
Bilder: Archäologisches Institut
Die Gletscherarchäologie ist ein Spezialgebiet der Archäologie, das sich mit Fundstücken befasst, die in Gletschern eingeschlossen waren und beim Auftauen des Eises freigelegt wurden. Die aufgetauten Artefakte, welche durch die Gletscherschmelze zum Vorschein kommen, sollen vor Umwelteinflüssen gerettet werden. An wenigen Orten in der Schweiz ist die fortschreitende Erderwärmung so drastisch sicht – und spürbar wie in den Alpen.
Der Klimawandel führt hier dazu, dass die Gletscher immer kleiner werden, Firn-und Eisfelder abschmelzen und sich die alpine Permafrostgrenze nach oben verschiebt. Dieser Prozess hat sich in den letzten Jahren markant beschleunigt und greift nun in Bereiche ein, die auch sehr altes Eis umfassen. Seit langem gibt dieses schwindende Eis bis anhin überdecktes Gelände frei. Dadurch hat sich ein neues Berufsfeld – die Gletscherarchäologie – entwickelt.

«Schnidi»
Der Hitzesommer 2003 läutete die Geburtsstunde der Schweizer Gletscherarchäologie ein. Auf dem immer schwächer beschneiten Schnidejoch, einem Gebirgspass zwischen den Kantonen Wallis und Bern, tauchte die Haube eines jungsteinzeitlichen Bogenfutterals auf. Dann eine Bronzenadel, Lederhosen und Schuhe, ein Köcher, Pfeile und ein Bogen.
Obwohl der Besitzer der Dinge verschollen blieb, hatte die Schweizer Öffentlichkeit doch ihren «Schnidi»! Die Archäologen gewannen eine Fundstelle, um die sie ausländische KollegInnen bis heute beneiden. 900 Funde aus der Jungsteinzeit, der Bronzezeit, der Eisenzeit, der Römerzeit und dem Mittelalter kamen zum Vorschein. Das Schnidejoch ist archäologisch einzigartig im Alpenraum. Es erzählt uns Geschichten aus der Zeit vom Neolithikum (Jungsteinzeit)bis zum Mittelalter.

wird mit dem Helikopter ins Tal gebracht.
Schätze aus dem Eis
Durch «Ötzi» ist bekannt, welche archäologischen Schätze im Gletscher liegen können. Nicht alle Funde sind so spektakulär wie diese Eismumie, die unser Verständnis für die Lebensumstände unserer Vorfahren grundlegend geändert hat. In vielen Fällen handelt es sich bei den Eisfunden um fragmentarische organische Reste (Textilien, Leder,Holz), die in tiefer gelegenen Orten üblicherweise nicht erhalten geblieben wären. Nebst Mumien und Textilien tauchen auch technische Funde in den Alpen auf wie zum Beispiel Teile von Flugzeugen. Im November 1946 ist am Gauligletscher bei Innertkirchen eine amerikanische Militärmaschine abgestürzt, bekannt als C-47 Dakota.
Im Juli 2012 gibt der Gauligletscher einen Propeller der «Dakota» frei.Drei junge Bergsteiger aus der Gegend entdecken ihn. Sie kennen die Geschichte des Flugzeugabsturzes seit ihrer Kindheit und können kaum fassen, was sie gefunden habe. Seither ist die Geschichte der «Dakota» im Gauli zu neuem Leben erwacht. Heute ziert der Propeller das Tourismusbüros in Innertkirchen. Letztes Jahr wurden weitere grössere Wrackteile durch die Schweizer Armee geborgen. Es bleibt spannend, denn es werden weitere Funde erwartet. Der Rumpf des Flugzeuges ist noch nicht aufgetaucht.
Etwas im Eis gefunden?
- Wenn du als AlpinistIn oder WanderIn einem Schatz aus dem Eis begegnest, solltest du diese Punkte beachten: Objekt/e wenn möglich nicht anfassen/bergen
- Objekt/e und Kontext/e fotografieren
- Lokalisieren (GPS, Karte)
- Den Ort markieren, damit er wiedergefunden werden kann
- Kantonsarchäologie informieren–bei menschlichen Resten auch die Polizei
Die «Konferenz der Schweizer Kantonsarchäologinnen und Kantonsarchäologen» (KSKA) erstellt zurzeit eine Informationswebsite mit Informationen, was getan werden muss, wenn Wanderer und Alpinisten auf Gletschern oder Eisfeldern auf archäologisch interessante Funde stossen. Gemäss dem Denkmalpflegegesetz des Kantons Berngehören grundsätzlich alle zutage tretenden Funde dem Kanton, ob es nun der prähistorische Pfeilbogen des «Schnidi»ist oder der Propeller der Dakota. Das gilt gemäss dem Schweizerischen Zivilgesetzbuch für alle Funde.Infolge der fortschreitenden Erderwärmung und der damit verbundenen Schmelze der Gletscher werden in den nächsten Jahren noch mehr spannende Eisfunde erwartet. Damit das seltene Gut weitere Jahre, ja sogar Jahrzehnte erhalten bleibt, ist die fachgerechte Bergung nicht unwichtig. Auch die Laien können dazu einen wichtigen Beitrag leisten.