Marianne: Liebe Alena, im März 2020 hast du Mexiko bereist. Ich war 1986 in Yucatan und habe schöne Erinnerungen. Bestimmt ist heute vieles anders. Mich interessieren deine Eindrücke und Erlebnisse sehr.
Cancun war damals bereits ein Ferienort, jedoch gab es nur wenige Hotels und wunderbare Strände, wo wir stundenlang der Küste entlang spaziert sind. Wie hast du Cancun erlebt?
Alena: Liebe Marianne, in Mexiko angekommen, war die Orientierung nicht so einfach. Ich und mein Freund David (22) sprechen beide kein Spanisch und wenn, dann nur ein paar Satzfetzen. Cancun wurde uns als das Las Vegas von Mexiko angepriesen. Uns wurde auch gesagt, dass alle dort Englisch verstehen – dem war nicht so! Nachdem ich ein paar Wochen zuvor in Las Vegas war, würde ich diese beiden Orte nicht miteinander vergleichen. Einzig die sogenannte Hotelzone hat gewisse Ähnlichkeiten mit bunten Schildern und den Bars.
Wir selbst wohnten aber in einem Airbnb etwas abseits des ganzen Trubels. Einen Strand kilometerweit entlangzugehen, stelle ich mir sehr schön vor. Viele Strände sind hier privatisiert oder nur an bestimmten Stellen zugänglich. Wunderschön war es trotzdem!
Marianne: Damals lernte ich viele neue Speisen kennen und genoss die mexikanische Küche. Anlässlich eines Nachtessens stand auf der Speisekarte «Steak mit Marihuana». Obschon ich nie Drogen konsumiert habe, war ich neugierig zu erfahren, was da wohl serviert wird. Siehe da, der Teller kam mit einem Steak und darauf ein rauchendes Häufchen Hanfpflanzen.
Als Schweizerin hat es mich natürlich beeindruckt, dass dunkle Schokolade bei den Maya als Speise der Götter gepriesen wurde. Welche Erfahrungen hast du mit der Kulinarik gemacht?
Ich muss sagen, mir schmeckt normalerweise schwarze Schokolade nicht so, aber das war noch einmal etwas anderes.
Alena Lea Bucher
Alena: Die mexikanische Küche hatte ich mir etwas anders vorgestellt. Nachdem ich in der Schweiz und auch in den USA einige Male «mexikanisch» gegessen hatte, musste ich feststellen, dass sie in Mexiko andere Gewürze verwenden und auch anderes Gemüse.
Ich bin ein grosser Fan von Schokolade und deshalb auch an dieser «Götterspeise» interessiert. Wir besuchten einen Workshop und stellten ganz traditionell selbst Schokolade her. Ich muss sagen, mir schmeckt normalerweise schwarze Schokolade nicht so, aber das war noch einmal etwas anderes. Die getrockneten Kakaobohnen mahlten wir auf einem heissen Lavastein. Mit der Zeit wurden die geriebenen Bohnen ganz weich und schliesslich zu einer dickflüssigen Masse. Nach und nach gaben wir dann Gewürze wie Pfeffer, Chilly und etwas Zucker dazu. Zwischendurch durften wir probieren. Die Schokolade wird traditionell von Frauen hergestellt und mit Milch getrunken.
Marianne: Wenn ich ein Land besuche, interessieren mich immer die Bevölkerung und ihre Kultur. Das Weltbild der Maya mit den drei Bereichen Himmel, Erde und Unterwelt fand ich besonders spannend. Ich erfuhr, dass die Maya Blut als Sitz der Seele und als Götterspeise betrachteten. Leider führte dies zu grausamen Opferritualen. Die Informationen über die schrecklichen Opferzeremonien hatten mich sehr erschüttert.
Beeindruckend fand ich die hervorragenden astronomischen Kenntnisse der Maya. Sie müssen hoch entwickelte Mathematiker und Astronomen gewesen sein. Astronomie hatte auch einen gewaltigen Einfluss auf ihre Architektur. Bauwerke wurden nach Tagen der Winter- und Sommernachtswende, Tagundnachtgleiche ausgerichtet. Der präzise Kalender, ein Abbild zyklischer Sonnenaktivität, zeugt von unglaublichem astronomischem Wissen. Die Religion und das tägliche Leben, wann Feste stattfanden, Zeremonien und Kriegszüge, wurde durch astrologische Daten bestimmt.
Erstaunlich fand ich auch, dass die ältesten Schriftglyphen, welche ungefähr 800 Zeichen umfassten, der präklassischen Periode der Maya zugeordnet werden und aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. stammen. Während der präklassischen Periode mit grossem Bevölkerungswachstum entwickelten sich die Dörfer zu Stadtstaaten und die Herrscherelite entstand.
Alena: Da konnte ich gleich auch noch etwas Neues lernen! Du hast das Thema «Himmel und Erde» angesprochen. Auf einem Ausflug zu einer Cenote lernte ich, dass Cenoten der Zugang zur Unterwelt sind. Cenoten sind Kalksteinlöcher, welche durch den Einsturz einer Höhlendecke entstanden sind und mit Süsswasser gefüllt wurden. Sie gelten als heilig, weshalb wir, bevor wir sie betreten durften, ein Ritual mit einem Schamanen mayanischer Abstammung durchführten. Durch das Ritual wurden wir gereinigt. Da die Quelle von den Einheimischen nach wie vor genutzt wird, nahmen auch wir eine Dusche. Wir seilten uns dann in die Cenote ab und durften das kalte Wasser geniessen. Ich erfuhr ebenfalls, dass Bäume eine Verbindung zwischen Unterwelt und Himmel darstellen. Die Götter oder Geister (ich bin mir nicht mehr ganz sicher) wandern durch die hohlen Bäume auf und ab.
