie ist. Der Beitrag über David Friedli wurde am 16. August 2020 auf Radio BeO ausgestrahlt.