Wo «Licht» aufscheint…
Licht ist ein Naturphänomen – eines der wichtigsten; da erstaunt es nicht, dass es auch mannigfache geistige, symbolische Bedeutungen annimmt. Denen sei zunächst anhand gängiger Redewendungen nachgegangen.
Das Augenlicht: unsere Fähigkeit zu sehen, gar unser Bewusstsein. Wir richten unsere Aufmerksamkeit (heute gern: den Fokus) auf etwas, und es wird wohl verständlich: bei Lichte besehen – im Licht, etwa, der neuen Forschungen – geht uns ein Licht auf? Erkenntnis tut sich auf, vielleicht sogar Wahrheit: Wir meinen etwas ins rechte Licht zu rücken, können aber auch ein schlechtes Licht auf etwas – auf jemanden werfen; und handkehrum selber in ein schiefes Licht geraten. Wir suchen Licht in Sachen zu bringen; forciert: etwas ans Licht zu zerren; es mag auch anscheinend selbst ans Licht kommen: Da geht’s um Aufklärung (auch im philosophischen Sinn), um besseres Wissen. Wir können dann jemandem ein Licht aufstecken: Wir fördern Einsicht, gegen Widerstände: von denen, die das Licht scheuen oder uns hinters Licht führen wollen. Optimistisch heisst es: «Es ist nichts so fein gesponnen, es kommt doch ans Licht der Sonnen» – gilt vorweg für hinterlistige, ja kriminelle Vorhaben.
Das Gute und Schöne sollte überwiegen. Es beginnt damit, dass wir das Licht der Welt erblicken. Und der Mensch trägt’s in sich: Er soll sein Licht nicht unter den Scheffel stellen – seine Intelligenz; freilich gebe es auch solche, die kein grosses Licht, kein Kirchenlicht seien.
… am Ende des Tunnels
Von da nun zu jener Formel, die weit ins Geistige führen kann: dem «Licht am Ende des Tunnels». Zunächst ein durchaus konkretes Bild, doch meist ein Sinnbild für Hoffnung, Umschwung, Befreiung, Erlösung. Wer in einer Krise steckt, sehnt sich danach, deren Ende abzusehen; die Anzeichen mögen klein sein, aber sie wachsen – mit dem Fahren des Zugs.
Immer steht das Licht der Finsternis entgegen. Die können wir in banalen Lebenssituationen ausmachen, in Schwierigkeiten, Krankheit, Armut – doch auch generell im menschlichen Dasein. Damit befassen sich Philosophie, Religionen, Literatur; auf einige Vorstellungen möchten wir eingehen.
Licht im Christentum
Licht und Erleuchtung gehören wohl für alle Religionen zu den ausdrucksfähigsten Symbolen. Sie stehen für Gott und sein Wirken.
«Das Urwesen, Gott, ist reines, wesenhaftes Licht, Ur-Licht, weil es im höchsten Masse seiend und gut ist.» Der Theologe Bonaventura, er lebte im 13. Jahrhundert, hat die neuplatonischen Gedanken des Ur-Lichtes christlich umgeformt.
«Und Gott sprach: Es werde Licht ! Und es wurde Licht.» (Gen 1, 3). Das Licht, das die Dunkelheit und die ihr innewohnenden Bedrohungen überwindet, ist das erste Schöpfungswerk, das Leben erst ermöglicht. In der Bibel ist das Licht Symbol der Freundlichkeit, Gnade und des Lebens. Die Finsternis dagegen ist der dem Menschen gefahrvolle Raum, der ihn an die ständige Gegenwart des Todes und der Gottesferne erinnert.
Im Christentum hat das Licht eine grundlegende Bedeutung. Jesus spricht :
«Ich bin das Licht der Welt, wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern das Licht des Lebens haben.»
Vielleicht hat die biblische Metaphorik von Dunkel und Unfreiheit, Freiheit und Licht – Finsternis und Entrechtung, Recht und Sonne am weitesten gewirkt, weil sie die religiöse Bedeutung am wenigsten nötig hat.
In der Geschichte der Spiritualität und der christlichen Mystik begegnen uns unzählige Bilder, die den Kontrast von Licht und Finsternis aufnehmen. Zum Beispiel Hildegard von Bingen berichtet : «Das Licht, das ich schaue, ist an keinen Ort gebunden, es ist unendlich heller als eine Wolke, die die Sonne trägt.»
Eine Erzählung von Kafka
Der grosse Prager Schriftsteller Franz Kafka (1883 bis 1924) stand zwar in jüdischer Tradition, legte jedoch ein durchaus persönliches Weltbild dar. Eindrücklich sein Gleichnis «Vor dem Gesetz» (das auch im Roman «Der Prozess» enthalten ist). Das Gesetz hat Türen, und durch eine solche möchte der Mann vom Land eintreten; er wird aber vom Türhüter – und in Wahrheit wohl von sich selber – ständig daran gehindert. Bis, kurz vorm Sterben, «sein Augenlicht schwach wird» – und: «Wohl aber erkennt er jetzt im Dunkel einen Glanz, der unverlöschlich aus der Türe des Gesetzes bricht.» Da wäre wohl die Erleuchtung, die Erlösung in ein höheres Sein – denken wir –, zugleich das Ziel, dem alle zustreben. Kafka hütet sich, uns dieses zu erklären. Eine Illusion vielleicht? Allerdings erhält die Hoffnung einen fürchterlichen Dämpfer: Der Türhüter wird die Türe schliessen, die einzig diesem Mann offengestanden hätte. Das ist wohl die pessimistische Variante eines Heils-Versprechens, wie es uns oft angeboten wird.