Marianne: Ja, der Weltenbaum oder «Wacah Chan» stützt den Himmel und die Wurzeln sind in der Unterwelt verankert. Die Götter wohnen in der Unterwelt oder im Himmel. Die Menschen leben auf der viereckigen, flachen Erde. Die Seelen können jedoch, gemäss den Vorstellungen der Maya, in die Unterwelt und den Himmel wandern. Dieses Symbol der natürlichen und übernatürlichen Welt hatte mich damals beeindruckt.
Ausflüge nach Chichen Itza und Tulum sind unvergesslich. Wie hast du die Kultur der Maya erlebt?
Inzucht war auch ein grosses Thema zu dieser Zeit, Menschen mit Behinderung wurden aber geehrt.
Alena Lea Bucher
Alena: Zum Teil war ich etwas schockiert. So erfuhr ich beispielsweise, dass es üblich war, Kindern den Kopf so zusammenzudrücken, dass die Kopfform länger wurde. Dies half dabei, ein höheres Statussymbol zu erreichen. Inzucht war auch ein grosses Thema zu dieser Zeit, Menschen mit Behinderung wurden aber geehrt. Leider wurden offenbar auch Menschenopfer dargebracht.
Die Mayakultur hat aber auch schöne Seiten. So lebten sie ihren Glauben sehr schön aus. Sie hatten verschiedene Rituale, in welchen sie Gott für ihr Leben dankten, für gute Ernten beteten oder auch mal für Regen, wenn sie ihn brauchten. Dafür hielten sie täglich Zeremonien ab, einige davon auch etwas waghalsig. Eine davon wurde uns vorgeführt. Dabei klettern fünf Männer auf einen hohen Pfahl. Der älteste von ihnen spielt eine Flöte und setzt sich auf die Mitte des Pfahls. Die anderen vier drehen sich kopfüber, eingewickelt in Seile, im Kreis um den Pfahl herum in die Tiefe, bis sie sich kurz vor dem Boden umdrehen und sicher auftreten.
Offenbar hatten die Maya auch einen Sinn für Sport. Mit feurigen Bällen und einer Art Hockeyschläger spielten sie gegeneinander.
Und dann sind da noch die wunderbaren Bauten. Ihre Entstehung geben immer noch Rätsel auf. Die Maya kannten zwar das Rad, brauchten es aber nicht, da es etwas Göttliches war. Auch Nutztiere wie Kühe kannten sie noch nicht. Diese kamen erst mit der spanischen Revolution nach Mexiko. Chichen Izta und Tulum habe ich auch besucht. Chichen Itza leider ohne Tour. Das riesige pyramidenartige Gebäude gibt ein lustiges Echo von sich, wenn man klatscht. Ich finde es faszinierend, wie die Maya einen Sinn für Architektur hatten, besonders ihre Muster faszinierten mich. Viele von ihnen mit ihrer eigenen Geschichte. Tulum ist an und für sich schon ein wunderschöner Ort, vor allem der märchenhafte Strand. Unser Tourguide erzählte uns, welche der Ruinen für was gebraucht wurden und dass die Gebäude früher mit Farben verziert waren. Wir begegneten auch vielen Leguanen.
Warst du auch in Ek Balam?
Marianne: Nein, leider nicht. Wir verbrachten jedoch auch einige Tage auf Cozumel, einer traumhaften Insel. Wir schwammen im Meer und bewunderten die schillernden Fische und das Korallenriff. Dabei beobachten wir auch mit Vergnügen die Meeresschildkröten. Es war einmalig und eine völlig neue Welt für mich.
Wir radelten mit Mietvelos um die Insel und erhielten Einblick in das Alltagsleben der ländlichen Bevölkerung. Die Insel war idyllisch, und damals existierten neben unserem Hotel kaum grössere Bauten.
Zurück in Cancun hatte ich Pech und litt unter unglaublichem Durchfall. Dabei hatten wir unsere Zähne immer mit Trinkwasser aus der Flasche geputzt, nie Getränke mit Eiswürfeln oder Leitungswasser akzeptiert. Die Problematik des verseuchten Wassers war uns bewusst. Trotzdem hatte ich eine Hepatitis A aufgelesen und verbrachte mehrere Tage bis zur Heimkehr zwischen Bett und Toilette. Montezuma`s Rache nannte man damals diese Krankheit.
Was hat dich in Ek Balam beeindruckt?
Alena: Ek Balam hat ein riesiges hohes Gebäude, welches wieder rekonstruiert, aus den Ruinen aufgebaut wurde. Es hat eine hohe Treppe und die Nischen, in welchen die Maya und vor allem der König wohnten, sind noch gut erkennbar. Beschützt wird der königliche Eingang symbolisch von einem riesigen Monster mit deutlich erkennbaren Zähnen. Ausserdem sind auch noch einige Schriftbilder lesbar, immer vorausgesetzt, man kann die Mayazeichen lesen. Anders als bei anderen Bauten durften wir sie hier betreten und sehen, welche Wohnräume einmal was dargestellt haben. Oft werden hier auch Filme gedreht. Der Guide zeigte uns zu Beginn der Führung einen Haufen von überwachsenen Steinen und sagte: «So sah es vor einigen Jahren aus, bevor die Tempel und Gebäude wieder ausgebuddelt und aufgebaut wurden.» Kaum vorstellbar, was heute alles machbar ist und schon damals machbar war!