Barbara: Der Schweiz fehlen gegenwärtig etwa 15 000 IngenieurInnen. Eine grosse Nachfrage an Fachleuten mit speziellen Kompetenzen besteht in den Bereichen Mikrotechnik, Informatik, Chemie und Energie, im medizinischen Sektor und in der Baubranche. Am häufigsten werden Elektro- und MaschineningenieurInnen gesucht. Auf der einer Seite wartet also die Arbeitswelt auf gut ausgebildete Leute im technischen Bereich, auf der anderen geistern noch alte Klischees herum, die Maturanden von technischen Studien abhalten wie: Technik ist langweilig, ein Studium in technischer Richtung ist zu anstrengend, Ingenieure sind Eigenbrötler und anderes mehr. Dominic, du erlebst doch Technik ganz anders, als diese Vorurteile einen glauben lassen?
Dominic: Ob ein Studium in technischer Richtung anstrengend ist, kann ich nicht beurteilen. Aber wenn einen etwas interessiert, dann ist es schon gleich halb so anstrengend. Es stimmt, mich fasziniert Technik. Sie entwickelt sich ständig weiter, steht niemals still und eröffnet immer wieder ungeahnte Möglichkeiten und Perspektiven. Neue Erkenntnisse und Erfindungen machen unser Leben reicher, interessanter und oft auch leichter. Ich würde gerne eines Tages mit meiner Arbeit zu solchen Entwicklungen beitragen.
Barbara: Dein Interesse ist eine logische Folge der Leidenschaft, die du schon von Kindesbeinen an entwickelt hast. Gab es in deiner nächsten Umgebung jemanden, der dir als Vorbild diente?
Dominic: Vorbilder hatte ich keine. Inspiriert wurde ich meist während meiner Ferien. Da gab es immer viel zu sehen und zu entdecken. Ich fertigte zahlreiche Bleistiftskizzen und Pläne für grosse Yachten, Flugzeuge und Autos an. Das ging sogar so weit, dass ich mit 12 Jahren Altbundesrat Samuel Schmid einen Brief schrieb. Darin legte ich ihm meinen Lösungsvorschlag für die Verringerung der Lärmbelästigung durch Kampfjets dar, natürlich mit einem sehr detaillierten Plan. Er antwortete mir mit einem freundlichen Brief und schenkte mir eine DVD über die Patrouille Suisse.
Barbara, du hast ein technisches Studium abgeschlossen. War so etwas für die damalige Zeit nicht eher ungewöhnlich? Eine Frau, die studierte, noch dazu eine Studienrichtung, die von Männern dominiert wurde. Wie kam es dazu? Wie hast du das Studium erlebt?
Barbara: In der Welt meiner Jugend war nichts Aussergewöhnliches dabei, dass Frauen technische Studienrichtungen wählten. Ich wuchs im sozialistischen Polen auf. Die Wirtschaft des Landes war damals von der Schwerindustrie geprägt; im Ingenieurwesen lagen gefragte Berufe mit hohem sozialem Ansehen. Mir ist gar nicht in den Sinn gekommen, dass ein technisches Studium für mich als Frau unpassend wäre. Es stimmt zwar, dass an meiner Uni – Akademie für Bergbau- und Hüttenwesen in Krakau – mehr Männer als Frauen studierten, aber gerade an meiner Abteilung für Werkstofftechnik und Keramik betrug der Anteil der Frauen 50 Prozent. Bei der Studienwahl bin ich dem Vorbild einer älteren Freundin gefolgt. Das Studium war anspruchsvoll, sehr zeitaufwändig und lernintensiv, aber meine gute Ausbildung war es mir wert. Eine ähnliche Haltung habe ich bei dir in Bezug auf deine Matura-Arbeit beobachtet: Du hast geplant, überlegt, recherchiert, kommuniziert, analysiert, programmiert, entwickelt, konstruiert – der Umfang deines Projekts war viel grösser als von der Schule gefordert. Ein Team hätte genügend zu tun gehabt mit dem, was du alleine geleistet hast.