Buddhismus
Die Hoffnung findet sich in der Vorstellung vom Leben nach dem Tod wieder; Licht heisst da wohl: Der Weg geht weiter! Nicht alle teilen die Ansicht von einer Transformation des Lebens – oder von der Wiedergeburt; bei dieser sind sich Buddhisten jedoch einig, dass deren Kreislauf – «Samsara» – eine leidvolle Erfahrung ist.
Irène Bumbacher hat vor über 30 Jahren in Japan Zen-Meditation zu praktizieren begonnen. Später lernte sie Vipassana- und Mettameditation und unterrichtet nun selbst.
Irène Bumbacher: Dieser Zyklus ist effektiv leidvoll. Wenn wir weiterhin unseren weltlichen und gesellschaftlichen Vorstellungen anhaften, entsteht Leid. Wenn wir aufhören, uns mit unserem Verstand zu identifizieren, ist innere Freiheit zu finden. Demnach lässt sich eine lichtvolle Erfahrung im gegenwärtigen Moment erleben. Der Geist kann sich über das Schmerzvolle im Leben erheben.
Was ist deine Vorstellung vom Tod?
Ich habe keine Sicherheit, wie das sein wird. Doch wie ich das in meiner Meditationspraxis erlebe, erfahre ich weniger Leid, je mehr ich loslasse. Und da wir dies beim Sterben wohl im grossen Mass tun werden, habe ich Zuversicht, dass wenig Leid entstehen wird.
Welche Rolle spielt Licht im Buddhismus?
Gerade in tibetisch-buddhistischen Traditionen spricht man von Licht als Orientierungspunkt, einem Wegweiser beim Sterben. Im 1300 Jahre alten tibetischen Testament wird dies als «klares Licht» beschrieben, dessen Wahrnehmung das Sterben erleichtern soll. Aus Respekt Buddha gegenüber werden auf Altären Kerzen angezündet, sie verkünden die Ausrichtung auf das Erwachen. Aus dem dunklen, verblendeten Zustand in einen klaren, lichtvollen zu gelangen ist das Ziel.
Ist dieser Zustand von einem bestimmten Glauben abhängig?
Ob im christlichen oder buddhistischen Glauben: Bei einem Menschen im Gebet oder in der Meditation fällt das Egozentrische, Selbstbezogene weg. Der Weg dorthin unterscheidet sich jedoch. Wo der christliche Mensch um Gnade bittet, läuft beim Buddhisten ein direkter psychologischer Prozess ab.
…nahe am Tod
Die Nahtod-Erfahrung wurde von zahlreichen Sterbeforschern wie Raymond A. Moody untersucht; dieser beschreibt eine Vielzahl von Erfahrungen, die Betroffene regelmässig haben – hier einige davon:
- Bewegung durch einen langen, engen Tunnel – Licht am Ende des Tunnels.
- Die betroffene Person befindet sich plötzlich ausserhalb ihres Körpers und nimmt ihre Umgebung wahr.
- Zeitlose Rückschau über das eigene Leben.
- Die Person wird von Licht umhüllt und bekommt das Gefühl umfassender Freude, Liebe und des Friedens.
- Neue Sicht auf den Tod: Personen, die immer Angst vor dem Tod hatten, sind nun entspannt und furchtlos, setzen sich mit philosophischen Fragen auseinander.
«Das war wohl eine Nahtod-Erfahrung»,
erzählt ein Mitglied
von UND Generationentandem:
Nach einem langen Sturz durch ein steiles Schneecouloir «erwache» ich und frage mich: «Ist das nun der Tod?» und «Hat es im Himmel Geröll?». Ich sehe mich selbst auf Geröll sitzend. Dann überkommt mich ein wohliges, sympathisches Gefühl. Ich befinde und sehe mich im Licht. Es ist warm gelb mit einer dunkeln Vignette. Ich fühle mich geborgen, umschlossen von Frieden und Ruhe. «Ist Sterben so einfach und schmerzlos?» Von Todeskampf keine Rede. Irgendwann träume ich die Szene vom Sturz nochmals. Dann folgt kurz eine detaillierte Szene aus meinem Leben in Afrika.
An einen vollständigen Lebensrückblick erinnere ich mich nicht, so wie er oft beschrieben wird. Ich habe kein Zeitgefühl. Es fühlt sich lange an. Bis die ersten anderen Tourengänger bei mir ankamen, vergingen vielleicht 30 Minuten. Sie fanden mich schwer verletzt.
Das Licht ist für mich nicht die wesentliche Erfahrung. Vielmehr brachte es mir die Gefühle, beim Tod keine Schmerzen haben zu müssen, friedvoll anzukommen. Sie lassen hoffen: Sterben wird nicht schlimm. Nach wie vor kann ich mir aber das «Nichts» nach dem Tod nicht vorstellen. Nach diesem Interview hoffe ich, wieder mehr Gelassenheit aus dieser Erfahrung ziehen zu können.