In einem kleineren Zimmer, dessen Wände mit an die 30 verschiedenen, bis ins kleinste Detail nachgebildeten, Miniaturen bestückt sind, sitzen Martin Messerli (83) und Eva Zehnder (57) und erzählen mit glänzenden Augen und mit spürbarer Begeisterung von ihrer gemeinsamen Arbeit. Er – mit schneeweissen, längeren Haarsträhnen und einer modernen, leicht türkis schimmernden Metallbrille. Man glaubt einem 70-Jährigen gegenüber zu sitzen. Sie – berufstätige Pflegefachfrau und Mutter von vier erwachsenen Söhnen und mit einer ausgesprochen kreativen Ader.
Wie alles begann
Der Umgang mit Holz sei in den Genen seiner Familie verwurzelt, erzählt Martin. Er selbst habe schon im Kindergartenalter begonnen mit Holz zu basteln. Später habe er Schreiner gelernt und den Beruf stets mit grosser Freude ausgeübt. Auf die Frage, wann sich denn bei ihr und ihrem Vater die Begeisterung für Miniaturen bemerkbar gemacht habe, meinte Eva: «Vor Jahren stiess ich auf einem Weihnachtsmarkt in einer deutschen Stadt auf einen nachgebauten Verkaufsladen, den ich beinahe gekauft hätte». Zuhause setzte Vater Martin den von Eva skizzierten Verkaufsladen flugs mit Holz um.
Seit Jahren ein eingespieltes Tandem
Der Vater baut in kniffliger Feinarbeit die hölzernen Gebäudehüllen mit den Innenräumen, fertigt Türen und Fenster, Böden, Wände und Treppen, häufig auch Möbel. Die Tochter nimmt sich bis ins letzte Detail den filigranen Inneneinrichtungen an. Sie fertigt Efeublättchen, Tulpenblüten, Gemüse, Früchte und dergleichen aus Papier, Tonkarton, Fimo infiligranster Ausführung. Selbstverständlich können viele Kleinigkeiten und Figuren in dafür spezialisierten Läden gekauft werden – das hat allerdings seinen Preis. Ein Miniaturschrank kann 1800 Franken kosten.
«Nein, Unstimmigkeiten oder gar Krach während der Umsetzung eines Projektes gibt es nicht». Einzig die Farbwahl führe manchmal zu Diskussionen. Die Tochter liebt eher dezente Farben, für den Vater darf es schon mal kräftiger sein.
Das vorläufig letzte Projekt
Dieser Tage hat sich Martins Traum einer Miniatur-Apotheke erfüllt: Er baute die Rathausapotheke in Bern nach. Die antike Einrichtung übte seit langem eine grosse Faszination auf ihn aus. Nachdem ihm der Leiter der Apotheke bereitwillig kopierte Planunterlagen ausgehändigt hatte, machte sich Martin ans Werk. «Ein bisschen verdutzt hat der Mann mich schon angeschaut», so Martin, als er ihm erklärt habe, wofür er die Unterlagen möchte. Seit kurzem ergänzt die nachgebaute Apotheke die Ausstellung in Eva’s Miniaturenzimmer. In geschätzten zwölf Wochen ist dieses Werk entstanden. Die Frage, ob er die Wochen auch in Stunden quantifizieren könne, versetzt Martin ins Grübeln. «Nun», meint er, «ich bin zu Hause zuständig fürs Einkaufen und Kochen – die restliche Zeit habe ich investiert in den Nachbau der Apotheke». Es sei eh so, dass er alles um sich herum vergesse, inklusive seine Altersbresten, wenn er in seiner Werkstatt am Wirken sei, meint der Pensionierte. Und auch seine Frau geniesse die Ruhe, wenn er in der Werkstatt sei. Die Tochter ergänzt, sie erlebe ihren Vater beim Gestalten einer neuen Miniatur wie «versunken in einer andern Welt», er vergesse die Zeit, gehe völlig auf in seinem Tun.