Jürg wollte – nach Skis, Velo und Auto – seinen letzten fahrbaren Untersatz verschenken: sein Kajak.
Maja Carapovic wünschte sich schon länger eines.
Die Voraussetzungen waren also gut. Das 4 Meter lange und 60 Zentimeter schmale Boot hatte Jürg während Jahren viele schöne Ritte auf den Wellen des Thunersees ermöglicht. Bilder, Emotionen und Gedanken tauchten wieder auf: Sportliches Paddeln im Kampf mit Wind und Wellen ebenso wie beschauliches Gleiten, Stimmungen geniessen, Vögel beobachten und Fische springen sehen, ganz gegenwärtig sein – mit sich und der Welt im Einklang. Umso mehr freute es Jürg, dieses Sportgerät an Maja verschenken zu dürfen, die offen ist für neue Erlebnisse auf dem Wasser.
Jürg vertrug seit einer Augenoperation das helle, vom See gespiegelte Sonnenlicht schlecht, Maja hingegen erträgt das gut. Das Schenken ermöglichte Jürg ferner, listig etwas ausserhalb des allgegenwärtigen und übermächtigen Geldsystems zu tun. Das passte zu UND, wo ohne Lohn gearbeitet wird.
Übergabe
Jürg zeigte Maja, wie sie das Kajak am besten aus dem engen Schuppen nehmen und ins Wasser setzen und wie sie ein- und aussteigen kann, ohne das wackelige Ding zu kippen und dabei ins kalte Wasser zu fallen. Sie begriff schnell, sass sie doch nicht zum ersten Mal in einem schmalen Boot.
Sie beschrieb ihre Erfahrungen so: «Ob auf, im oder am See, im Element Wasser fühle ich mich einfach wohl. Sogar meine früheren StudentInnenjobs, wie zum Beispiel Kanuvermietung und Schwimmkurse, hatten mit Wasser zu tun! So geht für mich mit dem Geschenk von Jürg ein lang ersehnter Traum in Erfüllung: Mit einem eigenen Kajak aufs Wasser – den Zeitpunkt und die Dauer bestimme allein ich. Das ist Freiheit! Ich bewundere Jürg sehr, dass er sein Kajak im Rahmen des UND-Projektes verschenkt und sich so von einem geliebten Gegenstand trennt.
Getreu dem aktuellen UND-Thema «Mein und Dein», wird das Kajak nach vielen Jahren übergeben, damit ich mit ihm neue Wege erkunde und ein neues Abenteuer starte. Zu wissen, wem es vorher gehört und was es mit dem Kajak auf sich hat, bereitet mir eine grössere Freude, als wenn ich ein Kajak über irgendeine Internetplattform gekauft hätte. Was ich mit ihm wohl noch alles erleben werde auf dem Thunersee?»
Majas erste längere Fahrt
Maja konnte es kaum erwarten, das Kajak auszuprobieren. So war für sie klar, dass sie nach der Übergabe gleich zum ersten Mal lospaddeln würde.
Und wie sie diese Jungfernfahrt genoss! Das Erlebnis dauerte schliesslich zwei Stunden, und Maja konnte bestens erholt nach Hause gehen. Sie freut sich auf die vielen Fahrten, die ihr noch bevorstehen. Maja ist sich sicher, dass sie die Stunden auf diesem alten, aber gut erhaltenen Boot sehr geniessen wird. Jürg stieg gelegentlich auch im Spätherbst und im frühen Frühjahr ins Kajak.
Zu diesen Zeiten war es stiller auf dem See, und er fühlte sich als einer unter andern «komischen Vögeln» besonders wohl! Maja fragt sich, ob sie es auch wagen wird, ausgerüstet mit Handschuhen und Schwimmweste meditative Fahrten zu unternehmen.
Schenken ist sinnvoll
Jürg war überrascht, von Maja ein schönes Holzkistchen voller Köstlichkeiten für ein Festmahl zu erhalten. Schenken und beschenkt werden bereiteten beiden grosse Freude, insbesondere weil das Schenken freiwillig geschah und nicht erwartet wurde. Gebrauchtes zu verschenken, ist zudem sinnvoll, weil dadurch vermieden wird, dass für die Produktion von Neuem und beim Entsorgen von Altem Ressourcen verbraucht werden.