Schnitzelbänke haben viel mit Politik, Prominenz, Fehltritten und anderen Peinlichkeiten zu tun. Und sie erzählen, worüber die Bevölkerung sich ärgert und was nicht geändert werden kann. In Thun sind bis anhin mehrheitlich Männer als Schnitzelbänkler aufgetreten. Eine reine Frauengruppe, die auch gesanglich überzeugt, sind Die irren Maiden. Hier ihr Beitrag zum Kampf der Frauen für Gleichberechtigung:
Gleiches Recht für Mann und Frau, dr immerwährend Kampf
Itze macht dr Frouestreik de Manne mal chli Dampf
We de das no geng nüt nützt isch öppis sunneklar
De streike mer nomal i knapp 30 Jahr
«So nä Zirkus» ist das Motto der Thuner Fasnacht 2020
Ein unerschöpfliches Thema: der Verkehr in Thun. Das Hallenbad in Heimberg, Mühleberg, Greta, die wesentlich öfters besungen wird als Donald Trump, sind weitere Themen, die auf die Schippe genommen werden. Lustig ist das alles nicht, aber die Art und Weise der Vorträge und die Kostüme der Schnitzelbänkler tragen dazu bei, dass das nicht so Lustige amüsant wird.
«Vieles wird und viele werden in die Pfanne gehauen.»
Annemarie Voss
Dr Pfannehouer fällt etwas aus dem Rahmen, kein juppei-di und juppei-da. Ein Thema folgt auf das andere, meistens im Zusammenhang. Vieles wird und viele werden in die Pfanne gehauen. Wenn ich eine Pointe kapiert habe, kommt schon die nächste. Ich bin froh, dass ich einen roten Zettel erhalte mit den Texten drauf, ich muss das alles nochmal durchlesen. Es ist nicht alles leichte Kost, was er dem Publikum vorsetzt, aber es wird mit viel Applaus honoriert.
Ängland hett itz ändlech si Brexit
Bärn hett dr Dräck mit Formel-E-xit
Dr Nause meint: «Wott mi nid brüschte,
aber mir schaffe Arbeitsplätz für viil Jurischte»
Ds nächschte Männli im Parc des Ours
Touft dr Nause uf e Name Konk-Urs
Und als Gmeindrat fahrt er jitz
Formel-E im Schleudersitz.
U dr Bärner Schtapi hockt zuhaus
Schwigt und hofft, är sig fein raus.
Wo geschnitzelt wird, fallen Späne
Gusti Pollak kenne ich seit vielen Jahren, als Kabarettisten und von einem gemeinsamen Theaterprojekt. Er ist ein vielschichtiger Kulturschaffender, Liedermacher, Kabarettist, Theatermacher, macht Schulprojekte und noch vieles mehr.
Gusti Pollak, Kabarettist hat schon fast einen altmodischen Klang, heute sind es doch die Comedians, die die Bühnen erobert haben. Hat sich dadurch das Publikum verändert?
Gusti Pollak: Das ist eine weitläufige Geschichte. Es gibt auch immer mehr Anlässe, an denen mehrere Comedians auftreten. Wenn einer innerhalb von zehn Minuten die ZuschauerInnen packen muss, dann bleibt ihm nur der absolut «dubelisichere» Gag. Es ist lustig und es wird gelacht, aber eine Vertiefung ins Thema ist nicht möglich. Es wird oft beängstigend oberflächlich, für mich kommt das nicht in Frage.
Bei den Schnitzelbänken ist es aber doch auch so?
Sicher, das ist auch das spezielle Format. Vierzeiler, manchmal mehr, und dann muss ein Ganzes da sein. Alle SchnitzelbänklerInnen suchen sich die für sie passende Form aus, und es kann dann schon in vier Zeilen ein weitläufiges Thema behandelt werden. Wichtig ist, wie die Pointe gesetzt wird. Der beste Vers setzt die Pointe mit dem letzten Wort.
Was denkst du, wie wichtig ist Humor für den Menschen und die Gesellschaft?
Humor ist etwas sehr Ernsthaftes. Gemeinsam über etwas lachen zu können, verschafft Solidarität. Es kann auch schwer Fassbares erträglicher machen.
Ist nicht oft auch Schadenfreude ein Teil des Humors?
Allerdings, hierfür ein Beispiel aus der letztjährigen Fasnacht in Bern:
Bis an die Grenze des Anstands?
Text: Gusti Pollak
Am Tag der Berner Schnitzelbank-Soirée 2019 wurden die nächsten der bizarren Ereignisse rund um den Aargauer SVP-Nationalrat Luzi Stamm publik. Nach der Geschichte um das mit Banknoten gefüllte Köfferchen, das Stamm nach eigenem Bekunden im Bundeshaus spazieren führte, nun die Geschichte mit dem Kokain, das er einem Strassenmusiker abgekauft und ebenfalls ins Bundeshaus getragen haben wollte, als Beweis, wie einfach es ist, in der Schweiz Kokain zu dealen.
Der Schulkollege mit wachem Geist und Wohnung in der Altstadt, bei dem ich jeweils während der Fasnacht logieren darf, empfängt mich drei Stunden vor Beginn der Soirée mit dem Bonmot, der Stamm könne kaum selber Kokain genommen haben, weil der habe noch nie im Leben eine Linie gehabt. Ich überlege eine Zeitlang, greife dann zu einem Zettel, und eine Stunde später stecke ich ihn ins Fasnachtskostüm mit dem folgenden Text beschriftet:
Dass der Luzi Stamm chönnt kokaine,
würd mir sehr unwahrschiinlech schiine.
Das wär ja z erscht Mal, jedi Wett,
dass dä Mönsch e Linie hett.
Im letzten Moment noch einen Bank per «Frässzedeli» , wenn schon die jüngsten Verse auf dem gedruckten Zettel so neu und ungewohnt sind, dass das Unvorhersehbare bereits genug gefeiert wird, ist nicht ohne. Ich ziehe den Zettel dann gleich in der ersten Beiz doch hervor – und der Bank wird zum Heuler des Abends. Die Anspielung mit der Linie kommt bei allen an, sie scheint auch einem wenig drogen- und schon gar nicht heroin-affinen Publikum völlig geläufig zu sein.
« – und dann würde es zur Frage des Prinzips, ob so etwas ein Fasnachts-Sujet sein darf oder ob es aus Gründen schierer Menschlichkeit keines werden soll.»
Gusti Pollak
Monate später diskutieren der Pointen-Lieferant und ich den Fall erneut. Rasch nach den Ereignissen wurde klar, dass Luzi Stamm ärztliche Betreuung brauchte, dass er von der Partei aus dem Polit-Verkehr gezogen wurde; aufs Mal muss die Möglichkeit mindestens in Betracht gezogen werden, dass Geldkoffer und Heroin-Briefchen einem verwirrten Geist entsprungen sein könnten – und dann würde es zur Frage des Prinzips, ob so etwas ein Fasnachts-Sujet sein darf oder ob es aus Gründen schierer Menschlichkeit keines werden soll. Selbst bei einem Politiker, dessen Beisshemmung ebenfalls nicht stark entwickelt war, um es so zu formulieren. An jenem Soirée-Donnerstag musste es schnell gehen; um den Vers zu formen, reichte es noch, um die Umstände einzuordnen, nicht mehr. Hätte ich schon damals mehr wissen können, mehr wissen müssen? Schwer zu sagen und herauszufinden, ich hoffe einfach, dass ich meinen Heuler nicht auf Kosten von jemandem gelandet habe, den ich nicht dafür belangen durfte.