
«WhatsApp saugt immer mehr Daten ab» titelt der K-Tipp am 9. Januar 2021 und versetzt WhatsApp-User in Alarmzustand: Geben wir unsere digitale Seele für Werbezwecke her? WhatsApp, ein Unternehmen von Facebook, will Nutzerdaten (zum Beispiel wie oft wir auf WhatsApp sind, wie viele Nachrichten wir pro Tag versenden) für Werbezwecke auf ihren weiteren Plattformen (Facebook oder Instagram) nutzen.
Personendaten und Nachrichteninhalte gehören nicht dazu, denn gemäss EU-Datenschutz-Grundverordnung ist Facebook nicht berechtigt, Personendaten, die es im Auftrag von WhatsApp zur Bearbeitung erhält, für eigene Zwecke zu bearbeiten. «Noch nicht… stimmt das auch wirklich?» sagen sich die Skeptiker und schauen sich nach einer Alternative um, damit sie der «Datenkrake» Facebook entgehen können.
Jedem «Grüppli» seine App?
Ich selbst habe mich daran gewöhnt, mit den meisten Menschen via WhatsApp zu kommunizieren. Ein bis zwei Leute beharren auf SMS. Alle mailen. Signal, Threema, Telegram. Sonst noch was? Am Schluss hat jedes «Grüppli» seine eigene App, ärgere ich mich.

Ich wende mich an Jiri Leva (34), IT-Verantwortlicher bei UND Generationentandem und frage ihn, was denn wirklich an der ganzen Aufregung dran ist und, ob jetzt wirklich «alle Welt» WhatsApp verlässt?
Jiri: Meine Vermutung ist, dass es eine sehr kleine Anzahl von Nutzern gibt, die WhatsApp täglich genutzt hat und es nun tatsächlich löscht. Selbst diejenigen, die Signal oder Telegram herunterladen und nutzen, werden weiterhin WhatsApp verwenden, da dort die meisten Freunde und Familienmitglieder drauf sind. WhatsApp hat zurzeit etwa zwei Milliarden Nutzer, für die sie unentgeltlich einen Server betreiben. Das ist kostspielig und somit müssen weitere Einnahmequellen erschlossen werden. Dies geschieht dann eben mit der Auswertung des Persönlichkeitsprofils der WhatsApp-User, um auf die Zielgruppe abgestimmte Werbung platzieren zu können.
Heidi: …und wenn jetzt viele WhatsApp-Nutzer beispielsweise zu Signal wechseln?
Jiri: Dann werden auch die Leute von Signal früher oder später so weit kommen, dass sie eine Finanzierung für ihre Serverleistungen suchen müssen. Das gilt auch für die übrigen Apps im Angebot. Damit führt der Auszug aus WhatsApp wohl lediglich zu einer Verlagerung des Problems.

Und dann noch etwas: Bei WhatsApp werden die gesamten Chatverläufe automatisch auf ein neues Gerät übertragen. Das ist bei Signal nicht so einfach und könnte technisch wenig versierten Menschen Schwierigkeiten bereiten. Wenn dein Handy mit der Signal-App in der Aare davon schwimmt, dann schwimmen alle deine Nachrichten, Föteli und Videos mit. Falls du nicht genau weisst, wie man die Daten ins neue Gerät migriert, sind sie verloren.
Heidi: Wie schätzest du also die aktuelle Situation ein?
Jiri: Diese neuen Nutzungsbestimmungen setzen wahrscheinlich einen langsamen (Bewusstseins-)Wandel in Gang. Ich schätze, dass WhatsApp im 2021 nur einen geringen Rückgang verzeichnen wird. Wohin die Reise geht, sprich welche App oder welchen Kommunikationskanal wir in fünf Jahren nutzen werden, ist heute noch nicht zu sagen. Aber auch in Zukunft werden Daten für alle Anbieter ein kostbares Gut sein.
Heidi: Welche Kanäle verwendest du persönlich?
Jiri: Ich persönlich mag es nicht, wenn ich allzu viele verschiedene Messenger habe. Mit den meisten Leuten kommuniziere ich weiterhin auf WhatsApp. Mit einigen nutze ich Telegram, mit älteren Menschen oder Bekannten, von denen ich weiss, dass sie nicht ständig online sind, tausche ich mich via SMS aus. Bei Signal finde ich zu wenige Kontakte meines Umfelds und Threema nutze ich gar nicht. Aber wie gesagt: das ist meine Situation heute. Was in fünf Jahren ist, kann ich jetzt nicht sagen.