Freiwilligenarbeit heisst: freiwillig Zeit und Geld zugunsten von Menschen ausserhalb des eigenen Haushalts oder zugunsten von Organisationen zu investieren, und zwar ohne nennenswerte Entschädigung. Für das Funktionieren der Schweiz, für die Gesundheit der Bevölkerung und der Landschaft ist Freiwilligenarbeit von unschätzbarem Wert. Sie will gut beobachtet, gepflegt und gefördert werden. Ohne Freiwilligenarbeit wären in der Schweiz viele Aufgaben und Aktivitäten von Vereinen, nichtstaatlichen Institutionen sowie soziale Hilfeleistungen nicht möglich. Was, wenn dieses Engagement, wie oft befürchtet, einbrechen sollte? Wie viel würde dem Staat und auch jedem einzelnen Einwohner verloren gehen?
Freiwilligen-Monitor: Gradmesser für Freiwilligenarbeit
Rund alle fünf Jahre wird der Freiwilligen-Monitor Schweiz erhoben, initiiert von der Schweizer Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG). Zur Trägerschaft gehören auch das Migros-Kulturprozent, die Beisheim-Stiftung sowie 30 weitere Partnerorganisationen. Die Erhebung zeigt Entwicklungen der Freiwilligenarbeit auf und bietet damit Verbänden, Vereinen, Heimen, Kirchen und Hilfswerken, die darauf abstellen, eine Grundlage für die Planung. Ausserdem ist der Monitor ein Gradmesser der sozialen Beziehungen in der Schweiz: wie viele Menschen helfen anderen in welcher Form freiwillig mit Zeit und Spenden?
Der Monitor erscheint nun zum vierten Mal. Er basiert auf Zahlen aus dem Jahr 2019 und widerlegte bereits vor Corona die oft gehörte These, dass Freiwilligenarbeit rückläufig sei. In der Corona-Zeit hat sie tatsächlich sichtbar zugenommen. Die Anzahl geleisteter Stunden und beteiligter Menschen pro Jahr ist stabil geblieben, doch verschiebt sich das Engagement etwas weg von Sportvereinen hin zu Themen wie Umwelt, Spiel und Hobby.
Freiwilligenarbeit = Arbeit ohne Lohn?
Die Definition von Freiwilligenarbeit als Arbeit ohne Lohn greift zu kurz. Wohl ist die Arbeit unbezahlt, der «Lohn» besteht jedoch aus Wertschätzung für die geleistete Arbeit, oft aus Erlernen neuer Fähigkeiten und aus dem Vergnügen, mit Gleichgesinnten etwas Sinnvolles für andere zu tun. 70 Prozent der 5002 befragten Personen gaben denn auch Spass als häufigsten Grund für ihr freiwilliges Engagement an. Damit nicht genug: Freiwillig arbeitende Personen sind gesellschaftlich gut integriert. Sie haben sogar mehr Vertrauen in ihre Mitmenschen entwickelt und gehen eher auf fremde Menschen zu, wie der Freiwilligen-Monitor Schweiz aufzeigt.
Formelle und informelle Freiwilligenarbeit
Übernimmt man als Freiwillige oder Freiwilliger bestimmte Aufgaben in Vereinen oder anderen Organisationen, so spricht man von formeller Freiwilligenarbeit, beispielsweise als Trainer im Sportverein oder als Koch oder Köchin am Mittagstisch des Quartiervereins. Informelle Freiwilligenarbeit dagegen geschieht ausserhalb von Organisationen und vermehrt im privaten Rahmen von Familie oder Nachbarschaft. Sie ist nicht minder wichtig, denn hier liegt der Schwerpunkt bei Betreuungsarbeiten von Kindern, Kranken und Betagten. Hier sind besonders viele ältere Menschen, insbesondere beim Enkelhüten, sowie Frauen aller Altersgruppen aktiv.
Potenzial Freiwilligenarbeit
Es sind 61 Prozent der Schweizer EinwohnerInnen, die nicht oder vielleicht aus Zeitmangel noch nicht freiwillig arbeiten oder spenden. Wie der Freiwilligen-Monitor nachweist, fehlt es nicht an grundsätzlicher Bereitschaft. Ist entsprechend Zeit und natürlich auch genügend Geld für Freiwilligkeit vorhanden, muss die Arbeit vor allem Spass machen und Begegnung mit tollen Menschen bieten. Sind regelmässige Arbeitszeiten erforderlich, passt dies nur selten; projektbezogene Einsätze finden dagegen Anklang. Für die Rekrutierung gilt zudem: Freiwillige möchten von leitenden Personen angefragt und überzeugt werden. Entgegengebrachte Wertschätzung für Fachwissen oder die eigene Person ist oft sogar ausschlaggebend.
Während Corona zeigen sich jetzt neue und teils erstaunliche Formen von gegenseitiger Hilfsbereitschaft und Anteilnahme. Gute Aussichten also für die nächste Ausgabe des Freiwilligen-Monitors Schweiz: Hoffen wir auf noch mehr Freiwillige, um künftigen gesellschaftlichen Herausforderungen mit innovativen Lösungen begegnen zu können.
Auf einen Blick: Freiwilligen-Monitor Schweiz 2020, M. Lamprecht/A. Fischer/H. Stamm, Seismo, 2020
– 2019 wurden 5002 Personen befragt
– Entwicklung der Freiwilligenarbeit in der Schweiz ist stabil
– 39 Prozent der Schweizer Bevölkerung ab 15 Jahren leisten formelle Freiwilligenarbeit
– 46 Prozent der Schweizer Bevölkerung leisten Betreuungsarbeit