Dieser Artikel erschien am 8. März 2019 im «Thuner Tagblatt»
In einem Café erzählen Manuel Lopez und Rilana Stöckli konzentriert von den Erlebnissen der letzten Wochen und ihrem gemeinsamen Einsatz in Paris. Die beiden Thuner fühlten schon lange den Drang, sich für die Allgemeinheit einzusetzen. Doch besonders für Manuel Lopez, der heute als selbstständiger Fotograf arbeitet, war es gar nicht so einfach, eine sinnvolle Anlaufstelle zu finden, wo er sich konkret für Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind, einsetzen kann. «Die vielen Krisen, mit denen wir heutzutage konfrontiert sind, gehen mir teilweise sehr nahe. Leider springen einen die wirklich sinnvollen Chancen, etwas zu tun, nicht einfach so an», sagt der 23-Jährige, der unter anderem auch für das «Thuner Tagblatt» fotografiert. Zeitzeuge zahlreicher Krisen zu sein und nicht helfen zu können, so konnte es für ihn nicht weitergehen. Auf der Suche nach einer Möglichkeit, die für ihn sinnvoll zu sein schien, traf Manuel Lopez im Austausch mit Bekannten auf den Verein Kune Aid (siehe Kasten). Durch seinen Freundeskreis kam er mit Rilana Stöckli in Kontakt, die seit Anbeginn von Kune Aid in der Schweiz im Jahr 2016 zum aktuell elfköpfigen Team des Vereins zählt. Nachdem die 24-jährige Psychologiestudentin bereits im September 2018 für einen ähnlichen Einsatz nach Paris gereist war, plante sie einen weiteren für den Februar. Da kam Lopez’ Anfrage genau richtig. Die beiden nahmen Kontakt auf, und schon hatte Manuel Lopez die Möglichkeit, einmal ganz konkret Hilfe und Unterstützung leisten zu können.
Mit 75 Schachteln nach Paris
Noch nicht lange ist es her, dass sich der Fotograf einen neuen Van angeschafft hat. Ursprünglich aus der Idee heraus, darin zu wohnen. Als es aber um die Reise nach Paris ging, war der Van noch nicht umgebaut. Optimal, denn die gut 75 Schachteln voller Männerkleider, die vom Spendendepot in Zürich und vom Sonnenhaus in Köniz, an dem Kune Aid mitbeteiligt ist, gesammelt wurden, konnten so problemlos nach Paris transportiert werden.
Mithilfe des Vereins Refy wurde die Lieferung im Van verstaut, und die beiden machten sich auf den Weg in die französische Hauptstadt, wo sie die Kleider in einer Lagerhalle des Projekts Paris Refugee Ground Support deponierten. Bereits im September hatten Rilana Stöckli und Lisa Kurt von Kune Aid mit dem Refugee Ground Support zusammengearbeitet.
Einsätze in der Nacht
Tagsüber sortierten Lopez und Stöckli die Kleider, Schlafsäcke und die Decken, die in der Lagerhalle des Ground Support gelagert werden. Die eigentlichen Einsätze nahmen sie dann nachtsüber in Angriff. Gegen 23 Uhr machten sie sich mit einem Lieferwagen auf den Weg und suchten die Stellen, wo sich Flüchtlinge die Nacht hindurch aufhalten. «Einige findet man auf Lüftungsschleusen, wo die warme Luft der Metro abfliesst», sagt Rilana Stöckli. Den Flüchtlingen verteilten die beiden hauptsächlich Decken und Schlafsäcke. Eine Erfahrung, die vor allem Manuel Lopez unter die Haut ging, wie er später erzählt:
«Für mich war das Zudecken der Flüchtlinge, die dort abgemagert und frierend liegen, vor allem zu Beginn sehr eindrücklich. Es ist schon ein sehr spezielles Gefühl, wenn man einen Menschen auf der Strasse mit einer Decke zudeckt.»
Manuel Lopez
«Darüber reden tut gut»
Anblicke, wie sie Rilana Stöckli und Manuel Lopez in Paris zu Gesicht bekommen haben, sind nicht alltäglich. «Geflüchtete auf der Strasse in Paris sind nicht mit Obdachlosen in der Schweiz vergleichbar », sagt Stöckli. In Paris treffe man auf Menschen, die wirklich gar nichts mehr haben, die die Stadt nicht kennen und in gefährlichen Gegenden übernachten. Bilder, die nicht einfach so an einem abprallen.
«Es braucht schon eine gewisse Zeit, bis man wieder hier im Alltag angekommen ist»
Rilana Stöckli
Rilana Stöckli ist froh, dass sie auch innerhalb des Vereins Kune Aide über die Erfahrungen in den erschiedenen Einsätzen sprechen kann. Auch während der nächtlichen Verteilungen kamen spezielle Gefühle auf. Angst hätten die beiden allerdings nie verspürt. «Klar ergreift einen ein gewisses Unbehagen, wenn man mitten in der Nacht unter eine dunkle Brücke geht, unter der es nach Urin stinkt», sagt Lopez. Zu unangenehmen Vorfällen sei es aber nie gekommen. «Wir haben gute Gespräche mit den Leuten auf der Strasse geführt. Man darf nie vergessen, dass man auf Menschen wie du und ich trifft», sagt Rilana Stöckli und nimmt einen Schluck aus der Limo, die vor ihr steht. Beide wissen, dass es nicht der letzte Einsatz war, den sie für Flüchtende geleistet haben. Vom Glück und vom Privileg, an einem Ort zu leben, an dem man am Nachmittag in Frieden in ein warmes Café sitzen kann, möchten sie auch zukünftig etwas weitergeben.
Was macht Kune Aid?
Das Hilfswerk Kune Aid wurde 2016 gegründet und zählt elf Mitglieder. Sie leisten regelmässig Einsätze für Menschen auf der Flucht im In- und Ausland. Nebst Paris war Kune Aid auch in Griechenland oder Slowenien unterwegs. Der Verein organisiert auch Projekte in Bern, wie das wöchentlich stattfindende Fussballtraining «Kune kickt». Auf Kuneaid.org schalten die Mitglieder regelmässig Infos zu den aktuellsten Projekten auf. So gibt es beispielsweise in Zusammenarbeit mit der Hilfsorganisation Be Aware and Share einen Spendenlauf am Grand Prix Bern 2019, für den sich alle anmelden können. Ebenfalls engagierte sich Kune Aid am Open Air Gampel für das Projekt #NoTentWaste. Im Engagement der Non-Profit-Organisation steht die Zusammenarbeit mit vielen weiteren Hilfsorganisationen im Vordergrund. Kune Aid ist auch am Sonnenhaus Köniz mitbeteiligt, wo jeden Samstag von 13 bis 16 Uhr Kleiderspenden entgegengenommen werden.
Kune Aid schreibt regelmässig in einen Projektblog. Auch über den Einsatz in Paris.
Spenden: IBAN CH58 8148 8000 0074 4744 6, Kune Aid, 3004 Bern.