Raphael Blatt (31), der junge Gründer und Geschäftsführer von «Frischpunkt» in Madiswil und Langnau im Emmental, hat den Mut neue Wege zu gehen. Er ist ein Querdenker. Er will seinen KundInnen mit «Frischpunkt» ein Erlebnis und die echte Frische unverpackt anbieten. In seiner spärlich bemessenen Freizeit geniesst er mit seiner Partnerin die Ruhe, erkundet mit seinem neuen E-Bike die Natur und liebt es ein «freier Vogel» zu sein.
In Beziehung mit dem Salat
Ich treffe Raphael in seinem «Frischpunkt»-Laden in Langnau. Der Thurgauer ist auf Umwegen ins Emmental gekommen. Seine Eltern kauften 2003 einen Bauernhof, wo sie ein Sozialprojekt starteten. Er sammelte in der Bio-Bauer-Ausbildung und der Betriebsleiter-Schule wertvolle Erfahrungen im Gemüsebau, in der Tierhaltung und in der Landwirtschaft. Dabei machte er sich viele Gedanken zur Nachhaltigkeit. 2017 konnte er in Madiswil die Direktvermarktung übernehmen und weiterentwickeln. Als Produzent war er früher auf der anderen Seite. Der «Frischpunkt» sollte nun eine Plattform für verschiedene ProduzentInnen mit einem regelmässig wechselnden Angebot von saisonalen und frischen Produkten sein. Die Problematik war, die richtigen Käufer zu finden, um die Ware abzusetzen, KundInnen, die sich bewusst und gesund ernähren möchten.
Deshalb entschied sich Raphael dafür, selber an die Front zu gehen, die Kundschaft aufzuklären und zu beraten. Er tauscht sich gerne mit Menschen aus, pflegt die Beziehungen, präsentiert gerne die Grundnahrungsmittel im «Frischpunkt», erzählt, wo das Produkt herkommt und will ein Vorbild sein. Es ist ihm sehr wichtig, dass er ab und zu bei den ProduzentInnen arbeitet. Nur so kann er den KundInnen beschreiben, was für ein Prozess hinter der Ware steht. So erhalten sie einen Bezug und der Salat ist nicht mehr bloss ein Produkt. Seit drei Jahren ist Raphael mit dieser Philosophie unterwegs, konsequent und mit viel Engagement.
Wochenablauf bei «Frischpunkt»
Raphael erledigt den grössten Teil der Arbeiten selber: einkaufen, Ware bestellen, Frischware vom Kühlraum auf- und abbauen, Ware präsentieren, nachfüllen, rüsten, reinigen, Administration erledigen, neue Ideen entwickeln, KundInnen beraten und die Ware verkaufen. Der Laden ist am Mittag offen. Gleich danachholt Raphael auf den Bauernhöfen Waren ab und sitzt mit Vertretern zusammen. Am Montag geht er regelmässig auf Tour Richtung Kerzers, um Gemüse abzuholen und fährt dann zu Terra Viva. Dort trifft er viele MarktfahrerInnen. Danach fährt er noch zu ausgewählten Winzern und Weinbauern. Für das Bio-Fleisch muss er zwei Monate im Voraus planen. Er kauft die lebenden Tiere beim Bauern und koordiniert die Termine und Menge gemeinsam mit dem Metzger. Er kauft das Meiste bei regionalen Bio-Bauern ein. Der Kontakt vor Ort ist ihm sehr wichtig. Von 16.00 bis 19.00 Uhr ist das Geschäft wieder offen, wo er mit Aushilfskräften seine KundInnen berät und bedient.
Früher war es normal, wenn Gemüse in einer Kiste offen verkauft wurde. Heute macht man einen Hype daraus, dass es unverpackt ist, erklärt Raphael. Er verkaufe die Nahrungsmittel unverpackt, aber nicht aus der «Unverpackt»-Bewegung, sondern aus der Leidenschaft heraus, selber Gemüse anzubauen und Frische an die EndkundInnen heranzubringen. Der Mensch verbrauche viel Energie und vernichte Lebensmittel, das sei nichts Neues. Menschen sollten nur das kaufen, was sie brauchen, so dass weniger weggeworfen werde. Deshalb bietet Raphael einen «Setzlingsmärit», «Gmüesmetzgete» und einen offenen Verkauf von Nahrungsmitteln an. KundInnen dürfen auch mal ein Rüebli probieren. Das Verpacken wäre ein grosser Aufwand und die Maschine viel zu teuer. Zum Thema Überfluss wünscht sich Raphael, dass sich jeder und jede mit dieser Thematik auseinandersetzt, mehr Verantwortung übernimmt, das Musterdenken auflöst und Kreativität ins Leben reinbringt. Für ihn ist der bewusste Umgang mit den Grundnahrungsmitteln ein wichtiger Faktor für eine nachhaltige, gesunde Zukunft.
Liebe geht durch den Magen
Dreimal im Jahr bietet Raphael auf dem Biohof in
Madiswil die «Gmües-
metzgete» an, eine sogenannte Tavolata; alles biologische Produkte, vom Fleisch
bis zu Wein und Bier. Menschen kommen zusammen, tauschen sich aus, pflegen
Beziehungen – auf einem Hof, wo die Gäste einen Bezug dazu bekommen, wo und wie
die Lebensmittel produziert werden. Bekanntlich geht die Liebe durch den Magen.
Raphaels Vision ist ein «Frischpunkt»-Club, zu dem er Menschen mitnehmen und
ihnen zeigen könnte, wo die Nahrungsmittel herkommen – sozusagen ein
Frische-Produkte-Erlebnisevent unter dem Motto: «Von den BäuerInnen zu den
KonsumentInnen».
Stolz und Mut
Raphael ist zufrieden und stolz, dass er den Mut hatte, seinen Weg vom Produzenten zum jetzigen Dienstleister zu gehen. Er ist ein Querdenker, geht wachsam durchs Leben und nutzt auch mal Produkte um. Ein gutes Beispiel sind seine Holzbehälter, die eigentlich «Vogelhüsli» sind. Vieles passiert auch aus dem Bauchgefühl. Manchmal sei es ein Spagat, denn sein Business müsse auch marktorientiert und rentabel sein. Wer Raphaels Leidenschaft zur nachhaltigen Landwirtschaft näher kennen lernen will, ist in einem seiner «Frischpunkt»-Läden herzlich willkommen.