Was bedeutet ein Jahr Leben in meinem Alter für mich?
Vincent: «Oh bald beginnt schon das Jahr 2019», das war mein erster Gedanke, als einer meiner besten Freunde mich zu einer Silvesterparty einlud. Ich hatte das ganze Jahr nie daran gedacht, dass auf den Tests als Prüfungsdatum bald 19 stehen wird. Es war wohl das erste Mal, dass ich bemerkt habe, das ein Jahr im Fluge vorbeigeht. Seit ich sieben bin, bemerke ich, dass jedes Jahr schneller vorbei zu gehen scheint. In den darauffolgenden sechseinhalb Jahren bestätigte sich meine Entdeckung. Nun kommt mir ein Jahr schon nicht mehr unerreichbar lange vor. D§och noch immer, wenn man davon spricht «in einem Jahr…,» finde ich das eine beträchtliche Zeitspanne, aber es ist ein Ende in Sicht. Ich bin schon sehr gespannt, was ich in 20 Jahren denken werde, wenn ich diesen Text lese, aber das ist ja noch fern!
Telsche: In meinem Alter ist jedes weitere Lebensjahr ein Geschenk mit Schleife. Alles, was im Leben Sinn stiftet und mir intensive Arbeit abverlangt hat, liegt schon lange zurück. Ich schaue zurück und freue mich, dass Ich jetzt jeden Tag gestalten kann, wie ich will. Ich lese ausgiebig Zeitungen und bin neugierig, was in Politik und Gesellschaft gedacht wird, pflege Geselligkeit und halte Kontakt zu meinen Kindern und Enkeln. Ich kenne mich heute besser als mit 20 und bin zufriedener als mit 40 Jahren. Früher habe ich in den Tag gelebt, nicht nachgedacht, wie kostbar Zeit sein kann, jetzt umso mehr. Ich koste meine Tage voll aus, damit ich merke, dass ich lebendig bin. An Sesseln mit Lehne gehe ich vorbei und lebe nach dem Motto: «Du kannst deinem Leben nicht mehr Tage hinzufügen, aber die Tage mit mehr Leben füllen.»
Sollten wir uns überhaupt etwas vornehmen für das neue Jahr?
Vincent: In meiner Familie war das nie ein Thema. Ich fand diesen Brauch erst beim Lesen amerikanischer Bücher heraus. Das führte allerdings auch nicht dazu, dass ich mir etwas vornahm. Ich nehme mir das ganze Jahr etwas vor, aber meistens halte ich es trotzdem nicht ein… Zum Beispiel wollt ich dieses Jahr über die Festtage nicht zu viel essen, doch bisher hatte ich jeden Abend Bauchschmerzen, und mein Sportprogramm hielt ich dieses Jahr nicht mal eine Woche durch. Den einzige Vorsatz, den ich einhielt, war das Prinzip Geist über Körper, doch darüber lässt sich streiten. Ich finde man kann sich etwas vornehmen, aber man muss nicht und man sollte nicht zu streng bzw. zu ernst sein. Man soll Freude daran haben!
Telsche: Oh, ja, das sollten wir, denn es macht Spass, zu träumen und sich etwas auszumalen. Zwischen den Jahren erscheint alles möglich. Wir haben Zeit, zum Pläneschmieden und zum Hoffen, dass wir alles schaffen. Ganz unbeschwert können wir unsere Wünsche in den Himmel wachsen lassen, was daraus wird, steht sowieso in den Sternen. Niemand wird kontrollieren, was wir davon verwirklicht haben. Es ist ein schönes Spiel, bei dem wir uns bewusst sind, dass es doch anders kommt als wir dachten.
Was wünsche ich mir von der Welt für das Jahr 2019?
Vincent: Klar! Den Weltfrieden, gute Wahlen und ein weiteres gesundes Jahr für alle meine Bekannten.
Telsche: Ich zögere, mir etwas zu wünschen, weil die Zeit, wo das wünschen noch half, vorbei ist. Es beunruhigt mich, in welchem Masse und mit welcher Rigorosität wir Menschen unseren blauen Planeten ausbeuten. Wir werden nicht einmal aus Schaden klug, weil wir immer wieder in unserem eigennützigen Denken gefangen bleiben. In dieser Lage hat das hohe Gut demokratischen Denkens einen schweren Stand.
Es tröstet mich allein, dass der Mensch ein kreatives Wesen ist und hoffentlich in der Lage sein wird, sich etwas in Politik und Wirtschaft einfallen zu lassen, damit die Welt bewohnbar bleibt. Ich wünsche mir für die dafür Verantwortlichen Fantasie und Erfindergeist, damit wir anderen in Frieden leben können.