Einen Text lesen und verstehen, ist nicht immer einfach. Lange oder verschachtelte Sätze bedeuten für viele Menschen eine unüberwindbare Hürde. Um allen Menschen die Möglichkeit zu geben, am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können, müssen Vorschriften, Gesetze, Anweisungen, Verhaltensregeln und noch vieles andere gut verständlich und zielgruppengerecht formuliert werden.
Unterschieden wird dabei in «Einfache Sprache» und «Leichte Sprache». Die «Einfache Sprache» richtet sich hauptsächlich an Menschen mit einer Lese- und Schreibschwäche oder mit geringen Deutschkenntnissen. Diese Formulierungen bestehen aus übersichtlichen Texten mit kürzeren Sätzen und in einfacheren Worten. Auf Fremdwörter und komplexe Satzgefüge wird möglichst verzichtet.
Ziel der «Leichten Sprache» ist es, Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung die aktive Teilhabe an unserer Gesellschaft zu ermöglichen. Der Aufbau der Sätze unterliegt klaren Richtlinien. Verschiedene Organisationen und Vereine in der Schweiz haben die Regeln dazu definiert. Die «Leichte Sprache» zeichnet sich durch kurze und einfache Sätze aus. Verwendet werden ausschliesslich Wörter des Grundwortschatzes. Auf Fremdwörter oder zusammengesetzte Wörter wird verzichtet, längere Wörter werden mit Bindestrich geschrieben. Für gleiche Dinge sollen immer die gleichen Wörter verwendet werden. Jeder Satz steht in einer gut leserlichen Schrift linksbündig auf einer eigenen Zeile. Verwendet wird die Gross- und Kleinschreibung.
Das Prüfteam im Einsatz
In der Stiftung SILEA (Stiftung für integriertes Leben und Arbeiten) bilden Christian Oppliger, Monika Aegerter und Jeannine Merz das Prüfteam für die «Leichte Sprache». Ihre Aufgabe ist es, die Verständlichkeit von Texten zu prüfen und wenn notwendig zu vereinfachen.
Als Vorbereitung für das Prüfteam versuchte Vreni von Känel, mit Unterstützung von Marianne Hügli, Teamleiterin Wohnen SILEA, zwei Abschnitte des Textes «Teilhabe» von Christof Trachsel in die «Leichte Sprache» zu übersetzen. Komplexe Sätze auf das Wesentliche zu reduzieren und in «Leichte Sprache» zu transferieren, ist anspruchsvoll. Es zeigte sich deutlich, dass Vrenis Vorstellungen einer «Leichten Sprache» für das Prüfteam immer noch ziemlich unverständlich waren. Die einzelnen Sätze mussten wesentlich vereinfacht und auf einige wenige Kernaussagen reduziert werden.
Die Prüfung der Texte gestaltete sich so, dass Christian einen Abschnitt laut vorlas und bei jedem Satz erklärte, ob er das Gelesene verstanden hat. Wenn er stockte und wenn Worte für das Prüfteam unklar waren, besprachen alle gemeinsam den Satz und suchten nach Verbesserungen oder Vereinfachungen. Die Diskussion wurde so lange weitergeführt, bis alle mit der Formulierung des Satz einverstanden waren. Anschliessend wechselten wir die Rollen; Monika und Jeannine lasen die nächsten Abschnitte.
Das Ergebnis
Die ersten zwei Abschnitte des Textes von Christof Trachsel, Geschäftsleitung SILEA, zu den Aspekten der Teilhabe von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen wurden gemeinsam mit dem Prüfteam in die «Leichte Sprache» umformuliert:
Teilhabe ist …
«Wir stärken Menschen darin, ihre Rechte und Pflichten möglichst selbstbestimmt und kompetent wahrzunehmen.» Leitbild SILEA
Ursprünglicher Text | «Leichte Sprache» |
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Dabei sein, Teil einer Gemeinschaft und Gesellschaft sein. | Als Mensch lebe ich mit vielen anderen Menschen zusammen. |
Sein Leben selbstbestimmt und eigenverantwortlich gestalten. | Ich gestalte mein Leben selber. Ich übernehme Verantwortung für mein Leben. |
Sich wahrgenommen und ernst genommen fühlen. | Ich will bemerkt werden. Ich will ernst genommen werden. |
Diese Grundbedürfnisse hat wohl jeder Mensch – mit und ohne Beeinträchtigung. Doch nicht alle Menschen sehen diese Grundbedürfnisse in ihrem Leben so einfach erfüllt. | Ich will mein Leben selber bestimmen. Manchmal ist das schwierig. |
Soziale, kulturelle, sprachliche und gesundheitliche Ursachen können die persönliche Teilhabe erschweren. | Das Leben ist schwierig, wenn ich nicht lesen kann. Das Leben ist schwierig, wenn ich nicht sprechen kann. Das Leben ist schwierig, wenn ich nicht verstehe, was ich lese. |
Ebenso persönliche Überzeugungen, besondere Verhaltensweisen, Beeinträchtigungen oder Unwissen, Unsicherheiten und Vorurteile anderer Menschen. | Ich darf sein, wie ich bin. Andere Menschen dürfen mir nicht sagen, was ich machen soll. |
Der erschwerte Zugang ist stets das Resultat einer Wechselwirkung zwischen dem Menschen, seinen Aktivitäten und der Umgebung. | Ich weiss, was ich kann. Ich weiss, was ich machen will. |
Persönliche Teilhabe entsteht nicht einfach so. Es ist ein Zusammenspiel verschiedener Komponenten um die Person selbst als fühlendes und handelndes Individuum im eigenen Raum, in der Gemeinschaft und in der Gesellschaft. | Ich habe Gefühle. Ich bin gern mit Menschen zusammen. Ich bestimme selber. Andere Menschen dürfen mich unterstützen. |
Bilder: Hans-Peter Rub