Dominic: Der Schlüssel zum guten Gelingen ist eine solide Planung und viel Spass an der Arbeit. Ich hatte ein halbes Jahr Zeit und habe sie so gut genutzt wie ich nur konnte. Zugegeben, in diesem Halbjahr war ich nicht oft in der Badi…
Barbara: In deiner Matura-Arbeit hast du dich mit dem Bau einer Drohne befasst. Jeder Fehler, den du gemacht hast, wurde für dich zur Quelle neuer Erkenntnis – du hast die Ursachen jedes Rückschlags gründlich analysiert. Als du bei der Präsentation deiner Arbeit mit Witz von einem haarsträubenden Crash erzähltest, ist mir eine Formulierung von Paul Scherrer in den Sinn gekommen. In der Begrüssung zu einer Physikvorlesung anfangs des 20. Jahrhunderts erzählte er seinen Studenten, dass die ganze Materie im Universum aus Atomen besteht: «…und wenn Sie mich, meine Damen und Herren, fragen, ob ich ein Atom mit eigenen Augen gesehen habe, so muss ich es leider verneinen…». Es ist eine grosse Gabe, spannend über schwierige Themen zu reden. Wie war das mit deiner zu Boden geflogenen Matura-Arbeit?
Dominic: Es gibt nichts Langweiligeres, als einen Vortrag zu hören, bei dem man nicht ein einziges Mal lachen kann. So schien es mir ganz selbstverständlich, auch über meine Fehlstarts, Abstürze und Enttäuschungen zu sprechen.
Barbara: Dominic, die meisten anderen Maturanden verlieren gar keine Gedanken mehr über ihre vor einigen Monaten angefertigten Maturaarbeiten. Du bist weiter am Werken, weil dein obligatorisches Schulabschlusswerk so aussergewöhnlich ist, dass du mit ihm am 49. Nationalen Wettbewerb «Schweizer Jugend Forscht» teilnimmst.
Dominic: Für mich ist die Matura-Arbeit noch lange nicht abgeschlossen. Momentan beschäftige ich mich mit den Verbesserungsvorschlägen meiner Experten, schreibe Zusammenfassungen und bereite mich auf den Wettbewerb in Davos vor. Anfang Mai ist es so weit.
Dominic Grandjean (18) besucht die Prima mit Schwerpunkt Physik und Anwendungen der Mathematik im Gymnasium Thun. Modellbau und Bogenschiessen gehören zu seinen Hobbys. Seit einigen Jahren spielt er auch Cello. Dominic möchte Elektrotechnik an der ETH Zürich oder Mikrotechnik an der ETH Lausanne studieren. Zuvor wird er die Rekrutenschule absolvieren.
3D-Landschaftsmodell dank Flugdrohne
«Erstellen eines digitalen 3D-Landschaftsmodells mit Hilfe einer selbstgebauten Flugdrohne», das ist der Titel meiner Matura-Arbeit. Was auf den ersten Blick kompliziert erscheint, entspricht meiner Faszination für alles, was fliegt. Was in meiner Kindheit ein bis zur Perfektion gefalteter Papierflieger war, ist heute eine aus Modell-Bauteilen selbst konstruierte Flugdrohne mit 2.2 Metern Spannweite.
Diese Drohne trägt eine Kamera, die während des Fluges Aufnahmen des Geländes unter ihr macht. Mit Hilfe eines Computerprogrammes werden die Aufnahmen ausgewertet und in ein 3D-Modell umgewandelt. Die Bauteile für die Drohne stammen nicht aus einem fertigen Bausatz. Ich wählte sie nach ihren jeweiligen Funktionen einzeln bei internationalen Herstellern aus. Der Zusammenbau dauerte insgesamt eine Woche.
Neben diverser komplexer Technik und Elektronik ermöglicht ein in die Drohne eingebauter und per GPS gesteuerter Autopilot das selbstständige Abfliegen eines grossen Gebietes. Nach den Testflügen konzentrierte ich mich auf das Erstellen der Luftaufnahmen. Dazu entwickelte ich eine besondere Kameraaufhängung. Sie befindet sich im Rumpf der Flugdrohne und wird vom Autopiloten direkt gesteuert. Die Aufhängung schützt die Digitalkamera bei Start und Landung, indem die Kamera komplett in den Rumpf einfahrbar ist. Sie ist in der Lage, die Kameraposition so zu verändern, dass Bildaufnahmen nicht nur senkrecht, sondern aus verschiedensten Perspektiven möglich sind. Eine wichtige Voraussetzung für ein ausdrucksstarkes 3D-Modell.
Während des insgesamt 35-minütigen Abschlussfluges legte die Drohne auf einer exakt definierten und programmierten Route eine Strecke von 13 km zurück, überflog die Fläche eines halben Quadratkilometers und erstellte dabei circa 1500 Einzelbilder. Fast 35 Stunden Rechenzeit brauchte die Spezialsoftware zur Umwandlung der ausgewerteten Daten in ein digitales, detailgetreues 3D-Landschaftsmodell.