«und»

«und» das Generationentandem

  • online
  • print
  • live
  • festival
  • about
  • Gesellschaft
  • Meinung
  • Politik
  • Kultur
  • Generationentalk
  • Kontakt
  • Team
  • Medien
  • Abo
  • Mitgliedschaft
  • Newsletter
  • Mitmachen

Ein Paar will sich befreien

Manche bauen mit Gewohnheiten und mit Vorurteilen seelische Mauern um sich herum. Sie schränken ihre Freiheit ein und scheitern in Beziehungen, statt ihren eigenen Weg zu gehen. Wie können wir zu mehr Freiheit und Liebe finden? Eine weise betagte Frau gab einem Paar Tipps.

Freitag, 20. September 2019 Jürg Krebs (74)
 Facebook  Twitter  WhatsApp  E-Mail
Ein Paar auf der Suche nach einem Wegweiser. – Bild: Jürg Krebs.

Gudrun lebte auf zu grossem Fuss und hatte Schulden. Sie konnte sich einfach nicht bremsen, sondern musste täglich etwas kaufen – meistens Kleider oder Schmuck. Ihr Freund Pedro hingegen war ein Asket, der sich kaum etwas gönnte. Dieser Unterschied führte oft zu Streit. Die beiden besuchten deshalb eine Weise und wollten von ihr wissen, wer was ändern müsse in seinem Verhalten. Sie antwortete kurz: «Nichts.»

Die beiden machten grosse Augen. Die Alte ergänzte: «Euer Verhalten zu ändern, wäre eine oberflächliche Anpassung, die ihr schnell wieder aufgebt. Euch selbst ändert ihr damit nicht. Beobachtet so oft wie möglich eure Gefühle, Impulse und Gedankengänge, ohne sie zu beurteilen. Mehr ist nicht nötig.» Etwas verunsichert ging das Paar wieder fort.

Erste Erfolge

Nach einiger Zeit kamen die beiden wieder zur Weisen. Gudrun erzählte, ihr sei bewusst geworden, dass sie oft unzufrieden sei mit sich selbst und sich folglich mit unnötigen Käufen aufzumuntern versuche. Kaum sei sie aus einem Geschäft, bereue sie ihr Handeln bereits, und dann gehe es ihr noch schlechter.

Pedro hatte festgestellt, dass er bisher besser sein wollte als Gudrun und darum möglichst nichts kaufte. Er habe sich also nichts gegönnt, um seinem Ego zu schmeicheln, dabei aber Gudrun geschadet. Zudem sei er etwas knausrig. Nun wolle er Gudrun die Schulden bezahlen. Sie schüttelte traurig den Kopf und weinte.

Er verstand nicht, was jetzt wieder falsch gelaufen war, denn er hatte beabsichtigt, ihr eine Freude zu machen. Schliesslich sagte sie: «Du stellst dich wieder über mich. Ich zahle meine Schulden selbst. Ich kann das jetzt.» Pedro errötete und sagte: «Entschuldige mich bitte. Ich kenne mich immer noch zu wenig.» Darauf meinte Gudrun: «Ist okay. Beobachten wir uns weiter. Ich bin nicht nur unzufrieden wegen dir. Ich muss noch herausfinden, woher meine Unsicherheit kommt.» Die Weise gab ihnen Mut: «Ihr seid auf der richtigen Spur. Beobachtet euch weiter und schreibt eure Vorurteile auf.»

Bewusster gelebt

Nach drei Monaten besuchten sie erneut ihre Beraterin. Pedro wirkte entspannt und sagte: «Ich habe erkannt, dass ich mit meinem Überlegenheitstick und vor allem mit dem Beurteilen von Gudrun wie eine Wand zwischen ihr und mir aufgebaut habe. Die ist jetzt zum Glück weg. Ich liebe sie und kann mich selbst auch besser akzeptieren.»

Gudrun bestätigte, dass die Liebe zurückgekehrt sei. Manchmal bemerke sie, dass sie in ein Schaufenster hineinstarre und müsse dann unmittelbar lachen. Das Lachen entspanne sie sofort. Sie habe die vielen Kleider und Schuhe, die sie ohnehin nie mehr getragen habe, sowie den Modeschmuck einem Händler verkauft. Nun habe sie wieder die Übersicht in den Schränken sowie über ihre Finanzen und sei erleichtert. Weil das so gut gewirkt habe, wolle sie die neutrale Selbstwahrnehmung beibehalten, denn sie möchte sich selbst noch besser kenne lernen.

Pedro stimmte zu. Er gehe jetzt schon lockerer mit seinen Schülern um und entdecke bei ihnen mehr Qualitäten als vorher. Beobachten, ohne zu verurteilen, werde ihm sicher die Augen für die Wirklichkeit noch weiter öffnen. Auch über sich lachen zu können, erheitere seinen Alltag wunderbar.

Die Weise schmunzelte und sagte: «Bleibt vorurteilslose Beobachter. Eure innere Freiheit wird wachsen und eure Liebe zu euch und euren Mitmenschen wird selbstverständlich werden.» Sie wollten der Weisen etwas schenken, aber diese sagte fröhlich: «Ihr habt mich bereits beschenkt: Mit eurem Vertrauen und eurem Mut, euch selbst kennen zu lernen.»

Beitrag von:

Jürg Krebs (74)

ist ein rüstiger Tänzer und ein geistig altersfreier Flaneur.

Unterstütze «und» das Generationentandem!
Mehr über unsere Spendenmöglichkeiten erfahren
Jetzt Spenden

Themen

GesellschaftKolumne

Mehr «und» in deiner Mailbox. Erhalte einmal pro Monat die wichtigsten Neuigkeiten per E-Mail.

Das könnte dich auch interessieren:

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar

Abbrechen

Intern | «und» das Generationentandem © 2019 | Impressum & Datenschutz