Ende Oktober erscheint hier ein Gespräch zum Hören zur Frage nach dem individuellen Umgang mit dem Leid.
Krieg, Flucht, Angst, Verzweiflung. Ein kleiner syrischer Junge, tot am Strand. Er hatte, gemeinsam mit seiner Familie, dem Elend entkommen wollen. Und es leider nicht geschafft. So geht es vielen Menschen. Manche hingegen können flüchten, müssen immer wieder warten – vor neuen Grenzzäunen. Wieder andere schaffen es bis nach Österreich und ersticken dann qualvoll hinten in einem Kühllastwagen.
Wir erfahren den Schrecken, die Tragödien durch die Medien. Das Elend Syriens findet auch in unserer Wohnstube statt. Wie sollen wir mit dem Unglück dieser Welt umgehen – das ist die Frage für die aktuelle Rubrik Philoso4en.
Fühlst du dich schuldig?
Haben Sie sich schon mal die Schuld für etwas gegeben, das nicht eindeutig Ihre Schuld war? Es gibt sehr viele schlimme Zustände, für die aber niemand und zugleich alle verantwortlich gemacht werden können. So auch die Flüchtlingskrise. Wen würden Sie für diese beschuldigen? Diejenigen, die den Krieg «angezettelt» haben? Aber wer ist das? Es sind Umstände, Prägungen von Menschen, die solche Mechanismen in Gang bringen. Niemand trägt allein die Verantwortung. Wir dürfen, können, und wollen oft auch nicht beschuldigen – zugleich fühlen wir uns vielleicht, wenn wir jeden Abend die Tagesschau sehen, selber auch schuldig. Da sitze ich auf dem flauschig-weichen Sofa, trage warme Wollsocken und einen Kaschmirpullover, trinke schwarzen Tee, stopfe mich mit Schokokeksen voll – während in der grossen weiten Welt vor mir weinende oder tote Kinder gezeigt werden. Darf es mir denn materiell so gut gehen, während andere leiden? Nein – eigentlich sollten Eigentum und Reichtum weltweit gerecht verteilt sein. Ist das eine Utopie? Nein – es sollte ein Menschenrecht sein. Darf es mir, in diesem Wissen, psychisch gut gehen? Sollte ich nicht leiden, mich schuldig fühlen? Wie nahe darf ich das Unglück anderer Menschen an mich heranlassen? Die Fragen beantworte ich hier nicht. Darin versuchen sich die Philosophierenden auf der Seite gegenüber und vielleicht Sie auch.
Wie nahe soll ich das Unglück der Welt
an mich heranlassen?
Annina Reusser (21), Anne-Marie Schweizer (60), Sarah Liebi (19) und Werner Kaiser (78) geben in der Rubrik Philoso4en Antworten.