Organisieren und Arbeiten strukturieren an Orten, an denen sie sich zu 150 Prozent engagieren kann. Das sei es, was sie gerne mache. Sagt es und blickt mir dabei fest ins Gesicht: Rebekka Flotron (27).
Ich treffe sie in Bern nach ihrer Arbeit beim Polit-Forum Bern, wo sie als Mitarbeiterin für Politische Bildung angestellt ist. Da organisiert sie in Zusammenarbeit mit LehrerInnen Schulreisen ins politische Bern. Sie strukturiert für junge BesucherInnen einen bestimmt unvergesslichen Tag und zeigt ihnen, dass Politik in Bern nicht nur im Bundeshaus stattfindet. Gestern sei eine Schulklasse aus Uri nach Bern gekommen, berichtet sie und lächelt still.


Seit dem Frühjahr 2022 ist Rebekka zudem redaktionelle Koordinatorin bei UND Generationentandem. Auch da organisiert sie, strukturiert Arbeiten und Abläufe. Sie hat Spass an Sprachen, am Lesen und Schreiben und kann ihre weiteren Talente einbringen.
Bisher hat sie stets das Glück gehabt, an Stellen zu wirken, wo sie sich überdurchschnittlich einsetzen kann.
Genau richtig!
Überhaupt fühle sich momentan alles für sie genau richtig an. An beiden Arbeitsorten spüre sie Wertschätzung und den «guten Geist». Fast scheu gesteht sie, dass sie einzelne Menschen bei UND für deren Kreativität und aufmerksame Lebenseinstellung bewundere. Das fordere auch sie heraus. Wobei sie weniger die Projektanreisserin sei… aber: «Ich bin gerne bei guten und wichtigen Dingen dabei, arbeite aber lieber eher im Hintergrund.»
Entsprechend entwickelt sie Ideen gerne gemeinsam mit anderen. Sie könne gut Kompromisse eingehen, sei anpassungsfähig und verlasse sich bei Entscheidungen auf ihr Bauchgefühl. Das habe sie bisher noch nie getäuscht oder im Stich gelassen.
Familie, FreundInnen, Reisen
Während ich für Rebekka einen Kaffee an der Bar hole, denke ich über die ruhige, besonnene Art nach, mit der sie alle meine Fragen beantwortet. Woher nimmt sie diese Kraft, diese Klarheit? Hat sie so viel (Selbst)Vertrauen von zuhause mitbekommen oder mitgenommen? Tauscht sie sich mit FreundInnen aus? Hat sie auf Reisen so viele Erfahrungen gesammelt?
Zurück am Tisch höre ich: Sie hat ein gutes und intensives Gefühl, wenn sie an ihre Familie, an ihre Kindheit als Jüngste von vier Geschwistern im Sankt-Gallischen denkt. Sie kann sich aber an Vieles einfach nicht mehr erinnern. Einzelheiten seien ihr nicht so wichtig, Hauptsache, es bleibe ein gutes Gefühl, wenn sie daran zurückdenke. Ach, es sei schwierig zu erklären: «Ich bin eher ein Hier-und-jetzt-Mensch», lacht sie.


FreundInnen? «Ich bin nicht so gut im Neue-Freunde-Machen.» Sie hat noch enge FreundInnen aus Primarschule und Gymnasium und dann in späteren Jahren eine Freundin fürs Leben gefunden, wie sie es ausdrückt. FreundInnen beim UND? Sie denkt nach und entscheidet: Um wirklich schon von Freundschaft zu sprechen, dafür sei sie noch nicht lange genug dabei. Doch in der Bürogemeinschaft im Polit-Forum Bern hätte sie in all der Zeit und durch die gemeinsamen Erlebnisse gute FreundInnen gefunden.

Reiseerfahrungen? Hier lacht sie wirklich: «Ich reiste vor einigen Jahren sehr viel, da ich das Gefühl hatte, dass man reisen muss. Fun Fact: Ich reise nicht so gerne.» Doch, fährt sie fort, seien die Reisen alle grossartig gewesen, vor allem aber wegen der Menschen, die mitgekommen sind.

