UND
Wir treffen Matthias Jungo, Co-Direktor (40) von der Caritas Bern, der seit Januar 2018 die Co-Leitung übernommen hat. Er kannte den Verein UND das Generationstandem noch nicht und war überrascht, was unser Verein alles anbietet. Er sieht auch Parallelen zur Caritas. Beide sind sinnstiftend und alle Generationen können von den Vereinen profitieren.
Herr Jungo, können Sie uns etwas über Ihren Werdegang, den Verein Caritas und über die Angebote erzählen?
Soziale Nonprofit-Organisationen haben mich schon immer interessiert und ich war fünfeinhalb Jahre als Geschäftsführer im Bereich Arbeitsintegration in Freiburg tätig. Die Stelle bei der Caritas Bern sprach mich sofort an. Heute leite ich gemeinsam mit Dalia Schipper die Caritas Bern mit den drei Standorten Bern, Thun und Biel. Die Caritas ist fast in jedem Kanton ansässig. Der Schweizer Hauptsitz ist in Luzern. Die integrativen Angebote zur Armutsbekämpfung beinhalten die Bereiche der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und sprachlichen Integration. Die KulturLegi zum Beispiel gewährt Menschen mit kleinem Budget Rabatte auf Angeboten aus Kultur, Sport und Bildung und in den Caritas-Märkten vergünstigte Produkte für den alltäglichen Alltag. Voraussetzung ist, dass die Personen nachweislich am oder unter dem Existenzminimum leben. Die Caritas Bern bietet den Comprendi-Dolmetscher Dienst für die sprachliche Verständigung an. Wir sind auf Spenden und finanzielle Hilfe angewiesen.
Können Sie etwas über den Ursprung der Caritas und die heutige Caritas Bern erzählen?
Der Caritasverband wurde 1897 in Deutschland gegründet mit dem Ziel, Menschen in Not zu unterstützen. In den Nachkriegsjahren betätigte sich die Caritas im Versand von Hilfsgütern und im Wiederaufbau von sozialen Diensten und Einrichtungen in Deutschland und im Ausland. Die römisch-katholische Kirche hat einen diakonischen Auftrag zur Armutsbekämpfung und sozialen Verantwortung. Caritas bedeutet christliche Nächstenliebe und Wohltätigkeit. Da wir keinen weiteren Zuschlag für die Ausschreibung im Asylwesen bekommen haben, müssen wir leider das Team per Ende Jahr 2020 von 130 auf 30 MitarbeiterInnen reduzieren.
Was für weitere Angebote bieten Sie noch?
In der Freiwilligenarbeit engagieren sich Menschen ehrenamtlich für andere Menschen. Zum Beispiel mit dem Paten-Tandem «Mit mir», wo benachteiligte Kinder eine Art Gotti oder Götti erhalten. Die Themen «Migration» und «Alter» spielen bei uns eine wichtige Rolle, wo es unter anderem um Pensionierungs- und Gesundheitsfragen geht. In der Arbeitsintegration unterstützen wir Menschen bei der beruflichen Reintegration.
Es hat 1,2 Millionen armutsgefährdete Menschen in der Schweiz.
Wer ist vorwiegend betroffen und was müsste sich ändern?
Das grösste Armutsrisiko besteht für Alleinerziehende und Senioren. Die Vereinsamung und der Verlust des gesellschaftlichen Rahmens sind weitere Problemfelder. Die Caritas Bern bietet einerseits finanzielle Unterstützung, andererseits soll das Miteinander und das Wohlbefinden mit dem «Mit mir» oder dem Lotsenprojekt, welches Möglichkeiten bietet, zusammen Kultur und Sport zu geniessen, gefördert werden. In den Caritas-Märkten und bei der KulturLegi haben wir sehr wenig ältere Kundschaft, obwohl sie berechtigt wäre, hier zu profitieren. In den letzten Monaten mit Corona sind die Themen Armut und Solidarität wichtiger geworden. Durch die Sammelaktion Glückskette können wir Menschen, welche aufgrund von Covid-19 in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind, mit Gutscheinen für den Caritas-Markt helfen und direkte finanzielle Unterstützung leisten. Zudem müsste viel mehr politisch etwas unternommen werden.
Können Sie uns etwas zu den freiwilligen MitarbeiterInnen sagen?
Freiwillige MitarbeiterInnen unterstützen MigrantInnen in ihren Alltagssituationen. Die Motivation der Freiwilligen ist sicherlich das Bedürfnis, der Gesellschaft etwas zurückzugeben und etwas Sinnvolles zu tun. Ohne die freiwilligen HelferInnen könnten wir die meisten unserer Angebote nicht anbieten.
Was macht den Erfolg der Caritas Bern aus?
Der erste und wichtigste Erfolgsfaktor sind unsere Mitarbeitenden, die unheimlich engagiert sind, gerade in dieser schwierigen Zeit. Wir arbeiten alle äusserst intrinsisch (um unserer Aufgabe selbst willen) und ja, auch sinnstiftend.
Wir kommen aus dem Kanton Bern und Luzern und engagieren uns im Projekt UND Generationentandem. Wie ist die Zusammenarbeit der Caritas Bern und Luzern?
Die Caritas-Märkte, die KulturLegi, der Dolmetschdienst und der Internetauftritt sind in der Caritas Bern und Luzern identisch. Wir sind juristisch eigenständige Organisationen, haben einen eigenen Vorstand und eine eigene Geschäftsleitung. Im Gegensatz zur Caritas Luzern haben wir beispielsweise keine Schuldenberatung. Schliesslich kann man sagen, dass alle Caritas-Organisationen einen gemeinsamen Auftrag haben, nämlich die Armutsbekämpfung.
Was sind eure Visionen für die Caritas in den kommenden Jahren?
Unser Fokus bei der Caritas Bern liegt nun mehr auf kleineren, aber ebenso wichtigen Themen und auch auf einem neuen Auftreten in der Öffentlichkeit. Mit neuen Positionen wollen wir zeigen, wer wir sind und dass wir über Armut aufklären. Wichtig ist zudem die gute Zusammenarbeit mit der Kirche.
Erinnern Sie sich an ein Erlebnis, welches Sie berührt hat?
Während des Lock Downs haben wir in der Familie angefangen, füreinander Brot zu backen und dieses an unsere Nachbarn zu verschenken. Das war ein tolles Gefühl. Was mich auch freut, ist die Aufbruchstimmung in unserem Team, nach der eher schwierigen Phase der letzten Monate. Wir erleben die Veränderung als Motivationsschub und freuen uns auf die Zukunft. Ich wünsche mir, dass wir füreinander einstehen, nur solidarisch können wir als Gesellschaft wachsen.