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Gruppendruck kontra Individualität

In welchen Kreisen verkehren wir? Welche Rolle spielt die Familie beim Erwachsenwerden? Wie gehe ich mit Gruppendruck um? Ein Generationentandem tauscht sich aus.

Freitag, 19. Februar 2021 Andreas Steinmann (76)Stephanie Bühlmann (20)
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Die Familie und Schulzeit

Andreas Steinmann (76): Wie ich mit Gruppendruck umgehe, hat natürlich viel damit zu tun, in welchen Verhältnissen ich aufgewachsen bin. Ob in der Familie immer alles zu haben war oder nicht. Ich bin in einfachen Verhältnissen aufgewachsen und hatte gar nicht gross die Wahl, mit den andern mitzuhalten. Gruppendruck hin oder her. Wenn ich bei einem Klassenkameraden zu Hause mit seiner elektrischen Eisenbahn spielen durfte, war das für mich schon das höchste der Gefühle. Als mir meine Gotte einmal zum Geburtstag eine Uhr schenkte, stolzierte ich wie ein Pfau in der Schule damit herum. Diese Uhr war sozusagen mein Alleinstellungsmerkmal. Dem Lehrer gefiel das gar nicht. Er wollte, dass ich die Uhr wieder ablege.

Stephanie Bühlmann (20): Klar kommt es auf die Verhältnisse an, in denen man aufwächst, und auch wie spendierfreundlich die Familie ist. Meine Familie hatte den Grundsatz, dass man das, was man kaufen wollte, auch selbst bezahlen musste. Dies schützte uns vor dem Gruppendruck ein wenig; wir mussten mehr abwägen, ob wir etwas kaufen wollten oder nicht. Ich bekam auch Taschengeld, mit dem ich machen konnte, was ich wollte.

Anders, aber Teil der Gruppe – Bild: Martin Rüedi

Das soziale Umfeld

Stephanie: Meine Freunde waren immer sehr gechillt drauf. Bei uns musste niemand sich gross anpassen. Wenn uns jemand sympathisch war, waren sie bei uns immer willkommen. Ich hing öfters mit Jungs rum, was mich zu einem Teil auch beeinflusste. Ich mochte ihren unkomplizierten Umgang mit Problemen und auch mit Trends. Während die Mädchen einem Modetrend nach dem anderen nachjagten, war bei uns wichtig, wer welche Sammelkarten hatte und wer spielen konnte. Aber wenn jemand sich keine Karten kaufen konnte oder wollte, gaben wir ihm jeweils einen Stapel, damit auch er oder sie mitspielen konnte. Bei diesen Sammelkarten handelte es sich um Karten von «Yu-Gi-Oh!», ein Spiel vom gleichnamigen Anime, das bei uns ziemlich beliebt war. Es kommt sehr auf die eigenen Freunde an, wie sich jemand entwickelt. Ich mochte es, mit meinen Freunden zu diskutieren und auch mal unterschiedlicher Meinung zu sein.

Der Umgang mit Gruppendruck

Andreas: Als junger Erwachsener hinkte ich merkwürdigerweise dem Gruppendruck immer irgendwie hinterher. Als lange Haare bei den Männern gross in Mode waren, kam ich erst auf die Idee, lange Haare zu tragen, als diese Mode schon wieder im Abklingen war. Auch die Mode ging an mir eine Zeitlang einfach vorbei, ohne dass ich gross mitmachte. Die Menschen, mit denen ich damals viel zusammen war, akzeptierten mich, so wie ich war.

Hier doch noch ein Beispiel, wie ich mich einmal dem Gruppendruck beugte. Ich rauchte leider eine Zeitlang ziemlich viel, gewöhnte es mir als 19-Jähriger aber mühsam wieder ab. Und jetzt kommt’s, liebe Stephanie: Obschon ich aufgehört hatte zu rauchen, genügte eine gesellige Runde unter jungen Leuten, die alle rauchten, um nach Monaten des Nichtrauchens wieder damit anzufangen. «Chumm itz, nimm doch eifach eini, das macht emu nüüt!», hörte ich von allen Seiten, und schon war ich wieder mittendrin in meiner Sucht. Erst als 30-Jähriger gewöhnte ich mir das Rauchen endgültig ab. So viel zum Thema Gruppendruck.