Ihre doch eher ungewöhnlichen Antworten lassen mich kurz innehalten, rufen mir aber weitere ausserordentliche Dinge in Erinnerung, die Rebekka mir im Vorfeld zu unserem Treffen schrieb.
Aufräumen, Ummöblieren,
Zuhausesein
Für Rebekka muss eine Wohnung heimelig sein. Sie lebt gerne in Bern-Bümpliz und liebt es, einfach bei sich zuhause zu sein. Sie gibt gar Wohnen und Ummöblieren als Hobby an. Und sie setzt noch einen drauf: Sie räumt gerne auf und um, manchmal auch noch abends spät: Mal den Tisch hierhin, mal den Sessel dahin. Wenn die Anordnung stimmt, gibt ihr das ein gutes, rundum aufgeräumtes Gefühl.

Gerade eben hat sie das Büchergestell neu geordnet, «bloss das Büchergestell», wie sie sagt. Ausserdem liest sie gerne, kocht, wandert, malt und gestaltet. Nicht eben Hobbies, mit denen man aufschneiden kann und sie scheut sich auch nicht, dazu zu stehen.
«Wa hesch denn denkt, wan ich cha?»
Noch etwas machte mich sehr neugierig auf die Begegnung mit Rebekka: Sie antwortete auf die Standardfrage «Was bringt dich auf die Palme?» mit: «Unterschätzt zu werden.» Sie erzählt nun, dass sie oft Erstaunen ernte, wenn sie neuen Bekannten von ihren Tätigkeiten erzähle. Solche Reaktionen zeigen ihr, wie stark Vorurteile einem unbefangenen Begegnen im Wege stehen können: Alter, Frau, Thema. Nun wird Rebekka lebhaft, denn sie weiss, was sie kann und, dass sie auch viele Dinge gut kann. Entsprechend stört es sie, unterschätzt zu werden. Am liebsten möchte sie in so einem Moment antworten: «Wa hesch denn denkt, wan ich cha?»

Was bewegt dich aktuell am meisten?
Dazu hat sie Einiges aufzuzählen: Extremismus. «Es gibt keine Mitte mehr.» Leitfiguren verhalten sich oft gedanken- und verantwortungslos: «Wenn dein Präsident so spricht, was hält dich dann davon ab, anders zu denken, zu sprechen?» Oder: Frauenrechte, die Art und Weise wie man über Frauen spricht: «So herablassend und das ohne Konsequenzen», und wie über Details oder Symptome diskutiert werde, ohne Grundeinstellungen zu ändern. Antisemitismus: Ihr Entsetzen beim Besuch eines Konzentrationslagers und ihr Bewusstwerden, das aktuell ähnliche Dinge erneut geschehen.

Klima: Rebekka hat – wie wir wissen — kein ausgesprochenes Reisefieber und nimmt für alle längeren Strecken öffentliche Verkehrsmittel. Kleider kauft sie möglichst wenig und wenn, dann im Brockenhaus. Dies sind alles keine neuen Verhaltensweisen. Sie hat sie von zuhause mitbekommen.
Auch betreffend Einsatz für Flüchtlinge kann und will sie nicht mit konkreten Projekten brillieren. Ihre Antwort dazu entspricht ihr auf eindrückliche Weise: Sie versuche, allen Menschen jederzeit – nicht nur aktuell – mit Respekt zu begegnen, eben «so wie ich mein Leben lebe: Mit all meiner Offenheit».
Vier Fragen an Rebekka
Wofür würdest du mitten in der Nacht aufstehen?
Für indisches Essen.
Welche wichtige Person/Persönlichkeit
möchtest du einmal treffen?
Am ehesten die australische Komikerin Hannah Gadsby.
Weshalb machst du bei UND mit?
Wegen der Leute hinter UND. Aber für mich fühlt es sich vor allem einfach richtig an, bei UND zu arbeiten und mitzuwirken.
Was bringt dich auf die Palme?
Ganz egozentrisch: Unterschätzt zu werden.