
Ich kaufe mir jeden Monat fünf neue Kleidungsstücke, obwohl die Schubladen meines Kleiderschrankes schon voll sind. Wenn ich in einer Brockenstube nur etwas «rumstöbere», sehe ich jedes Mal etwas, das anschliessend dann eben nicht in meinen Kleiderschrank passt. Wenn ich am Bahnhof eine halbe Stunde warten muss und mich in einem Geschäft «warmhalte», laufe ich durch die Regale und sehe dieses wunderbare Notizbuch, das meinem Stil komplett entspricht, und dieses Fotoalbum, in dem ich all die Bilder meines Lebens endlich einordnen könnte. Oder diese Farbschachtel mit guten Qualitätsfarbstiften, die völlig überteuert sind. Meistens muss ich mich dazu zwingen, den Laden zu verlassen und in der Kälte auf den Zug zu warten, nur damit ich auch wirklich nichts kaufe, was ich nicht brauche und das dann sowieso in einer meiner überfüllten Schubladen verschwindet.
Einmal im Jahr versuche ich mein ganzes Zimmer auszumisten. Der Tag im Jahr, an dem ich Dutzende von T-Shirts, Pullovern und Jeans in verschiedene Stapel aufteile: «Zieh ich noch an», «Zieh ich nicht an», «Zieh ich zwar nicht an, ist jedoch eigentlich noch hübsch, vielleicht zieh ich es ja doch noch mal an», obwohl ich genau weiss, dass ich das nicht tue.
Zudem finde ich Dinge, die mich an früher erinnern und von denen ich mich sehr wahrscheinlich nie trennen kann. Ich finde Briefe und Geschenke von verlorenen Lieben und falle meistens wieder in ein Loch tiefer Melancholie, weil ich mich an den Schmerz genau erinnern kann und die schöne Zeit mir unglaublich fehlt. Auch von diesen Erinnerungen werde ich mich höchstwahrscheinlich noch lange nicht trennen können.
In diesen Momenten wird mir jedoch bewusst, dass ich nicht Dinge brauche, um mich wohl und geborgen zu fühlen, um glücklich zu sein. Wir kaufen nur «Dinge», die wir eigentlich nicht brauchen, eine schöne Jacke, einen neuen Pullover, ausgefallene Jeans oder teure Unterwäsche, um uns für einen kurzen Moment besser zu fühlen. Um dauerhaft vollkommen zu sein, brauchen wir aber Liebe, Freundschaft und die Familie.
Ich erinnere mich an all die Erlebnisse mit Freunden, als wir uns halb totlachten, einander unterstützten und tolle Ferien erlebten. Ich erinnere mich an die beiden grossen Lieben, die ich verloren habe, in denen ich mich lebendig, unendlich und frei fühlte. Ich erinnere mich an die Familie, die immer da ist, egal, wie ich bin oder welche Laune ich gerade habe.

Und ich denke an die Freiheit, die ich fühle, wenn ich am Strand meines Heimatlandes sitze und in das unendliche Nordmeer blicke, an den Wind, der mein Haar zerzaust, das Salz des Meeres, das ich auf meinen Lippen spüre, das beruhigende Geräusch der umschlagenden Wellen, und an den Sand, der meine Füsse erwärmt.
In diesem Moment bleibt meine Welt kurz stehen und ich bin bedingungslos glücklich und frei.