Stephanie: Ich habe glücklicherweise nie gross einen Gruppendruck gespürt. Ich mochte es, anders zu sein. Mich an etwas anzupassen, mit dem ich nichts anfangen konnte, gefiel mir gar nicht. Daher fällt es mir auch schwer, nachzuvollziehen, warum es einigen so wichtig ist, was andere von ihnen halten. In meiner Schulzeit gab es den Gruppendruck noch nicht so fest. Da war es nicht wichtig, welche Kleider du trägst oder wie dünn du bist ist. Man liess sich in Ruhe und hing mit den Menschen rum, die man mochte. Dies änderte sich ein wenig in der Jugendzeit, als jeder seine Zugehörigkeit suchte und ich mich «entscheiden» musste, zu wem ich gehören wollte.

Nur einmal habe ich einem Gruppendruck nachgegeben, und zwar als das Smartphone Einzug hielt ins «normale» Leben. Eigentlich wollte ich vor meinem achtzehnten Lebensjahr kein Handy. Aber in der ersten Oberstufe wurde es immer wichtiger, eins zu besitzen, da wichtige Informationen immer öfters per WhatsApp ausgetauscht wurden. Als ich 15 war, fragte ich meine Eltern um Erlaubnis, ein Handy kaufen zu dürfen. Mein erstes Handy war aber keineswegs ein iPhone oder sonst was Angesagtes. Ich brauchte es ja nur, um WhatsApps lesen zu können. Zu dieser Zeit wurde es auch immer wichtiger, welche Handymarke du hattest und welchen Status diese mit sich brachte. Mit einem iPhone oder Samsung warst du ziemlich angesagt. Du zeigtest, was du dir leisten konntest oder, in meinem Fall, was die Eltern bereit waren, zu zahlen. Ich habe mein Huawei und die Handyrechnung immer selbst bezahlt.

Die eigene Meinung

Andreas: Wir sind doch alle darauf stolz, eine eigene Meinung zu haben. Diese kommt aber immer im Austausch mit anderen Meinungen zustande; wir werden beeinflusst. Täglich werden wir zum Beispiel mit Werbung bombardiert. Unser Smartphone ist die bessere Wahl! Leisten Sie sich einen neuen Wagen! Wir präsentieren Ihnen die neuste Mode-Frühjahrskollektion! Der unwiderstehliche Duft für den Mann! Gruppendruck auch hier. Irgendwie dazugehören möchten wir doch alle. Ich bin überzeugt: Welche Kleider du anziehst, welche modischen Artikel du kaufst usw., bestimmst du nur zum Teil selbst. Ist meine Meinung wirklich immer die eigene? Werde ich nicht manipuliert? Meine eigene Meinung bildet immer nur einen Aspekt ab. Deshalb sollte ich sie auch immer wieder auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen. Dass ich den richtigen Weg einschlage, liegt schliesslich bei mir. Und trotzdem: Unter Umständen merke ich erst viel später, dass die eigene Meinung doch falsch war.

Beitrag von:

Andreas Steinmann (76)

Zuerst Schriftsetzer gelernt, später auf geprüfter Korrektor umgesattelt. Hobbies: Singen im Gospelchor Schönau, Projektchöre; Jazz, Blues und klassische Musik hören. Bärndütsch vorlesen, selber Geschichten schreiben, Mitarbeit in der Kirche, Hörspiel-Mitarbeit bei Radio 60 plus, Lesen.

Stephanie Bühlmann (20)

Immer Up to date in Sachen Politik, Technologie, Videospiele auf allen Plattformen und allgemeines Weltgeschehen. Diskutiere gerne über verschiedene Themen oder philosophiere übers Leben. Alles hat Platz, wenn man bereit ist Platz zu schaffen. :)

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