
Als ich anlässlich der Ausstellung «foreveryoung» im Generationenhaus Bern gefragt wurde, was ich unbedingt noch erleben möchte, gab ich zur Antwort: «Ich möchte noch meine eigene Wasserurne herstellen.» Dieser Wunsch war in mir aufgetaucht, als mir meine Wohnpartnerin Marlise Willareth (69) erzählte, sie habe für den verstorbenen Mann ihrer Freundin eine Wasserurne gestaltet. Diese Urnen bestehen aus Naturmaterialien und lösen sich im Wasser allmählich auf.

Mir war schon längst klar, dass ich kremiert werden will. Einen Abschied, während dem man zusehen kann, wie die Urne sich auflöst und die Asche mit dem Wasser davonfliesst, stelle ich mir als schlicht und zum Anlass passend vor. Was von der Natur ist, wird der Natur zurückgegeben.

Marlise war sofort mit dabei. Wir verabredeten uns mit der diplomierten Keramikerin Nathalie Heid (41), die sich auf die Herstellung von Wasserurnen spezialisiert hat, in ihrem Laden im Länggassquartier in Bern. Wir betraten den hellen Raum, der gleichzeitig als Werkstatt dient. Da stehen wunderschöne Wasserurnen aus hellem Porzellan. Mir stach aber sofort eine Urne in der Form eines Steins ins Auge. So eine sollte es sein! Auch Marlise beschloss, eine Urne in Steinform herzustellen. Nathalie Heid erklärte uns, dass der ganze Prozess ungefähr drei Wochen in Anspruch nehmen werde, verteilt auf drei Termine.

Bei nächster Gelegenheit spazierte ich an die Zulg in Steffisburg und suchte nach einem Vorbild für meine Urne. Ich fand einen handlichen kleinen Stein und nahm ihn mit.
Am ersten Termin arbeiteten wir intensiv. Zuerst begaben wir uns ins Untergeschoss, wo sich das ganze Material befindet. Marlise arbeitete dort weiter und ich hatte meinen Arbeitsplatz oben im Laden. Zeitweise war ich dort ganz allein beschäftigt und lauschte dazu Musik von Johann Sebastian Bach. Ich war total glücklich und in feierlicher Stimmung.

Im Gespräch mit Nathalie Heid erfuhren wir mehr über ihren speziellen Beruf:
Frau Heid, wie kamen Sie auf die Idee Wasserurnen herzustellen?
Als ich im Jahr 2009 die erste Urne für einen verstorbenen Freund herstellte und für die Abschiedszeremonie eine Naturbeisetzung im Wasser vorgesehen war, entstand bei mir die Idee der auflösbaren Wasserurne. Der ganze Vorgang wurde als sehr stimmungsvoll und schön empfunden. Menschen, die zugegen gewesen waren, kamen später auf mich zu und bestellten dasselbe für sich. So entstand mein Geschäftsmodell. Heute läuft es gut.
Da sich die Urne auflöst, sowohl im Wasser als auch bei einer Beisetzung im Erdreich, muss sie nicht geöffnet und dann die Asche verstreut werden, was für einige Leute eine Hemmschwelle bedeutet. Zudem muss danach keine leere Urne nach Hause getragen werden.
Wie lange dauert es, bis sich die Urne auflöst?
Wenn der Asche vor Ort Wasser beigegeben wird, geht es schnell, vielleicht eine halbe Stunde. Sonst kann es je nach Material bis zu zwei Stunden dauern, in der Erde natürlich länger.
Ist das nicht Umweltverschmutzung?
Die Urne besteht lediglich aus Naturmaterial. Die Asche ist ebenfalls völlig ungiftig, denn während der Kremierung bei sehr hohen Temperaturen verdampfen kritische Stoffe wie Medikamente oder Quecksilber.
Was für Leute kommen zu Ihnen?
Das sind Menschen, die jemanden zu verabschieden haben, oder solche wie ihr, die sich mit der eigenen Endlichkeit auseinandersetzen und vorsorglich handeln wollen. Einmal gestaltete eine krebskranke Frau mit letzter Kraft ihre eigene Urne. Mit dieser Frau zusammenzuarbeiten, war für mich ein tief berührendes Erlebnis. Als die Urne zum Abholen bereit war , starb die Frau. Zum grossen Teil kommen die Angehörigen direkt in mein Atelier, um sich für diesen besonderen Anlass am Wasser eine individuelle Urne auszusuchen. Ich darf auch Bestatter beliefern, die meine Urnen in ihr Sortiment aufgenommen haben.
Führen Sie mit trauernden Menschen Gespräche über den Tod?
Da ich ein Angebot zum «Tabu»-Thema Tod führe, sprechen wir oft über tiefe Traurigkeit, über den Abschiedsschmerz. Ich bestärke die Menschen darin, diese Gefühle nicht zu verdrängen. Sie sind dankbar, dass sie sich mit mir ganz «normal» darüber unterhalten können. Über die eigene Endlichkeit zu sprechen ist wichtig. Die Akzeptanz der Begrenztheit kann sogar dazu führen, dass wir uns dem Leben bewusster zuwenden.

Als es dann soweit war, dass wir die Urnen abholen konnten, war das für mich schon ein etwas eigenartiges Gefühl. Ich stellte mir vor, wie meine Angehörigen die Urne an den Ort der kleinen Zeremonie tragen würden, mit ungefähr zwei Kilo zusätzlichem Gewicht.
Daheim angekommen, legte ich «meinen Stein» an einem prominenten Platz in mein Regal. Jedes Mal, wenn ich ihn betrachte oder abstaube, denke ich daran, wie wenig Platz das braucht, was von meinem Körper übrigbleibt.