Es ist mir eine doppelte Last: Zuerst ist es die persönliche Kränkung und dann die der heutigen Gesellschaft. Ich fühle mich wie im Niemandsland.
Da sind die feinen Damen der Zürcher Gesellschaft, sie können nicht anders, selbst wenn sie wollten, für sie bin ich Luft, sie meiden mich. Sie wissen, sagen sie, was sich ziemt für eine Frau, fügen sich in das Korsett der geltenden Regeln und schmücken sich, um zu gefallen. Ihre Federboas auf den Hüten winken kokett jedermann ein «hier bin ich» zu, anstatt ihr Köpfchen darunter zum Nachdenken zu bewegen.
Ich, die Aussenseiterin
Meinen Fehltritt verzeihen sie mir nie, aber es ist doch auch seiner. Sie tuscheln hinter vorgehaltener Hand: «Sie hat Wohlstand und ihren Platz in der feinen Gesellschaft verspielt, es geschieht ihr ganz recht, jetzt muss sie auch die Konsequenzen tragen: Geschieden, allein ohne männlichen Beistand, wovon lebt sie überhaupt? Das könnte uns nie passieren!» Wie kann sie nur? Diese Frauen würden sich verschlucken bei dem Gedanken, dass ich alles verstehe, was Physiker durchdenken. Sie würden in Ohnmacht fallen, wenn sie mich sähen, wie ich mit Formeln um mich werfe als einzige Frau unter Männern ausgerechnet an der Universität. Ja, warum denn nicht?
Mir macht es Spass, Gesetzmässigkeiten herauszufinden, zu knobeln, wie ein Sachverhalt sich mathematisch darstellen lässt. Mein Vater entdeckte meine Neugier und forderte sie heraus. Jetzt ist er allerdings von mir enttäuscht, er macht mir Vorwürfe, ich hätte seine Warnung übergangen, den Eigenbrötler Albert Einstein solle ich nicht heiraten.
Erklär mir Liebe!
Ihn nicht lieben, verehren, der mich mit tausend Küssen zu sich zog. Wir waren jung, übermütig , ich war seine Muse, half ihm über Zweifel hinweg, spornte ihn an, ich warf alle meine mathematischen Kenntnisse in die gemeinsame Waagschale, unbekümmert, was dabei herauskommen würde, wir vertrauten einander ganz natürlich, aber jetzt ist alles aus.
Er beansprucht Ruhm und Ehre für sich und hat mich verstossen, ich war ihm im Weg, mein Leben ist ruiniert, meine Träume verflogen, ich wache auf, zurückgeworfen in den Raster der Gepflogenheiten und als Mutter und Hausfrau. Es bleibt mir mit zwei Kindern auch nichts anderes übrig, besonders wegen dem kranken Eduard, aber es macht mich schwermütig zu wissen, dass sein Vater einfach frei und unbeschwert leben darf, neu anfangen darf ohne die täglichen Pflichten.
Ich ziehe für mich eine traurige Bilanz, aber eines sage ich offen: Seid wachsam ihr Frauen, hütet euren Verstand, denn eure Sehnsucht geliebt zu werden, verbirgt eine Falle, tappt ihr hinein, hilft euch niemand, auch kein Gott.