«Alle Künstler, Männer wie Frauen, die etwas zu sagen haben, haben einen Grund dazu. Ich spüre, dass etwas aus mir herauswill und ich möchte, dass es Gestalt annimmt. So fühle ich wenigstens, dass ich lebendig bin, c’est tout. Ich selbst gewinne in dem schöpferischen Prozess Kontur, denn meine Nanas zeigen immer etwas von mir selbst. Wenn ich arbeite, fühle ich mich frei, ich liefere mich meiner Idee ganz und gar aus – auch dem Zweifel. Wie oft habe ich die schweren depressiven Bilder in mir gesehen, sie waren einfach da. Ich liege immer im Widerstreit mit mir; als ich ein kleines Mädchen war, war es am schlimmsten.
Kaum dem streng katholischen Elternhaus entkommen, habe ich sehr jung geheiratet und hatte mit 25 Jahren schon zwei Töchtern das Leben geschenkt, das war zu viel, war ich doch selbst noch kindlich. Da brach es aus mir heraus, die Farben, das ungelebte Leben, meine Sehnsucht nach Vitalität, das Blau, das Sonnengelb, feuerrot und das saftige Grün der Natur, auch die schwarzen, sich windenden Linien auf meinen Skulpturen gehören dazu.
Ich merkte schnell, dass ich das Publikum provozierte. Ich zerstörte sein Bild von der märchenhaften Sanftmut der Frau, des Weiblichen überhaupt. Es nahm Anstoss an den Monstern, den Vogelgesichtern, den massigen, beherrschenden Gebilden, aber das will ich ja. Meine Figuren, die Nanas, feiern die Frau, das weibliche Prinzip, sie sollen aber dem Betrachtenden auch einen Schauer über den Rücken jagen. Denn die Frauen sind anziehend, und zugleich auch rätselhaft beängstigend. Sie sollen provozieren, weil ich es will. Kunst ist politisch! Ich verändere die Sicht auf uns Frauen zwar nicht, bin nur Realistin. Wir haben so viele Gesichter, werden aber immer wieder auf unseren Körper reduziert. Als Model war ich ein schöner Kleiderständer, sonst nichts.
Als ich mich von Mathew und den Kindern befreit hatte, haben Jean Tinguely und ich ein freies Künstlerleben geführt. Er war genauso verspielt wie ich und hatte immer Zeit, sich mit mir zu streiten. Wir diskutierten viel. Er war ungeheuer praktisch veranlagt, half mir, der Autodidaktin, bei meinen Konstruktionen, wusste immer Rat, schliesslich war er mit allen Wassern gewaschen, er, mit seinen klingelnden und ratternden Maschinen. Er verstand es, mit kantigen, schweren Materialien umzugehen, das war sein Metier. Ich finde, in der Fontaine de Stravinsky vor dem Pariser Centre Pompidou haben wir – jeder auf seine Weise – durch unsere Kreativität die Ambivalenz des Lebens zu einem Ganzen zusammengefügt: Ich, die Frau und er, der Mann».