Am 24. August 2023 hatten wir am Nachmittag – nach einem leckeren Lunch im Gemeinschaftsraum – die spannende Gelegenheit, das Karthago Wohnprojekt, das sich selber «Grosshaushalt» nennt, an der Zentralstrasse 105 in Zürich zu besichtigen. Dieses innovative Projekt bietet Platz für insgesamt 53 Bewohnerinnen und Bewohner, die in verschiedenen Wohngemeinschaften (WGs) leben. Unsere Gruppe erhielt einen detaillierten Einblick in die Struktur und die Besonderheiten dieses beeindruckenden Projekts.
Vor über 20 Jahren bildete sich aus etwa 8 engagierten Personen eine Planungsgruppe. Martin Lassner, einer der Verantwortlichen, erklärte uns, dass das Team das Projekt mit einem Budget von rund 4 Millionen Schweizer Franken umgesetzt hat. Das Hauptziel bestand darin, eine Grossküche im Erdgeschoss einzubauen, in der professionelle Köchinnen täglich von Montag bis Freitag köstliche Mahlzeiten zubereiten.
Die Philosophie des Projekts zeichnet sich durch einen pragmatischen Ansatz aus. Ein beeindruckendes Ergebnis dieser Denkweise ist das Abendessen-Angebot: Für nur 10 Franken können Bewohnerinnen und Bewohner am Abendessen teilnehmen. Auszubildende zahlen lediglich die Hälfte, also 5 Franken, während Kinder bis 11 Jahre sogar kostenlos essen können.
Das Projekt legt grossen Wert auf soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Es gibt eine Mietreduktion von 150 Franken pro Monat für Kinder, und auch Personen, deren Miete ein Drittel ihres Einkommens überschreitet, können von einer Reduktion profitieren. Diese Bemühungen tragen dazu bei, eine vielfältige Gemeinschaft zu schaffen, in der unterschiedliche Lebenssituationen berücksichtigt werden.
Die Wohnungen sind auf die verschiedenen Etagen aufgeteilt: Im vierten Geschoss befinden sich Sechs-Schlafzimmer-WGs mit 3 Bädern, im dritten Geschoss Vier-Schlafzimmer-WGs und im zweiten Geschoss Zehn-Schlafzimmer-WGs. Die 4-Zimmer-WGs verfügen nur über ein Bad, jedoch gibt es eine zusätzliche Dusche mit Toilette im Erdgeschoss, die gerne genutzt wird, wenn jemand pünktlich aus dem Haus muss.
Eine Besonderheit bei Karthago ist der geringe Grad an Regelungen: Zum Beispiel gibt es keine vordefinierten Belegungsvorschriften für die Wohnungen – und trotzdem weist Karthago eine gute altersmässige Durchmischung auf. Ein anderes Beispiel: Es gibt keinen Zeitplan für die Nutzung der beiden Waschmaschinen – und trotzdem kommen die Waschfrauen und Waschmänner konfliktfrei aneinander vorbei.
A propos konfliktfrei: Neben den Köchinnen für die Grossküche handelt es sich auch beim Reinigungspersonal für die Gemeinschaftsräume um bezahlte, externe Personen. Damit werden langwierige Diskussionen und Streitereien ums «richtige Putzen» vermieden, die eine selbstorganisierte Reinigung durch die GenossenschafterInnen unweigerlich mit sich bringen würden. Aus dem gleichen Grund haben offenbar auch die meisten WGs Reinigungspersonal eingestellt. Wie klug!
Ein besonderes Highlight ist die Dachterrasse mit Blick über Zürich, der Innenhof und der schöne Tanzsaal, der vielfältig genutzt und vermietet wird, zum Beispiel auch für Yoga.
Insgesamt bot die Exkursion zum Karthago Wohnprojekt uns nicht nur Einblicke in ein innovatives Wohnkonzept, sondern zeigte auch, wie durchdachte Planung und soziales Engagement eine Gemeinschaft stärken können. Wir danken dem ETH Wohnforum für die Möglichkeit, diese inspirierende Initiative näher kennenzulernen.
Facts und Figures
Genossenschaft Karthago Zürich: Generationenwohnen für alle Lebensphasen
– Bezugsjahr: 1997
– 1 Gebäude, 9 Wohneinheiten auf 5 Stockwerken
– 53 BewohnerInnen, alle Alterstufen
– Gesamtwohnfläche: 1’396 m²
– Gemeinschaftsflächen: ca. 200 m²
– Art der kollektiven Räume: Grossküche, Ess-Saal, Dachterrasse, Werkstatt, Waschküche, Velokeller, «Kiosk»
(Lebensmitteldepot), Musikraum