
Lieber Hannes, woher kommst du?
Ich bin in Sigriswil aufgewachsen. Das war einerseits wunderbar, denn ich liebe die Natur und die ländliche Umgebung oberhalb des Thunersees sehr. Hier entdeckte ich meine Liebe zur Landschaftsfotografie. Aber da meine Eltern aus dem Aargau «zugezogene» Akademiker waren – mein Vater ist Physiker und meine Mutter hat den Doktor der Pharmazie erworben –, hatte ich ab und zu meine Probleme. Wir waren in der ländlichen Umgebung Fremde, denen man traditionellerweise mit Misstrauen begegnete. Als ich in die erste Klasse kam, war mein Berndeutsch nicht lupenrein, und das machte mich zum Aussenseiter. Aber ich habe mich durchgebissen. Ich lernte in dieser Zeit, auf meine eigenen Fähigkeiten zu vertrauen. Dabei waren meine Eltern und meine drei Jahre jüngere Schwester ganz wichtig für mich. Sie haben dazu beigetragen, dass ich mich aufgehoben fühlte und mich entwickeln konnte. Die lebendigen, humorvollen und oft fast schon philosophischen Gespräche am Familientisch waren bereichernd und haben mich geprägt.
Wo stehst du im Moment?
Ich studiere Multimedia Production, ein Studium, das wie massgeschneidert ist für mich. Es ist breit gefächert, bietet mir aber auch die Möglichkeit, mich zu spezialisieren und auf Gebiete zu fokussieren, die mich beschäftigen. Allerdings fühle ich mich ab und zu ziemlich eingeengt von den etwas konservativen Unterrichtsmethoden. Eigentlich hatte ich während der Gymnasialzeit immer den Wunsch, ein Ingenieurstudium in Angriff zu nehmen. Mathematik und Physik waren meine bevorzugten Fächer. Erstens schien mir das eine gesicherte Zukunft zu garantieren und zweitens hatte ich in meinem Vater, der ein exzellenter Physiker ist, ein grosses Vorbild. Doch ich hatte Bedenken, in diese grossen Fussstapfen zu treten. Das Studium der Medien mit den unzähligen Möglichkeiten erlaubt es mir heute, meine Leidenschaft für die Fotografie und den Film zu vertiefen und auf diesen Gebieten professionell zu arbeiten.
« Medien prägen schliesslich unsere Welt in grossem Mass. »
Hannes Thurnherr
Das bedeutet aber auch, dass ich nicht den einfachsten Weg gewählt habe; denn im Gegensatz zu den Ingenieurswissenschaften ist es in einem solchen Beruf viel schwieriger, sich eine gesicherte Existenz aufzubauen. «Irgendetwas mit Medien» als Berufswunsch spricht diesem Studium leider oft die Ernsthaftigkeit ab. Von dieser Wischiwaschi-Einstellung möchte ich mich vehement absetzen, denn es ist ein absolut ernsthaftes Studium. Medien prägen schliesslich unsere Welt in grossem Mass.
Wohin gehst du?
Ich möchte meine politischen und philosophischen Ansichten, aber auch meine Fragen, wenn möglich in einem eigenen Unternehmen zum Ausdruck bringen. Videos für Organisationen, Parteien und Firmen zu gestalten, wäre ein grosses Ziel. Was ich mache, muss mir entsprechen und ich will es gut und mit Herzblut tun. Ich kann mir gut vorstellen, mit meiner Freundin eine Familie aufzubauen. Zwei Kinder wären schön. Doch die Zukunft ist ungewisser denn je. Eine Familie finanziell über die Runden zu bringen ist heute schwierig, der Klimawandel ist vielleicht nicht mehr aufzuhalten, die globale politische Situation ist beunruhigend. Damit muss ich mich als junger Mensch beschäftigen. Vor allem möchte ich mit meiner Lebensweise nicht dazu beitragen, dass wir den Point of no return erreichen.
«Was ich mache, muss mir entsprechen und ich will es gut und mit Herzblut tun.»
Hannes Thurnherr
Sollte ich so alt werden wie mein Grossvater, wäre ich gerne so wie er. Er war Maurer und blieb immer ein pragmatischer Mensch. Heute sitzt er mit Hörbüchern in seinem Stuhl und verfolgt so, was ihn interessiert. Er war seit jeher eher wortkarg, aber man merkt gut, dass er eine sehr weiche Seite hat. Das gefällt mir.